Algerien 2003: Bericht

Algerien

Als Marcel und ich im Hafen ankommen, warten Brigitte und Jürgen, der fränkische Teil unseres Teams, schon auf uns. Außer den beiden fallen uns noch viele andere bekannte Gesichter auf, Kai Oderwald, Bernd Wolfes, Michael Hummel und Thomas Hentschel, um nur einige zu nennen. Bei so vielen Bekannten ist die Überfahrt nach Tunesien natürlich sehr kurzweilig. Jeder erzählt über seine Pläne und alle freuen sich auf das Erlebnis Wüste.

Nach der Ankunft in Tunis und der raschen Zollabfertigung fahren wir zum Campingplatz Bordj Cedria, der uns noch vom letzten Jahr her bekannt ist. Da wir uns das Auf- und Abbauen der Zelte sparen wollen, mieten wir uns wieder die kleinen Beton-Bungalows. Bei der Fahrt zu den Behausungen bleibt Jürgen mit Fuß und Bremshebel in einer Stacheldrahtschlinge hängen und stürzt mit lautem Schrei. Zum Glück ist aber weder Mensch noch Maschine etwas passiert, außer einem kleinen Schrecken bleibt nichts zurück. Dafür entschädigt die Pizzeria um die Ecke - ja ja, landestypisch essen ;-) - mit Pizzen in akzeptabler Qualität. Vor dem Essen müssen wir an Jürgens DRZ aber noch einen Kupferwurm finden. Sein GPS geht nur im Batterie-Modus, aber nicht mit Bordstrom. Nachdem er die halbe Elektrik zerlegt hat, fällt ihm ein, dass er das GPS ans Standlicht angeschlossen hat und es also nur mit eingeschaltetem Licht geht. Unser Geläster muss er noch heute ertragen ;-)

Luigi beim Schrauben

Vor der Weiterreise tanken wir alles voll, wechseln Geld und bestimmen Marcel als Gemeinschaftskassenverwalter für die Dauer der Reise, worüber er sich natürlich tierisch freut ... Die Fahrt über Kairouan nach Kasserine ist gleichzeitig eine Verbrauchs-Messfahrt für unsere Vergaser- und Luftfiltermodifikationen. Wie immer wurde bis zum Schluss geschraubt und zuhause war keine Zeit mehr für ausführliche Tests. Dafür hatten wir alle notwendigen Teile dabei, um die Vergaser notfalls auch unterwegs anpassen zu können. Der erste Schreck fährt mir schon nach 95 km in die Glieder, als meine Maschine wegen Spritmangels liegen bleibt. Jetzt schon ist der 6 Liter fassende linke Hecktank leer? Ich kann und will es nicht glauben. Ich öffne den Benzinhahn des rechten Hecktanks und der Motor erwacht wieder zum Leben. So ein Mist, sollte ich mich beim Abstimmen des Vergasers wirklich so geirrt haben? Nach weiteren 70 km fängt der Motor wieder das Stottern an. Das gibt's doch nicht, was ist das nur für eine Schei**e, tobe ich innerlich. Wir halten an und überprüfen die Tankbelüftungen und die Benzinleitungen. "Boden geh auf, ich will versinken", da habe ich doch tatsächlich die Hecktanks am falschen T-Stück angeschlossen und somit die Benzinpumpe umgangen. Ohne Pumpe kann das ja nicht funktionieren. Schnell ist alles richtig umgesteckt und die Messfahrt kann weiter gehen.

Insgesamt sind wir sehr zufrieden, nur Brigittes Maschine braucht etwas mehr als der Durchschnitt, weshalb wir am Abend die Düsennadel doch noch eine Stufe tiefer hängen. Mittags machen wir Rast in einem kleinen Straßenrestaurant. Der Inhaber und die anderen Gäste begrüßen uns aufs herzlichste. Einer kann uns gar nicht genug begrüßen: "Willkommen in Tunesien, dem Land der Freiheit, der Toleranz, des Friedens ...", und noch einige Attribute mehr, wirft er uns entgegen. Die Haltung Deutschlands als Kriegsgegner zum einen und Kanzler Schröder im Besonderen werden aufs höchste gelobt. Vielleicht sollten die nächsten deutschen Wahlen in Tunesien stattfinden, Schröder bekäme hier sicher die absolute Mehrheit ... ;-) Abends, auf dem Campingplatz "Les Beaux Reves" in Tozeur, treffen wir viele Leute vom Schiff wieder. Die meisten wollen auch nach Algerien, so ist der Gesprächsstoff bis tief in die Nacht gesichert.

Aufstehen, frühstücken, zusammenpacken. Jürgen und ich gehen Wasser holen. Leider hat der Laden gegenüber kein Wasser und wir müssen einige hundert Meter in Richtung Ortsmitte laufen. An den je zwölf 1,5 Liter-Flaschen schleppen wir uns fast kaputt. Ständig reißt die Folie der Sixpacks weiter ein und dauern fallen uns eine oder mehrer Flaschen runter. Wir kommen kaum noch aus dem Lachen raus, vor lauter Ungeschick. Endlich sind wir fix und fertig zurück und füllen das Wasser in die vorbereiteten Kanister und Säcke. Nun sehen unsere Maschinen völlig überladen aus. Kaum zu glauben, dass wir damit wirklich nach Algerien und dort auch noch offroad fahren wollen. Am Ende soll das Fahren aber viel besser klappen, als wir selbst geglaubt hatten. Gegen 10:00 Uhr kommen wir endlich los. Die 60 km zur Grenze haben wir rasch geschafft und die Ausreise aus Tunesien dauert nur 15 Minuten. Die Einreise nach Algerien kostet uns zwei Stunden, inkl. Geldwechsel, dann haben wir es endlich geschafft und sind drin. Wir vier waren zwar schon öfter in Nordafrika, teilweise sogar gemeinsam, aber für alle ist es die erste Algerienreise. Dementsprechend hoch sind die Erwartungen und entsprechend gründlich waren auch die Vorbereitungen zu dieser Tour - auch wenn die vertauschten Benzinschläuche und die "Panne" mit dem GPS-Anschluss das zunächst nicht vermuten lassen ;-)

In den Ortschaften bis El Oued sind die Kinder sehr aufdringlich. Manchmal werfen sie mit Steinen und manchmal tun sie so, als ob sie mit ihren Schultaschen nach uns schlagen wollten. Hinter El Oued hören diese Unsitten jedoch auf und wir können entspannter fahren. Kurz vor Touggourt schlagen wir uns seitlich in die Dünen. Beim ersten Sandkontakt dieser Tour schmeißt sich Marcel vor lauter Begeisterung gleich in denselben und versucht fluchend seine Kati wieder auf die Räder zu stellen. Gemeinsam schaffen wir die Anstrengung und arbeiten uns über die kleinen Dünen weiter in ein Seitental. Kaum stehen die Zelte, da dampfen auch schon die Nudeln im Topf. Als die Sonne langsam versinkt, wird es doch recht kühl und wir wärmen uns mit heißem Tee, während wir das erste Mal auf dieser Tour im Sand liegen und in die Sterne blicken. Wer das schon mal gemacht hat, weiß was einem alles für Gedanken durch den Kopf gehen können. Man denkt an zuhause und an die Zukunft, versucht erfolglos die Unendlichkeit des Raumes zu begreifen und fühlt sich klein, verletzlich und überflüssig auf dieser Welt.

Nach dem Frühstück in den Dünen fahren wir endlos scheinende Kilometer bis Hassi Messaoud. Schon von weitem sieht man den Rauch der Gasfackeln bei den Bohranlagen. Die ganze Gegend sieht leider aus wie ein überdimensionaler Müllplatz. Auch der Verkehr nimmt stetig zu. Die Leute in den Autos und Lkw hupen kurz zum Gruß und winken freundlich. Kurz vor Hassi Messaoud bekommen wir bei einem Kontrollposten die Fahrbewilligung für den Süden des Landes. Im Ort selbst suchen wir dann ein Restaurant zum Mittagessen. Das Angebot an entsprechenden Lokalen ist genauso beschränkt, wie deren Auswahl an Speisen. Schließlich entscheiden wir uns für eine Stehpizzeria - ich weiß, wieder landestypisch ;-). Die Pizza ist hervorragend und wir können nicht genug davon bekommen. Nachdem wir gestärkt sind, bekommen auch unsere motorisierten Untersätze ihre notwendige Mahlzeit in Form von Benzin, bevor wir die Stadt Richtung Bordj Omar Driss verlassen.

Nach ca. 120 Kilometern zieht sich links ein Dünengebiet entlang. Das sieht nach einem idealen Lagerplatz aus. Parallel nebeneinander überfliegen wir die flache Sandebene bis zu den Dünen. Wir erklimmen die nächstbeste und finden sofort einen schönen Platz für die Nacht. Jürgen patzt bei der Auffahrt und wirft sich mitsamt seiner Suzuki in den weichen Sand. Gemeinsam drehen wir die Maschine, bis das Vorderrad nach unten zeigt und heben sie auf. Nun muss Jürgen erst mal bergab und dann mit neuem Anlauf einen zweiten Versuch wagen, der natürlich erfolgreich ist. Auf der anderen Seite geht es steil hinab. Uns ist schon etwas mulmig im Magen, als wir uns "in die Tiefe stürzen", aber wir glauben, dass in ein paar Tagen noch ganz andere Sachen auf uns warten ... Als wir die Talsohle erreichen, darf zur Abwechslung mal ich den Boden küssen, weil wieder mal die Füße zu kurz geworden sind. Wenigstens schaffe ich es, die Maschine alleine aufzuheben, so dass die anderen (fast) nichts von meinem Umfaller merken. Als die Zelte stehen, repariert Marcel einen Befestigungsriemen seiner Ortlieb-Taschen. Brigitte und Jürgen schauen sich noch mal den Vergaser an Brigittes KTM an und ich versuche mein GPS zu reparieren, das anscheinend den Geist aufgegeben hat. Auch nach dem Zerlegen des Gerätes finde ich keinen Fehler, aber nach dem Zusammenbauen, geht es plötzlich wieder. Hm, komisch! Hauptsache es geht wieder und hoffentlich bleibt das auch so.

Brigitte in der Düne

Die Nacht war kühl und der Morgen ist recht frisch. Der heiße Frühstückstee wärmt Finger und Bauch. Bis wir loskommen, hat die Wärme der Sonne aber schon wieder die Oberhand gewonnen. Wir überqueren den schützenden Dünengürtel und donnern über die Ebene zur Straße zurück, die sich schnurgerade durchs Gassi Touil zieht. Gegen Mittag wollen wir eine Pause einlegen und überqueren die ca. zwei Kilometer breite Ebene bis zu einem Dünenzug mit sehr hohen Dünen. Einer der Sandberge lacht mich an und ich muss unbedingt hinauf steigen. Nach einigen Minuten folgen Marcel und Brigitte. Bis ungefähr zur Mitte ist der Sand fest und der Böschungswinkel noch nicht zu steil. Doch dann wird der Sand weicher und die Düne steiler. Ab hier ist es jetzt richtig Arbeit den überdimensionalen Sandhaufen zu erklimmen. Immer öfter muss ich eine Pause einlegen und bekomme kaum noch Luft. Es war auch eine blöde Idee, mein Protektorenhemd anzulassen, anstatt wie die anderen beiden im luftigen T-Shirt loszusteigen. Brigitte kommt immer näher. Das treibt mich immer weiter hinauf, obwohl ich eigentlich lieber wieder runter möchte. Als wir fast ganz oben sind, gesteht sie Marcel und mir, dass sie nur hinaufgeklettert ist, damit wir "alten Säcke" später nicht lästern, dass die "jungen Spunde" unten geblieben sind und wir es ihnen wieder gezeigt hätten. Endlich sind wir ganz oben und uns eröffnet sich ein fantastischer Ausblick. Parallel zu unserem Gassi mit der Teerstraße verlaufen noch einige weitere. Getrennt von schmalen Dünenzügen verlaufen auch sie in Nord-Süd-Richtung und bieten eine Alternative zur langweiligen Asphaltbahn. Dieses Mal wollen wir rasch in den Süden kommen, aber für eine eventuelle weitere Algerienreise wollen wir diese Möglichkeit im Hinterkopf behalten.

Unter dem wohlklingenden Namen Hassi Bel Guebbour stellt man sich eine schöne Oase vor. In der Realität findet man eine Tankstelle, zwei "Restaurants" (eines schlechter als das andere) und ein paar von Müll umgebene Baracken vor. Nachdem wir alle Tanks gefüllt haben, ab hier gibt es nur noch Normalbenzin, probieren wir eines der Restaurants aus. Es gibt Omelettes mit Frites und dazu Cola. Hoffentlich neutralisiert das Cola die festen Speisen im Magen ;-) Einige Motorradfahrer die mit auf der Fähre waren, setzen sich zu uns. Sie berichten, dass die Strecke von Bordj Omar Driss nach Tin Fouye gesperrt sei. Bis vor kurzem war es noch die Strecke zwischen Bordj Omar Driss und Amguid. Außerdem erzählen sie uns, dass einige Motorradfahrer und ein Auto verschwunden seien, deshalb angeblich auch die Sperrung der genannten Strecke. Wo genau die Leute "abhanden" kamen, darüber gäbe es unterschiedliche Angaben. Wir wollen zunächst grob in Richtung Amguid fahren, dann aber nach Süden schwenken und durch den Kranfoussa Durchstieg auf die Gräberpiste gelangen. Wir fragen die Polizei am Kontrollposten am Ortsausgang von Hassi Bel Guebbour, ob diese Route möglich sei. "Sicher", meinen die Uniformierten, "das ist kein Problem!" Wir geben Gas, und brausen los. Die nun vor uns liegende Strecke ist wieder ein Verbrauchs-Test. Unser Sprit reicht auf jeden Fall bis ins ca. 540 km (Angaben anderer Reisender und eigene Berechnungen plus Reserve) entfernte Illizi. Aber der nun offroad ermittelte Durchschnittsverbrauch ist maßgebend für die weiteren geplanten Pisten. Sind unsere Vorräte dafür ausreichend oder nicht?

Ein paar Kilometer hinter Hassi Bel Guebbour gibt es eine kleine schwefelige Quelle, die wir nach einigem Suchen zwischen dem Schilf finden. Das Wasser ist recht heiß und lädt uns zum Baden ein. Dabei darf man aber nicht in Richtung des kleinen Teiches blicken, auf dem leider lauter Müll schwimmt. Direkt an der Quelle ist das Wasser jedoch sauber, da es ständig nachströmt und den Schmutz davon spült. Das Bad hat gut getan und in den frischen Klamotten fährt es sich gleich viel angenehmer. Wir kommen danach noch fast bis Bordj Omar Driss. In der steinigen Landschaft finden wir nur schwer einen Lagerplatz. Wir quälen uns durch unwegsame Oueds und über grobsteinige Ebenen, bis wir endlich einen ausreichend sichtgeschützten Platz finden, um unsere Zelte aufzustellen. Beim Essen diskutieren wir, was wir von den Gerüchten über die verschwundenen Reisenden halten sollen. Haben sie sich verirrt? Hatten sie einen Unfall oder eine größere Panne? Oder wurden sie gar Opfer von Überfällen? Wir wollen in Bordj Omar Driss versuchen, etwas mehr darüber zu erfahren, so ganz geheuer ist uns die Sache nicht. Wenigstens frieren wir in der Nacht nicht so wie bisher, da es spürbar wärmer geworden ist.

Körperpflege an der Quelle

Über einige Kehren winden wir uns vom Plateau talwärts nach Bordj Omar Driss hinunter. Bei einem Café füllen wir alles auf, was wir mit Wasser füllen können und kaufen gleich noch ein paar Baguette dazu. Leider erfahren wir von den Leuten hier gar nichts über die vermissten Touristen. Auf jeden Fall wollen wir die Augen aufhalten, ob uns irgendetwas unterwegs auffällt. Nachdem wir alles gebunkert haben, führt uns Luigi durch einige Sandfelder an den Rand eines weißlich-braunen Plateaus, das für eine Weile unsere rechte Flanke bildet. Unser Weg besteht aus verspurtem Sand und wir müssen schon ordentlich am Gasgriff drehen, damit unsere Maschinen einigermaßen stabil über den weichen Untergrund laufen. Einige Kilometer weiter denen sich weite Ebenen vor uns aus. Hier ist der Untergrund fester und leichter zu befahren. Irgendwann taucht auch der schwarze Kegel des Gara Kranfoussa links vor uns auf. Wir halten grob darauf zu, bleiben aber immer westlich des Berges. Als wir etwa auf gleicher Höhe sind, erreichen wir die "Blechhütte 3". Eine olivgrünes halb verfallenes Häuschen aus früheren Jahren, das sich heute prima als Navigationspunkt nutzen lässt. Hier machen wir Mittagspause und setzen uns in den spärlichen Schatten. Am Kontrollpunkt vor Hassi Bel Guebbour haben uns die Soldaten Dosen mit Fisch und Käse geschenkt. Die öffnen wir jetzt und verspeisen den Inhalt zusammen mit dem Baguette. Marcel und Luigi sind etwas zu gierig und schneiden sich an den scharfen Dosen prompt tief in die Finger. Wir waschen das Blut ab und verschließen die Wunden mit Pflaster. Solange nichts Schlimmeres passiert, kann man damit leben.

Eine halbe Stunde später kämpfen wir uns einen flachen, aber sehr weichen und relativ grobkörnigen Anstieg hinauf. Die Nadel des Drehzahlmessers ist kurz vor dem roten Bereich und die Öltemperatur steigt auf 120°C. Auch mein Puls rast beim Versuch die bepackte Maschine im Griff zu halten. Plötzlich geht der Motor aus und ich muss stehen bleiben. Die letzten ein zwei Meter bevor die Maschine steht wackelt die Fuhre total nach beiden Seiten. Das scheint bei diesen Bodenbedingungen zwar normal zu sein, bringt aber mich bzw. meine kurzen Beine, beim Versuch die Kiste nicht umfallen zu lassen, arg in die Bredouille. "Schei**e", denke ich, "was ist denn jetzt schon wieder los?" Die folgenden Startversuche bringen den Motor nicht zum Laufen. Obwohl die Hecktanks eigentlich noch voll genug sind, schalte ich auf den vorderen Tank um und lasse wieder den Anlasser orgeln. Irgendwann springt die Kiste wieder an. Beim Anfahren das gleiche Spiel wie beim Anhalten. Bis die Maschine wild auskeilend wieder in Schwung kommt, habe ich viel Arbeit einen Sturz zu vermeiden und muss den Motor voll aufdrehen, damit ich vorwärts komme. Als ich oben ankomme, ist Luigi gerade dabei seine Suzuki wieder aufzustellen. Wie er später berichtet, hat er sich bei voller Fahrt überschlagen. Zum Glück ist weder Mensch noch Maschine ernstlich beschädigt. Irgendwann ist auch die schlimmste Strecke zu Ende und wir kommen in ein gut befahrbares Dünengebiet. Hier macht das Fahren wieder Spaß, mit Schwung die Steigungen hinauf und auch mit Gas wieder hinunter. Da der Sand nicht besonders fest ist, müssen wir hier zwar auch ordentlich aufdrehen, aber er lässt sich viel leichter bewältigen, als das grobe Zeug einige Kilometer zurück.

Auf dem letzten Dünenkilometer weichen wir von der üblichen Route ab und folgen den Spuren zweier Motorräder. Beim Übergang aus dem Dünengebiet in die Ebene hinunter, können wir an den Spuren erkennen, dass die beiden Fahrer sich zu Fuß einen Überblick über den besonders steilen und langen Abstieg verschafft haben. Wir tun es ihnen gleich und sehen, dass es machbar ist. Mit klopfenden Herzen stürzen wir uns hinab ins Tal und rollen dann auf die quer verlaufende Hauptpiste zu. Nun geht es eine Weile auf steinigen Pisten weiter. Wir passieren den Hassi Tiskirine, dessen Wasser nicht besonders gut aussieht, und rollen auf verspurten Sandpisten auf den Hassi Tabelbalet zu. Der Tag neigt sich dem Ende zu, aber am Brunnen wollen wir nicht übernachten. Lieber fahren wir noch einige Kilometer weiter in die Dünen. Während wir von der Piste auf die Sandebene wechseln, schauen wir zu den Palmen am Brunnen hinüber, einfach nur um zu registrieren, dass wir die Wasserstelle wirklich passiert haben. Nachdem wir zwei Dünen überwunden haben, finden wir einen schönen geschützten Lagerplatz. Die Nacht ist ziemlich warm, so können wir noch lange draußen liegen und in die Sterne schauen.

Bei der Weiterfahrt treffen wir auf einer ziemlich weichsandigen Ebene auf zwei entgegenkommende Geländewagen aus Österreich. Wir tauschen die Erfahrungen über die jeweils hinter uns liegenden Pisten aus und plauschen noch etwas, bevor wir unsere Wege fortsetzen. Nach gut einer Stunde kreuzen einige Gazellen unseren Weg. Aber genauso schnell wie sie aufgetaucht sind, sind sie wieder verschwunden, kleine Staubwölkchen hinter sich her ziehend. Kurz darauf erreichen wir erstaunlicherweise eine große Grünfläche mit Büschen, Bäumchen und Blumen. Soviel Leben hätten wir hier nicht erwartet. Wir nutzen die Stelle für eine kleine Pause. Hier erholt es sich gleich besser als zwischen kahlen Steinen. Plötzlich hören wir Motorengeräusch. Wir blicken zurück und sehen zwei Motorradfahrer auf uns zu kommen. Es sind Karin und Markus, deren Spuren wir am Vortag in den Dünen gesehen haben. Sie haben am Brunnen Tabelbalet übernachtet und uns sogar zugewinkt, als wir dort vorbei fuhren. Obwohl wir zum Brunnen hingeschaut haben, hatten wir die beiden jedoch nicht gesehen. Wir beschließen unseren Weg nach Illizi gemeinsam fortzusetzen.

Die Piste ist nun abwechselnd mal fest und dann wieder tiefsandig. Leider sieht man dem Boden den Unterschied nicht immer an, so dass wir ab und zu abrupt vom weichen Sand gebremst werden und unsere Richtung korrigieren müssen. Hinter einer Engstelle wird die Landschaft wieder grüner. Plötzlich tauchen einige Esel vor uns auf und wir erkennen einige Hütten zwischen niedrigen Bäumen. Einige sind verfallen, andere anscheinend noch bewohnt. Von der Dünenseite her wird gerade eine Ziegenherde über die Grünfläche getrieben. Wir schwenken nach Osten ab, um die Tiere und die Grünflächen weiträumig zu umfahren. Dadurch kommen wir in einen eher unwegsamen Teil des Tales und müssen uns ganz schön anstrengen, um die grobsteinigen Flächen zu überwinden. Dabei reißt an Markus' DR350 der Kupplungszug. Während er in Ruhe den Zug wechselt, dösen wir im Schatten unserer Maschinen. Nach der Reparatur müssen wir einen großen Bogen fahren, um aus dem groben Gelände einigermaßen heil wieder herauszukommen und um den Einstieg auf die Piste wieder zu finden. Wir überqueren einen kleinen Bergzug, umfahren eine kleine Baumgruppe und sind dann wieder auf dem rechten Weg. Gegen Abend treffen wir auf einen algerischen Geländewagen. Die vier Insassen zeigen uns Suchplakate der vier verschwundenen Motorradfahrer und berichten, dass auch ein roter Mitsubishi mit je zwei Männern und Frauen gesucht wird. Als wir uns die Bilder der Vermissten ansehen, erschrecken wir regelrecht. Unter ihnen ist auch Rainer, ein Freund und Bekannter von uns. Schlimm genug dass überhaupt Reisende verschwunden sind. Wenn man dann auch noch Leute kennt, schnürt es einem regelrecht das Herz zusammen. In der Nacht ist uns richtig unwohl zumute. Wir können kaum ein Auge zumachen und müssen ständig an Rainer und die anderen Verschwundenen denken.

Auf der letzten Etappe nach Illizi, wechseln sich schwarze Berge und rot-gelbe Dünen ab. Dazwischen liegen Flecken mit leuchtend grünen und gelben Pflanzen. In einer Senke, durch die ein Oued führt, hat sich fast ein kleiner Wald gebildet. Die Piste die hindurch führt, ist sehr weich und tief verspurt. Als ich durch das trockene Bett des Oueds fahre, scheint der Boden zu explodieren. Staub hüllt mich ein und legt sich auf die Schleimhäute in Mund und Nase. Nur unter großer Kraftanstrengung und mit angehaltenem Atem kann ich die gegenüberliegende Uferböschung erklimmen. Ich fahre dann noch ca. zwanzig Meter weiter, damit die nachfolgenden genügend Platz zum anhalten haben. Kaum bin ich abgestiegen, da schießt auch schon Brigitte durch die dichte Staubwolke. Gemeinsam laufen wir zurück, um die anderen zu warnen und natürlich auch, um ein paar Fotos zu schießen. Die Spur, auf der Brigitte und ich durch das Oued gefahren sind, ist tief und mit dicken Steinen versetzt. Wir winken die anderen auf eine parallel verlaufende Spur, die nicht so tief durch das Fesch Fesch führt und etwas einfacher zu meistern ist. Nachdem wir uns alle gesammelt und uns den Staub aus den Klamotten geklopft haben, hören wir Hubschrauber über uns. Es sind zwei große Militärmaschinen, die anscheinend zu den Suchtrupps gehören. Uns sehen sie anscheinend nicht, denn sie folgen weiter dem Pistenverlauf Richtung Westen. Etwa zwei Kilometer zurück fliegen die beiden Hubschrauber nach unten und fliegen anscheinend etwas an. Wir vermuten, dass es der rote Trax (indischer Geländewagen) ist, den wir gestern überholt haben und der anscheinend dicht hinter uns ist. Soweit wir wissen, wird ja auch ein roter Geländewagen gesucht.

Nach einer breiten Ebene, die wir im Formationsflug zu sechst nebeneinander überqueren, erreichen wir die Ortsgrenze von Illizi. Wir stoßen im rechten Winkel auf die Asphaltstraße und müssen nur noch einen Graben überqueren. Ich bin als erstes auf dem Teer und fahre vor lauter Freude ein Stückchen auf dem Hinterrad. Als ich mich umblicke, ist aber niemand hinter mir. Ich wende und fahre zurück. Luigi ist wieder mit dem Fuß in einer Stacheldrahtschlinge hängen geblieben. Irgendwie scheint er das zu mögen, in Tunesien hatte er das auch schon gemacht ;-) Nachdem er sich befreit hat, rollen wir dann gemütlich zum Campingplatz weiter. Wir sind die einzigen Gäste, aber es ist auch noch früh am Tag. Der Verwalter fragt uns gleich, ob wir etwas von den Vermissten gesehen hätten und zeigt uns die neuesten Suchplakate, auf denen auch die neuen Vermissten abgebildet sind. Ein weiterer Schreck durchfährt uns, als wir unseren Kumpel Frank darauf erkennen. Er fuhr drei Wochen vor uns nach Algerien und wir hofften ihn hier unten irgendwo zu treffen. Da wir Frank, seine Maschine und Ausrüstung kennen, können wir bestätigen, dass das Bild wirklich Frank zeigt (anscheinend war das noch nicht ganz klar) und können die Beschreibung seines Motorrads usw. ergänzen. Auch einen von Franks Reisegefährten kennen wir zumindest vom Sehen her. Wir wissen zwar nicht mehr seinen Namen (später erfahren wir, dass er Jürgen Matheis heißt), haben uns aber schon auf Motorradtreffen und beim Nikolaustag unseres KTM-Händlers getroffen und unterhalten. Diese Nachrichten sind fast zuviel für uns. Anscheinend hatten wir mehr als Glück als Verstand, dass wir unversehen bis hierher durchgekommen sind.

Die Wüste blüht

Nachdem wir unsere Zelte im Schatten eines großen Baumes aufgebaut und geduscht haben, lassen wir uns vom Camp-Manager ein schönes (Nach-)Mittagessen servieren. Endlich wieder mal Salat und Couscous mit frischem Gemüse, statt dem Fertigfutter aus der Tüte. Und endlich mal wieder eiskalte Getränke statt warmem Wasser. Was sind wir doch verwöhnt und verweichlicht, wenn wir schon nach wenigen Tagen die Bequemlichkeiten der Zivilisation vermissen ... Nach und nach Treffen auch andere Reisende auf dem Campingplatz ein. Einige von Ihnen kennen wir sogar aus dem Internet, z. B. Andree und Birgit, Arend und Claudia. Natürlich gibt es nur ein Gesprächsthema, die verschwundenen Reisegruppen. Ein deutsch sprechender Algerier ist anscheinend in die Suchaktion involviert und es sollen Suchtrupps organisiert werden. Als sich jedoch herausstellt, dass es sich wahrscheinlich um Entführungen handelt, werden alle diesbezüglichen Aktionen abgebrochen. Keiner der Reisenden sollte den Entführern auch noch von selbst in die Arme laufen. Die Suchaktionen bleiben aus Sicherheitsgründen der Polizei und dem Militär vorbehalten. Zusammen mit dem Algerier kam auch Esther auf den Platz. Sie ist die Freundin von Christian, aus der vermissten ersten Gruppe. Sie versucht die Suche in Illizi zu koordinieren. Wie sich herausstellt, hat sie aber nur wenig Erfolg, stößt bei der einheimischen Bevölkerung teilweise sogar auf Ablehnung. Per SMS können wir mit Marco in Deutschland Kontakt halten, der uns mit Infos aus dem Internet auf dem Laufenden hält. Über ihn bittet uns Stephan Gries, ein Freund von Frank, uns im Hotel in Illizi nach Frank zu erkundigen, da er und seine Gruppe dort übernachten wollten. Die Leute sind nicht gerade redselig und keiner will die gesuchten Leute dort gesehen haben. Bis tief in die Nacht diskutieren wir mit den anderen Reisenden auf dem Campingplatz. Eigentlich würden wir am liebsten gleich wieder Richtung Heimat fahren. Aber ist das sinnvoll, wo wir doch nicht wirklich etwas wissen? Die Diskussionen gehen hin und her. Wir verschieben die Entscheidung auf den nächsten Tag, in der Hoffnung, dass es neue Informationen gibt.

Heute machen wir erst mal einen Pausentag. Gemütlich Frühstücken, wahlweise in der Sonne oder im Schatten liegen, mit den Nachbarn plauschen und die Maschinen durchchecken. Abends fahren wir in die Stadt. Marcel und ich lassen uns rasieren, die anderen warten in einem Café auf uns. Danach bummeln wir zusammen mit Esther durch die Straßen. Wir essen wieder im gleichen Restaurant wie am Abend zuvor und wägen dabei ab, was wir nun tun sollen, ohne jedoch zu einem wirklichen Ergebnis zu kommen. Zurück auf dem Campingplatz, sitzen wir wieder lange mit den anderen Reisenden zusammen. Da niemand genau weiß, was wirklich vorgefallen ist und sich viele Infos zurzeit widersprechen, fassen wir den Entschluss doch weiterzufahren. Dabei hoffen wir, dass sich in der Zwischenzeit die Geschehnisse aufklären, oder zumindest sich die Informationslage verbessert. In Djanet wollen wir die Sache nochmals neu überdenken.

Wir packen in Ruhe zusammen und machen uns relativ spät auf den Weg nach Djanet. An der Tankstelle rechnen wir den Kraftstoffverbrauch der einzelnen Maschinen auf der hinter uns liegenden Pistenstrecke seit Hassi Bel Guebbour aus. Der weiche Sand forderte den Motoren schon einiges ab und die Verbräuche liegen zwischen 5 und 7 l/100 km, je nach Maschine. Für den weiteren Weg nach Djanet ist das aber irrelevant, da wir hauptsächlich auf Asphalt unterwegs sein werden und auch die Streckenlänge nicht kritisch ist. Karin und Markus schließen sich uns bis Djanet an. Von dort aus müssen sie allerdings wieder auf den Rückweg machen, da sie insgesamt nur drei Wochen Zeit haben. Leider geht es Markus gar nicht gut. In der letzten Nacht musste er ständig auf die Toilette rennen und hatte kaum geschlafen. Nun ist ihm grottenschlecht. Wir hoffen, dass ihn die Fahrt etwas ablenkt. Die Straße führt durch eine schwarze scheinbar unwegsame Berglandschaft. Das GPS zeigt, dass wir meist auf einem Niveau von über tausend Metern Höhe fahren. Das erklärt, warum uns auf dieser Strecke ständig etwas kühl ist. Gegen Mittag führen uns einige Kehren auf ein tieferes Niveau hinab, hier ist es gleich viel wärmer und wir kommen gar ins Schwitzen. Im Schatten eines einsamen Baumes am Straßenrand machen wir eine kleine Rast. Während die anderen unter dem Baum dösen, laufe ich durch die Gegend und schaue mir die zahlreichen merkwürdig erodierten Felsen an, die es hier überall gibt. Einige Heuschrecken sitzen auf den Steinen und machen schnarrende Geräusche. Das ist aber schon alles, was es hier an Geräuschen zu hören gibt. Kurz bevor wir aufbrechen, stoßen Gabi und Jürgen sowie Andrea und Tom mit ihren Autos zu uns. Wir verabreden uns für einen gemeinsamen Besuch der Felsgravuren von Tinterhert und bestimmen einen Treffpunkt am entsprechenden Abzweig an der Straße. Unser Weg wird immer kurvenreicher, so dass auch der Fahrspaß nicht zu kurz kommt. Einige Male werden wir von rasenden Algeriern überholt, die wirklich viel zu schnell für die Straßenverhältnisse und für den Zustand ihrer Fahrzeuge unterwegs sind. Dann erreichen wir den verabredeten Abzweig, warten bis die Autos in Sichtweite sind und folgen dann der staubigen Piste auf eine Bergkette zu. Wir umfahren weiträumig ein kleines Nomadenlager und erreichen bald darauf die Felsen mit den Gravuren. Der flache Felsen wird von zwei Männern bewacht, bei denen wir 100 Dinar/Person Eintritt zahlen. Wir müssen Stiefel und Schuhe ausziehen, damit wir die Gravuren nicht beschädigen. Dann führen sie uns über die Fläche und erklären uns die in Stein gehauenen Bilder. Gazellen, Kühe und Strauße, tanzende Menschen und Umrisse von Füßen können wir bewundern. Kaum vorzustellen, wie alt die Gravuren sind und das sie so lange überdauert haben.

Wir fahren zur Straße zurück und setzen den Weg nach Djanet fort. Die Landschaften werden immer fantastischer. Stümpfe längst erloschener Vulkane und seltsam erodierte Berge und Felsformationen säumen die Straße. Ab und zu fahre ich in ein Seitental und fühle mich regelrecht verloren in den engen, von hohen Felsen eingerahmten Schluchten. Am liebsten würde ich hier übernachten, aber wir haben mit den Auto-Besatzungen ausgemacht, dass wir uns erst später, am Eingang eines Tales mit tollen Felsformationen treffen und dort einen Schlafplatz suchen wollen. So rollen wir staunend weiter durch eine Landschaft, die an das Monument Valley in den USA erinnert. Bis wir den ausgemachten Abzweig erreichen, steht die Sonne schon sehr tief. Während die anderen fünf sich bereits durch den Sand graben, bleibe ich noch an der Straße stehen und packe meinen Fotoapparat in den Tankrucksack. Dann gebe auch ich Gas und will mich durch die weichen Spuren wühlen. Anscheinend meine ich es zu gut mit dem Gasgriff, denn meine Kati keilt wild aus und wirft mich von links nach rechts und wieder nach links, bis ich verdreht unter der Maschine liege. Ein starker Schmerz zieht links durch den Knöchel bis zum Knie hoch. Schwerfällig stehe ich auf. Das Bein schmerzt tierisch und ich kann kaum auftreten. "Hoffentlich ist die Reise für mich jetzt nicht vorbei", denke ich. Inzwischen sind Andrea und Tom mit ihrem Toyota bei mir angekommen. Tom hilft mir die Maschine aufzustellen und bietet an, die Kati bis zum Lager zu fahren, während ich mich von Andrea im Auto chauffieren lassen soll. Aber ich will es lieber selbst versuchen, wenn es jetzt nicht geht, dann ist es eh für mich vorbei. Tom hält die Maschine, während ich umständlich aufsteige. Nach einigen Umdrehungen springt der Motor an. Unter Schmerzen kann ich den ersten Gang einlegen. Gerade jetzt muss ich mich natürlich weiter durch den weichen Sand quälen. Ich bringe die Fuhre in Fahrt und will in den zweiten Gang schalten, doch ich kann den Fuß nicht richtig bewegen. Lange kann ich nicht herumprobieren. Das Motorrad muss in Schwung bleiben, damit ich nicht wieder stürze. Also erst mal im ersten Gang weiter, bis ich schließlich doch noch den zweiten Gang rein bekomme. Zum Glück haben die anderen schon hinter der nächsten Felsengruppe einen Lagerplatz gefunden. Sie hatten gar nicht bemerkt, dass ich gestürzt bin und wundern sich, wo ich jetzt erst her komme. Marcel hilft mir beim Absteigen, während ich mein kleines Unglück erzähle. Nachdem das Zelt steht, versuche ich die Stiefel auszuziehen. Den linken bekomme ich vor Schmerzen kaum runter. Der Knöchel ist geschwollen und im Knie sticht es bei Belastung. Erst mal mit Salbe einreiben und abwarten, was der nächste Tag bringt. Aber jetzt genießen wir alle erst mal den Sonnenuntergang und kurz darauf den schaurig-schönen Mondaufgang. Es ist richtig unheimlich, wie sich die volle Scheibe hinter den sich schwarz abzeichnenden Felsen immer weiter nach oben schiebt. Wenn jetzt noch ein Hund heulen würde ...

Landschaft

Die ganze Nacht konnte ich kaum schlafen, mein Bein schmerzte und ich musste ständig an die Verschollenen denken. So stehe ich auch recht früh auf und kann mir in Ruhe den Sonnenaufgang anschauen. Danach lege ich das Bein in den kühlen Sand, das bringt etwas Linderung. Auch Tom ist schon wach, er kocht Kaffee und liest eine Zeitschrift, während er sich von der Sonne wärmen lässt. Ich bringe auch unseren Kocher in Gang und koche schon mal Wasser für das Frühstück. Nach und nach kommen auch die anderen aus den Federn und bewundern die fantastische Kulisse im morgendlichen Licht. So einen schönen Lagerplatz hatten wir nur sehr selten. Die weitere Fahrt ist ein Traum. Wir durchqueren wild zerklüftete Canyons mit Fabelfiguren aus Stein, riesige Torbögen, Vulkanstümpfe, kleine Dünen und enge Felsspalten. Wir können uns gar nicht satt sehen an den wunderschönen Landschaften. Sprachlos sitzen wir auf Dünenkämmen oder fahren staunend zwischen hohen Felstürmen hindurch. Einfach megagenial. Mittags kochen wir im spärlichen Schatten eines Felsens Tee und machen uns über unsere mitgebrachten Salamis her. Nach der Pause trennen wir uns von der Allrad-Truppe, sie wollen einen anderen Weg als wir nach Djanet nehmen. Auf dem Campingplatz wollen wir uns aber wieder treffen. Wir zirkeln durch die engen Canyons, arbeiten uns durch Weichsandfelder und überwinden einige Dünenzüge. In einem steinigen Oued stürzt Karin. Aber es ist nichts passiert, sie ist wie immer am lachen. Gemeinsam bringen wir ihr Mopped wieder in Fahrt. Knapp dreißig Kilometer vor Djanet erreichen wir wieder die Teerstraße. Der Teer ist rot und etwas löchrig, trägt uns aber bequem zwischen den Bergzügen bis in die Stadt.

Wir fahren ins Zentrum von Djanet, zum Campingplatz bzw. Hotel Zeriba. Einige Motorradfahrer, die wir schon auf der Fähre kennen gelernt hatten, haben ihre Zelte hier schon stehen. Wir entscheiden wir uns jedoch für ein Zimmer und gönnen unseren alten Knochen ein Bett. Die Räumlichkeiten reißen uns zwar nicht vom Hocker, aber immer noch besser als auf dem schattenlosen Vorplatz zu zelten. Nachdem wir unser Gepäck abgerödelt haben, waschen wir zuerst unsere Wäsche und dann besonders gründlich uns selbst, was nach vier Tagen Wüste ohne Dusche den Nasen der anderen Gästen gegenüber nur fair ist ;-) . Nachdem wir wieder zivilisiert sind, setzen wir uns in ein Café und stürzen gleich mehrere eiskalte Colas hinunter. Ah, tut das gut, nach dem wir tagelang nur Wasser mir Umgebungstemperatur trinken konnten. Nach und nach füllt sich unser Tisch. Gabi und Jürgen, Andrea und Tom, die "Youngsters mit dem Datsun" und nicht zuletzt Oliver und Bernd. Gemeinsam laben wir uns an Kaffee und süßem gefüllten Gebäck. Bis zum Abend sitzen wir dann in wechselnder Besetzung zusammen am Tisch und quatschen. Zwischendurch verschwindet jeder immer wieder mal, um etwas zu erledigen. Als die Sonne hinter den Bergen verschwindet, sind wir wieder komplett und freuen uns auf das Essen. Es gibt Salat und Hühnchen mit Pommes, oder auch Lammfleisch mit Pommes. Das Essen schmeckt lecker und ist eine willkommene Abwechslung zum Fertigfutter der letzten Tage. Nachdem wir uns die Bäuche voll geschlagen haben, machen wir einen Verdauungsspaziergang durch Djanet. Wir wollen natürlich auch ins Internet-Café, aber das hat leider schon geschlossen. Langsam schlendern wir zum Campingplatz zurück. Die anderen hocken bei den Autos zusammen und diskutieren die weiteren Strecken. Wir setzen uns dazu und kommen letztendlich mit Gabi, Jürgen, Andrea und Tom überein, gemeinsam die Hoggar-Südumfahrung anzugehen.

Der heutige Tag läuft gelassen an. Ich habe mein ganzes Gepäck auseinander gerupft, um es neu zu ordnen und anders zu packen. Irgendwie muss ich das Volumen doch verringern können. Danach frühstücken wir im Camping-Restaurant. Nach dem Frühstück verabschieden wir uns von Karin und Markus, sie müssen wieder nach Hause und fahren zurück in den Norden. Vor unserer Abfahrt kaufen wir auf dem Markt noch Gemüse und Brot und besorgen Wasser. Gegen Mittag sind wir endlich abfahrtsbereit, zumindest halbwegs, denn jetzt müssen wir noch tanken. Jürgen lädt vierzig Liter Benzin für uns auf seinen Mitsubishi, so dass wir problemlos die lange Strecke bewältigen können. Ohne die Sicherheitsreserve wären wir die Strecke nicht gefahren. Der Wasservorrat wäre ohne die Unterstützung der Autos auch ein Problem gewesen, das uns von der Befahrung der Strecke abgehalten hätte. Doch in beiden Autos ist genügend Wasser, um uns auszuhelfen, falls unseres verbraucht sein sollte. Auf der Teerstraße fahren wir einige Kilometer nach Norden, biegen dann aber nach Südosten ab. Nachdem wir eine Ebene überquert haben, kurven wir zwischen den Dünen des Erg Admer hindurch. Immer wieder fahren wir direkt auf die hohen Sandberge zu und denken wir müssten sie nun queren. Kurz vor dem Dünenfuß öffnet sich jedoch immer ein seitliches Gassi und wir können sie umfahren. Aber am Ende müssen wir doch noch eine Düne überqueren. Bei den Autos wird der Luftdruck der Reifen reduziert, wir versuchen es erst mal so. Die Böschung ist steil und die Allrader mühen sich in Schlangenlinien den Berg hinauf. Auch wir geben Gas und prügeln die Maschinen auf dem direkten Weg nach oben. Nach dem wir ca. dreiviertel des Berges geschafft haben, bleiben wir auf einem Sattel stehen. Jetzt wird es weicher und noch steiler. Auch wir reduzieren nun den Luftdruck, bevor wir das letzte Stück angehen. Die Autos hatten sich weiter links gehalten und wir hören nur noch das Brummen der Motoren. Anscheinend sind sie schon auf dem Weg nach unten. Luigi fährt voran und im Abstand von jeweils fünfzig Metern folgen wir. Hinter der höchsten Stelle halten wir an, um uns zu orientieren. Erst als wir die beiden Autos als winzige Punkte am Dünenfuß ausmachen, können wir abschätzen wie hoch die Düne tatsächlich ist. Als wir uns in die Tiefe stürzen, läuft es uns regelrecht eiskalt den Rücken hinunter.

Als wir die anderen erreichen, sind sie gerade dabei die Reifen wieder aufzufüllen. Wir belassen es vorerst beim niedrigen Luftdruck und fahren schon mal voraus. Die folgende Strecke führt über mit Steinen versetzten Sandebenen. Mal härter und mal weicher stellt der Untergrund aber keine besondere Anforderungen an unser Fahrkönnen. In der Ferne erkennen wir einen großen dunklen Felsen. Lt. GPS muss das der Punkt sein, an dem wir uns mit den Allradern verabredet haben. Nachdem wir den Felsen erreicht haben, suchen wir zwischen großen herabgefallenen Steinen etwas Schatten und warten auf die anderen. Nach einer halben Stunde haben sie uns erreicht und nun lassen wir uns einige Baguette mit Käse und Salami schmecken. Bevor wir weiter fahren, füllen wir aber noch mit dem motorgetriebenen Kompressor des Mitsubishis unsere Reifen auf, denn der Weg scheint nun sehr steinig zu werden. Mittlerweile ist es halb vier. Noch eine Stunde wollen wir weiter fahren und uns dann einen Platz für die Nacht suchen. Wir suchen wieder einen geeigneten Treffpunkt in der topografischen Karte und programmieren das GPS. Auf der weiteren Strecke bekommen wir KTM-Fahrer Probleme mit der Spritversorgung. Wir müssen von den Hecktanks auf den Fronttank umschalten, obwohl erstere noch nicht leer sind. Dieses Problem sollten wir auf der weiteren Tour noch öfter haben. Das alle drei Benzinpumpen auf einmal kaputt sind, kann nicht sein. Die einzige einleuchtende Erklärung ist, dass der (schlechte) Sprit bei hohen Umgebungstemperaturen und dem Unterdruck in der Pumpe verdampft und die entstandene Dampfblase in der Ansaugkammer eine Förderung des Sprits verhindert. Schaltet man auf den Fronttank um, wird durch dessen hohen Flüssigkeitsspiegel der Sprit ohne Saugarbeit der Pumpe in den Vergaser gedrückt. Für diese Theorie spricht auch, dass es bei kühleren Temperaturen, z. B. am Morgen, keine derartigen Probleme gibt.

Am verabredeten Treffpunkt warten wir auf die Autobesatzungen. Der Punkt liegt mitten in einer Ebene, schon mal kein guter Übernachtungsplatz. Außerdem umschwirren uns hier Millionen von Fliegen. Wir können kaum Augen oder Mund öffnen, ohne dass uns ein Mückenvieh hinein fliegen will. Am Horizont erkennen wir einige Berge oder Dünen, bis dorthin wollen wir noch fahren und schauen wie es dort aussieht. Gemeinsam starten wir durch und flüchten vor der Insektenplage. Als wir den schmalen Bergzug erreichen, gefällt uns der Platz schon viel besser. Er besteht aus einigen großen Felsen, an denen sich eine Düne angelagert hat. Hier sind wir nicht auf dem Präsentierteller und die Fliegen sind hier auch keine Plage. Luigi fängt gleich mit dem Kochen an, bzw. er versucht seinen störrischen Kocher in Gang zu bringen. Als das Teil endlich brennt, wird mit schwarzen Fingern das Gemüse geschnitten und später in das kochende Tütenfutter mit eingerührt. Bei den Allrad-Kollegen gibt es gegrilltes Kamelfleisch, na ja, nicht so ganz mein Geschmack. Nach dem Essen umrunden wir unseren Dünenzug und steigen auf den höchsten Felsen, um den Sonnenuntergang zu genießen. Die Steine sind warm und beim Draufklopfen klingen sie, als ob sie hohl wären. Später hören wir im Weltempfänger vom Beginn des Krieges im Irak. Hoffentlich weitet sich das nicht auf die ganze Welt aus... Während wir auf dem Boden liegen und in die Sterne schauen, gibt Gabi eine Runde Cappuccino aus. So richtig mit aufgeschäumter Milch. Sie hat einen solarbetriebenen Milchschäumer dabei und hatte uns schon in Djanet den Mund wässrig gemacht.

Von unserem Lagerplatz aus fahren wir wieder auf die Ebene hinaus. Nach ca. dreißig Kilometern erreichen wir unseren nächsten Treffpunkt. Ab hier ist die Strecke steiniger und schwieriger zu fahren. Wir tuckern zwischen den dunklen Felsen hindurch und versuchen einen möglichst gut fahrbaren Weg zu finden. Schließlich brechen wir aus der geplanten Route aus und umfahren das steinige Gelände in einem Bogen. Kurz vor unserem nächsten Treffpunkt, kommen wir wieder auf die geplante Route zurück. Während meine drei Mitstreiter im Schatten eines Baumes auf die Autos warten, fahre ich ein Stück zurück. Mir sind einige markant geformte Berge aufgefallen, die ich mir gerne näher ansehen möchte. Ein riesiger Felsblock liegt rund wie ein gestrandeter Wal im Sand. Auf ihm liegen einige kugelförmige Felsen wie Riesenmurmeln. Komisch, dass die nicht herunterrollen. Ich fahre den "Walrücken" hinauf. Der Fels ist gemustert wie Elefantenhaut. Bei der obersten Murmel halte ich an und stelle die Maschine ab. Von hier aus hat man einen tollen Ausblick über die Ebene. Staubfahnen am Horizont zeigen, dass die Autos auch nicht mehr weit zurück sind. Als sie auf der Piste unweit des Felsens vorbei fahren, winke ich wie wild. Wie sich später herausstellt, haben zwar alle zum markanten Felsen hinübergeschaut, mich aber nicht gesehen. In Gedanken an die Vermissten frage ich mich, wie die Suchtrupps Menschen finden wollen, von denen sie nicht wissen wo sie sind und die wahrscheinlich nicht mal winken können?

Nach der Mittagspause müssen wir uns kilometerlang durch weichen Sand wühlen. Durch die engen Täler führen zwei parallele Rinnen, die andere Autos vor uns in den Boden gezeichnet haben. Unsere beiden Geländewagen fahren da wie auf Schienen, aber mit dem Motorrad müssen wir mindestens 60 bis 70 km/h fahren und ziemlich fest zupacken, um nicht in den noch weicheren Sand neben den Spuren zu geraten. In einem kleinen Tal bestehen die Berge aus großen und kleinen runden Steinen, die wie zufällig aufgetürmt da liegen. Ein fantastischer Anblick, wie der Spielplatz von Riesen. Später erreichen wir wieder einige walrückenförmige Felsen. In deren Nachbarschaft finden wir auch markant erodierte Felsen. Sie sehen aus wie Stiefel oder Pilze, wie großnasige Köpfe oder Fabelfiguren. Wirklich ein richtiges Märchenland. Obwohl wir hier fast 1.300 Meter hoch sind, zeigt das Thermometer in Toms Toyota gute 35 Grad an. Eigentlich zu warm, um sich in Motorradklamotten hier umzuschauen. Einige Täler weiter finden wir ein paar Ziegenherden. Zwischen den Bäumen sehen wir auch die bunte Kleidung einiger Frauen, die am Talrand über die Herden wachen. Von was leben die Menschen hier, mitten im Nichts? Gegen Abend fahren wir durch ein Tal, das praktisch nur aus ineinander übergehende Oueds besteht. Da wir im Falle von evtl. Regen keine "nassen Füße" bekommen wollen, wählen einen etwas höher gelegenen Platz für die Nacht aus. Eine Flache Düne die rundum von Steinen begrenzt ist und von der aus wir einen schönen Blick über das Tal haben. Da wir dank der Autos keinen Wassermangel haben, können wir uns heute Abend mal richtig waschen. Luigi taucht gleich seinen ganzen Kopf in die Wasserschüssel und würde am liebsten komplett eintauchen.

Ein schöner Tag begrüßt uns mit blauem wolkenlosem Himmel. Wir verlassen unseren hoch gelegenen Lagerplatz und rollen über eine weite Ebene auf die Berge am Horizont zu. In einem baumlosen Oued machen wir Mittagspause. Das Thermometer steht auf 42° und der Schweiß rinnt in Strömen. Da es hier nirgends Schatten gibt, legen wir uns zum Dösen unter die Autos. Essen mag bei dieser Hitze niemand. Vielleicht mal einen Müsliriegel, aber in der Hauptsache wird viel getrunken. Der weitere Weg besteht aus einem wild zerfurchtem Oued, das durch ein kleines Tal führt. Anscheinend gab es vor nicht allzu langer Zeit starke Regenfälle, die den Boden so stark deformiert hatten. Für uns ist nur die in den Boden gedrückte Autospur einigermaßen fahrbar, die aber ständig durch Fesch Fesch Löcher führt. Der Toyo von Tom und Andrea ist noch vor uns. Immer wenn er in ein solches Loch fährt, sieht es aus, als ob das Auto explodieren würde. Da es keine Möglichkeit zum Überholen gibt und Tom in den dichten Staubwolken nicht sehen kann, dass wir hinter ihm sind, müssen wir eine ganze Weile lang den feinen Staub schlucken. Mittlerweile ist auch ein starker Wind aufgezogen und treibt immer wieder dichte Staubwolken aus den Seitentälern über den Weg. Unsere Motorradbrillen sind mit einer mehlartigen Schicht überzogen, so dass wir kaum noch was sehen können. Außerdem sitzt der Staub auch in der Nase und brennt und juckt. Als sich das Tal etwas öffnet, können wir einen Bogen des Oueds abschneiden und endlich an Tom mit seiner langen Staubfahne vorbei ziehen. Bis zum Abend haben wir mit dem Fesch Fesch auf der schlechten Piste zu kämpfen. Der Wind ist mit der Zeit zu einem kleinen Sturm geworden. Hinter einem großen Felsen finden wir ein wenig Schutz vor der Naturgewalt. Während die anderen im Windschatten der Autos sitzen, bauen Marcel und ich unser Zelt auf. Da es ziemlich windet und der Wind schaufelweise Sand mit sich führt, ist das kein leichtes Unterfangen. Die "blöden Kommentare" unserer Zuschauer können wir verkraften, denn irgendwann müssen auch sie ihr Zelt aufbauen und wir kommentieren dann. Als unser Stoffhaus endlich steht, liegen wir fast nackt auf unseren Matratzen. Draußen kann man sich wegen des Sandsturms nicht aufhalten und drinnen ist es heiß wie in einer Sauna. Bei jeder Sturmböe wird etwas Sand zwischen Außen- und Innenzelt geweht, durch das Moskitonetz im Dach des Innenzelts gesiebt und fällt dann als mehlartiger Staub auf uns herab. In Verbindung mit dem Schweiß, fühlen wir uns wie panierte Schnitzel. Überall wo man hinlangt, liegt dick der Staub. Er brennt in Nase und Augen, wir haben im wahrsten Sinne des Wortes die Schnauze voll.

Da Tom und Andrea bei diesem Windbedingungen ihr Dachzelt nicht aufbauen können, haben sie sich im Nachbartal nach einer besseren Stelle umgeschaut und auch gefunden. Die Entscheidung, dass wir nun alle im Dunkeln umziehen sollen, passt Marcel gar nicht. Während wir rasch zusammenpacken, bruddelt er ständig in sich hinein. Zunächst stopfen wir alle losen Teile in die Autos. Dann tragen wir unser Zelt mitsamt Inhalt über den Bergzug ins andere Tal hinüber. Auf der anderen Seite durchqueren wir noch ein Oued und nach weiteren hundert Metern sind wir am neuen Lagerplatz. Während wir zurück laufen, um unsere Maschinen zu holen, nageln die anderen unser Zelt am Boden fest. In Unterhosen und Turnschuhen fahren wir dann die Enduros um den Berg herum zu unseren Zelten. Schimpfend stellt Marcel fest, dass das Zelt zwar steht, aber nicht auf dem von uns mühevoll von Steinen befreiten Platz, sondern genau daneben, auf dem mit Steinen übersäten Boden. Also alle Nägel wieder rausziehen, das Zelt umsetzen und die Nägel wieder in den harten Boden schlagen. Die anderen haben mittlerweile mit dem Kochen begonnen. Gerade als alle ihre Suppe im Teller haben, kommt eine Sturmböe und würzt mit einer Handvoll Sand das Abendessen. Aber das ist jetzt auch egal. Es knirscht sowieso überall, da kommt es auf die paar Körner auch nicht mehr an.

Am Morgen ist es windstill, aber die Luft ist braun vor Sand. Beim Zusammenpacken versuchen wir möglichst den Sand draußen zu halten, aber es will uns nicht recht gelingen. Die Fahrt zieht sich durch endlose Täler. Leider ist der Weg stark verspurt uns kostet viel Kraft. Wir müssen uns sehr auf das Fahren konzentrieren und bekommen so leider nicht viel von der Landschaft mit. Ungefähr siebzig Kilometer vor Tamanrasset verlieren wir die Autos. Während Marcel und ich am Treffpunkt warten, fahren Brigitte und Jürgen zum letzten gemeinsamen Punkt zurück. Nach einer Stunde kommen sie ergebnislos zurück. Was sollen wir nun tun? Da die anderen anscheinend nicht hinter uns sind und wir relativ nahe an Tam sind, können sie eigentlich nur vor uns sein. Aber warum haben sie nicht gewartet? Wir beschließen weiter zu fahren und, falls die Allrader nicht im Ort sein sollten, mit aufgefüllten Sprit- und Wasservorräten noch mal zurück zu fahren.

Felsbogen

Die letzten ca. sechzig Kilometer sind eine reine Qual. Der Boden besteht aus tiefem verspurtem grobkörnigen Sand, in dessen Fahrspuren hartes Wellblech zum Vorschein kommt. Gleichzeitig haben wir starken böigen Seitenwind. Um einigermaßen rüttelfrei über das Wellblech und durch den weichen Sand zu kommen, müssen wir die KTMs auf über 80 km/h beschleunigen. Ab und zu bläst uns eine Böe aus der Spur und wir müssen mit dem tiefen Sand kämpfen oder ungewollt durch dorniges Gebüsch fetzen. So blöd sich das auch anhört, aber langsamer können wir nicht fahren. Sobald man unter 70-80 km/h kommt, kann man den Lenker kaum noch halten und die Maschine keilt nach allen Seiten aus. Gleichzeitig wird man dann durch das Wellblech ordentlich durchgerüttelt und man fürchtet, dass es einem die Maschine zerlegt. Mit schmerzenden Armen und Schultern kämpfen wir uns durch. Jürgen und Marcel stürzen, aber zum Glück passiert nichts. Nach schier endlosen Kilometern erreichen wir abgekämpft die Teerstraße kurz vor Tam. Wie durch ein Wunder kamen Brigitte und ich sturzfrei durch diese Miststrecke. Hoffentlich sind die Autos schon da, noch mal wollen wir diese Strecke nicht fahren. Gemütlich schweben wir über den glatten Asphalt auf die Stadt zu. Als wir durch das Stadttor fahren, ist die Freude groß. Wir haben das zweite geografische Ziel dieser Tour erreicht, Tamanrasset. Das erste Ziel war die Überquerung des Wendekreises des Krebses (23° 27' nördlicher Breite) mit der eigenen Maschine. Dies gelang uns völlig unbemerkt ;-) zwei Tage zuvor. In den letzten Jahren musste ich in Libyen und in der Westsahara immer wenige Kilometer zuvor umdrehen. Jetzt habe ich es endlich geschafft. Kurz vor den Campingplätzen entdecken wir dann auch die beiden Autos. Die vier Verlorenen sitzen in einem Café und freuen sich wie wir über das Wiedersehen. Irgendwie sind sie unsichtbar an uns vorbei gekommen, hatten auf uns gewartet, während wir weiter hinten auf sie gewartet haben und sind dann weiter, weil sie uns vor sich vermutet hatten. Nachdem wir uns an eiskalter Cola, heißem Café au Lait, frischem Brot und Käse gestärkt haben, suchen wir gemeinsam nach einem Campingplatz. Der Camping Desert Lodge ist mehr Baustelle und der "berühmte" Camping 4x4 hat nur noch ein schäbiges Fünfbettzimmer zu horrendem Preis. Da sind wir beim Camping Caravanserail sichtlich besser aufgehoben. Wir bekommen dort gemütliche Zweibettzimmer und blitzsaubere Sanitäranlagen zu akzeptablen Preisen. Vor dem Gebäude stehen schon Tankbauer Johann und Tochter Rafa, die wir in Tozeur schon als Nachbarn hatten. Natürlich ist die Wiedersehensfreude groß und sofort werden die neusten Erfahrungen ausgetauscht. Nach der mehr als notwendigen Dusche legen wir zusammen und Rafa fährt in die Stadt, das langersehnte kalte Bier besorgen. Da der Besitzer des Campings ein Mozabiter (strenggläubige islamische Sekte) ist, ziehen wir uns natürlich zum Anstoßen auf die bisher gelungene Tour zurück und verhalten uns entsprechend ruhig. Abends drängen wir uns alle in die beiden Autos und fahren in die Stadt. Johann und Rafa haben sich mit anderen Motorradfahrern zum Abendessen verabredet und uns dazu eingeladen. Gemeinsam belegen wir einen langen Tisch und es gibt viel untereinander auszutauschen. Es gibt natürlich die üblichen Poulet au Frites und Salat, auf Wunsch auch Hammelfleisch. Nach dem Essen spazieren wir durch die Stadt und treffen uns auf ein Bier in einem großen Touristenhotel. Kaum ist das Bier serviert, geht auch schon das Licht aus. Ein Zeichen, dass nun Feierabend ist und wir gehen sollten.

Heute legen wir wieder einen Pausentag ein. Ich war schon früh wach und noch vor sieben Uhr hatte ich schon meinen Luftfilter gereinigt und die Maschine durchgecheckt. Danach wasche ich meine Wäsche - irgendwie müssen die Finger ja wieder sauber werden ;-) Als die anderen endlich aufstehen, habe ich mein Tagwerk schon erledigt und kann mich mit voll aufs Faulenzen und Quatschen konzentrieren. Abends treffen wir uns wieder mit allen anderen zum gemeinsamen Abendessen. Man kann sich ja schon denken, was es zu essen gibt ;-) Danach informieren wir uns im Internetcafé, ob es etwas Neues über die Vermissten gibt und wie es derzeit mit der Sicherheit aussieht. Anscheinend spricht man nun offiziell von einer Entführung und im Sahara-Info-Forum wird geraten, nicht mehr nach Algerien zu reisen und das Land möglichst bald zu verlassen. Bad news und genügend Diskussionsstoff für die Nacht ...

Während wir noch am Packen sind, verabschieden sich Johann und Rafa von uns. Sie wollen über die Hoggar Südumfahrung nach Djanet weiter. Wir wollen noch zum Assekrem hochfahren, bevor es nach Hause geht. Der Assekrem ist ein Teil des Hoggargebirges und bekannt für seine bizzaren Landschaften. Seine kahlen Gipfel liegen in Höhen von über 2.500 Metern. Doch bevor es losgeht, müssen wir noch unsere Tanks füllen. An der ersten der beiden Tankstellen in Tam staut sich eine lange Schlange. Wir fahren zur zweiten rüber und werden sofort an der Super-Säule bedient, da alle anderen sich bei Diesel und Normal angestellt haben. Dann fahren wir zur ersten Tanke zurück. Jürgen und Tom haben eine günstige Reihe erwischt und werden auch schon befüllt. Dann fahren wir wieder in Richtung zweiter Tankstelle, da es dort auch zum Einstieg auf die Assekrem-Piste geht. Die Strecke ist ziemlich staubig, so dass wir weit auseinander gezogen dahin rollen. Zunächst stehen nur vereinzelt markante Felsen oder erloschene Vulkane an der Piste, doch je weiter wir fahren, desto interessanter wird die Landschaft. Die Bergwelt ist ein willkommener Kontrast zu den hinter uns liegenden weiten Ebenen der Wüstenplateaus. Luigi hat ein kleines Roadbook geschrieben, damit wir die Sehenswürdigkeiten in den Seitentälern nicht verpassen. Die erste Abfahrt zu einigen Gueltas haben wir leider schon verpasst, da ich voraus fuhr und nichts davon wusste. Von nun ab spreche ich mich mit Luigi ab und programmiere jeweils meinen Tripmaster auf die kommenden Abfahrten zu den landschaftlichen und geschichtlichen Höhepunkten. Wir finden einige Plätze mit Felsgravuren, imposante Basaltsäulen, Gueltas mit und ohne Wasser und riesige Bergformationen. Leider ist der Himmel etwas bedeckt und lässt die Farben etwas blass wirken. Dafür ist es nicht so heiß und angenehm zu fahren. Je näher wir dem Assekrem kommen, desto gewaltiger werden die Felsformationen. Man kommt sich vor wie zu Beginn der Erdgeschichte. Überall stehen die mehr oder weniger erodierten Kegel erloschener Vulkane, merkwürdig ineinander verschachtelte Steingebilde oder lange dünne Felsnadeln, die eigentlich längst umgefallen sein müssten. Am frühen Abend erreichen wir den Abzweig zur Eremitage. Nach sechs Kilometern über enge grobschottrige Kurven, erreichen wir eine kleine Ansammlung von Steinhütten. Wir mieten uns ein dunkles und nicht gerade sauberes Zimmerchen mit ca. zehn Matratzen auf dem Boden.

Nachdem wir unser Gepäck verstaut haben, sammeln wir uns im Haupthaus um einen Tee zu trinken und uns mit einem Omelette zu stärken. Mir geht es überhaupt nicht gut, irgendwie ist mir kotzübel. Trotzdem esse ich auch etwas, in der Hoffnung, dass es mir hilft. Inzwischen sind auch die Allrader angekommen. Gemeinsam überwinden wir auf kleinen angelegten Fußpfaden die letzten dreihundert Höhenmeter zur Eremitage des Pere Foucauld. Vor über hundert Jahren hatte der Mönch sich hier in die Einsamkeit zurückgezogen, um ein asketisches Leben im Dienste Gottes zu führen. Leider wurde der friedliche Mann von Aufständischen ermordet. In seiner Hütte auf dem Gipfel des Berges ist ein kleines Museum eingerichtet, das zeigt, wie er seinerzeit dort gelebt und gearbeitet hat. Ich wandere auf die andere Seite des Bergrückens, um den Beginn des Sonnenuntergangs zu beobachten. Lange kann ich nicht bleiben, denn mir wird es immer mehr übel. Ich laufe zurück zur Eremitage und setze mich hinter einen Stein, um zu entspannen und die Übelkeit zu bekämpfen. Schließlich halte ich es nicht mehr aus. Ich muss wieder hinabsteigen. Leider sind die anderen alle nun auf der anderen Seite und ich kann niemanden Bescheid geben. Egal, ich muss einfach runter, wohin sollte ich auch sonst sein. Endlich wieder in der Hütte, geht es mir zwar ein klein wenig besser, aber leider immer noch nicht gut. Irgendwann kommen die anderen und holen mich zum Essen ab. Die heiße Suppe tut mit gut, aber auf den Hauptgang verzichte ich lieber. Gabi gibt mir ein paar Tabletten gegen Übelkeit und ich halte mich den Abend über nur noch an Tee. Als wir uns zum Schlafen hinlegen ist mir total kalt. Zusätzlich zum Schlafsack wickeln mich Brigitte und Marcel in weitere drei Decken ein, so kann ich es gerade aushalten.

Assekrem

Nach dem Frühstück rollen wir zunächst die sechs Kilometer bis zur Abzweigung zurück. Durch die Übelkeit etwas geschwächt, fällt mir die Abfahrt mit den engen Kehren nicht gerade leicht. Hoffentlich wird das nicht schlimmer. An der Verzweigung biegen wir nach Norden ab. Die Nordabfahrt ist ziemlich zerfurcht und erfordert die volle Konzentration. Wir haben kaum Zeit, auf die tolle Landschaft zu achten, deshalb, auch wegen den Erholungsphasen, machen wir öfter Pause. Als wir gerade ein einfacheres Stück hinter uns haben, bleibt Brigitte hinter mir stehen. Sie gibt mir Zeichen, das Luigi und Marcel fehlen. Zunächst warten wir ein wenig, dann drehe ich um und fahre zurück. Nach einigen hundert Metern sehe ich die beiden am Pistenrand stehen. Das Vorderrad an der Suzuki ist platt und die beiden haben es bereits ausgebaut. Natürlich suchen wir auch den Grund für den Plattfuß. Der Reifen ist voller kleiner Dornen, die noch von den früheren Pistenfahrten stammen. Anscheinend drücken die Steine der Assekrem-Piste nun die Dornen immer weiter in den Reifen, bis sie innen herausstehen und den Schlauch beschädigen. Hoffentlich ist das nicht der Beginn einer Serie, die uns alle Reifen plättet. Wir entfernen so gut es geht die Dornen aus den Reifen, bevor wir den Ersatzschlauch einbauen. Als wir den Reifen gerade montiert haben, kommen die beiden Autos von hinten angefahren. Super, jetzt brauchen wir nicht per Hand zu pumpen, denn Jürgen hat ja einen Kompressor an Bord. Schnell ist das Rad aufgepumpt und wieder eingebaut. Während Luigi das Werkzeug aufräumt, meint Andrea plötzlich, "der Reifen sieht aber komisch aus". Tatsächlich, er ist schon wieder platt. Die Maschine also wieder auf ein paar Steine stellen und das Vorderrad wieder raus. Nachdem der Schlauch draußen ist, sehen wir auch die Ursache. Luigis "Dauerersatzschlauch" ist schon acht Jahre alt und hat an den Knickstellen poröse Stellen. Zum Glück ist der Ersatzschlauch von Brigitte in einem besseren Zustand. Während wir diesen einbauen, flickt Marcel die anderen beiden Schläuche. Wer weiß, ob wir sie nicht auch noch brauchen werden ...

Da wir viel schneller als die Autos vorwärts kommen und sich unser Weg in einigen Kilometern sowieso trennt, verabschieden wir uns von Andrea und Tom, Gabi und Jürgen. Sie fahren weiter nach Mertoutek, während wir nach Westen wollen. Nachdem wir noch eine lange steile und total zerfurchte Abfahrt bewältigt haben, wird die Strecke immer besser. Die Piste durch Hirhafok ist stellenweise sehr tiefsandig. In einer engen Kurve wäre ich beinahe gestürzt, da wir in der Ortschaft zu langsam für den tiefen Sand fahren. Ich konnte die Maschine gerade noch mit dem linken Bein abfangen, aber da das mein verletzter Fuß ist, habe ich nun höllische Schmerzen. Die Piste ist nun nicht mehr so steinig und zerfurcht, dafür weich und sehr staubig. Wenigstens kann man die Maschinen wieder laufen lassen. Ich stelle mich in die Rasten und gebe Gas. Die anderen folgen im großen Abstand, da der Staub ihnen sonst die Sicht nimmt. Am Abend erreichen wir die Teerstraße kurz vor In Amguel. Bis In Ecker werden wir es nicht mehr schaffen, bevor es dunkel wird, also müssen wir irgendwo einen Lagerplatz suchen. Wir passieren lange Zäune und riesige Haufen mit alten Fässern oder anderem Müll. In dieser Gegend haben die Franzosen früher ihre Atombomben getestet. Ausgerechnet hier müssen wir die Nacht verbringen. Irgendwann zieht sich linkerhand ein flaches Dünengebiet dahin. Wir biegen ab und fahren soweit hinein, bis unser Lagerplatz von der Straße aus nicht mehr zu sehen ist. Mittlerweile geht es mir wieder besser und ich freue mich schon auf das Abendessen. Dafür hat es Luigi jetzt voll erwischt. Ihm ist hundeelend und muss ständig hinter einigen Felsen verschwinden. Zwischendurch versuchen wir zu ergründen, warum seine Suzi nicht mehr richtig läuft, finden aber den Fehler nicht. Egal, Hauptsache die Maschine läuft einigermaßen und wir kommen weiter.

Luigi hat aus magentechnischen Gründen die halbe Nacht außerhalb des Zeltes verbracht. Dementsprechend fertig ist er jetzt. Wir frühstücken in Ruhe und brechen das Lager ab. Wieder auf der Teerstraße zurück lassen wir es ruhig angehen und gleiten locker dahin. Nach ca. zehn Kilometern erreichen wir In Ecker. Wahnsinn, sogar auf der 1:4 Mio. Landkarte ist der "Ort" drauf, aber außer einer Tankstelle und einigen Militärbaracken ist nichts zu sehen. Wir tanken voll, auch die beiden zehn Liter Kanister, die wir von Karin und Markus übernommen haben. Wasser müssen wir aus einem großen Fass abzapfen. Da wir nicht wissen wie sauber es ist, kommt gleich noch etwas Micropur mit rein. Danach müssen wir uns beim Kontrollposten ausweisen und ab geht die Post. Kurz hinter In Ecker zweigt die Piste nach Amguid ab. Wir stoppen kurz und kontrollieren noch einmal das Gepäck, bevor wir auf den holprigen Weg abbiegen. Nach kurzer Zeit haben wir eine Sandpiste vor uns, die sich prima fahren lässt. Zumindest von dem, der vorausfährt, die hinteren müssen Staub schlucken. Wir verabreden einige GPS-Punkte, an denen wir aufeinander warten wollen, damit wir wegen des Staubes weiter auseinander gezogen fahren können. Am ersten Treffpunkt warte ich auf die anderen. Dabei stelle ich fest, dass der Benzinkanister verrutscht ist und auf dem Auspuff aufliegt. Der Heiße Auspuff hat ein kleines Loch hinein geschmolzen, aus dem langsam der Sprit sickert. Zum Glück hat sich das Zeug nicht entzündet, ein abgebranntes Motorrad können wir jetzt gar nicht brauchen. Wir verteilen den Sprit in die mittlerweile wieder etwas Luft habenden Tanks der Maschinen. Leer hält der Kanister hinten drauf eh besser als voll.

Am Mittag haben wir schon hundertfünfzig Kilometer geschafft. Zur Stärkung aller, besonders für Luigi, kocht Brigitte ein Süppchen. Nach dem Essen dösen wir im Schatten eines Busches. Wegen der zahlreichen Fliegen binden wir unsere Halstücher vor das Gesicht, so dass wir ein wenig Ruhe vor den Plagegeistern haben. Gegen Abend erreichen wir Amguid, ein kleines Kaff mitten im Nichts. Wir tuckern langsam hindurch. Von allen Seiten rennen schreiende Kinder auf uns zu. Als einige anfangen mit Stöcken und allem Möglichen, das auf dem Boden herumliegt, nach uns zu werfen, geben wir lieber Gas. Hinter Amguid fahren wir wieder auf einer freien Ebene, die rechts vom Tassili N'Ajjer und links von einem kleinen Dünengebiet begrenzt wird. Nach einigen Kilometern enden die Dünen. Obwohl es eigentlich noch Zeit hat, überlegen wir ob wir nicht lieber hier in den Dünen übernachten sollen. Da sind wir sichtgeschützt und auf dem weichen Sand lässt es sich angenehmer zelten. Luigi bläst noch mal seinen Vergaser frei, damit er nicht in den Dünen stecken bleibt und ab geht's in den Sand. Wir finden einen schönen Platz am Fuß einer Düne und legen uns erst einmal zum Relaxen in den Sand, bevor wir mit der "Arbeit" beginnen. Schließlich haben wir heute dreihundertfünfzig Kilometer Piste geschafft und das spürt man in jedem Knochen. Wegen der Hitze liegen wir diesen Abend noch lange draußen und gehen erst in die "Falle", als es kühler geworden ist.

Luigis Suzuki hat immer noch Vergaserprobleme. Unter Last bekommt der Motor anscheinend nicht genug Sprit. Aber auch gestern Abend haben wir nichts gefunden, was das Problem gelöst hätte. So zuckeln wir mit 70 bis 80 km/h über die weiten Ebenen, die nördlich von Amguid vorherrschen. Hin und wieder können wir wieder zu viert parallel fahren, was uns viel Spaß macht. Der Spaß wird aber ab und zu von hinterhältigen Minidünen unterbrochen. Aus unserer Richtung sieht der Boden glatt aus. Tatsächlich aber haben sich 20 bis 40 cm hohe harte Sandhaufen gebildet, die uns wie Rodeoreiter durchschütteln. Nur von der anderen Seite sieht man die scharfe Kante und das dort Wellen sind. Ungefähr auf der Höhe von Bordj Omar Driss, das wir jedoch weiträumig umfahren, müssen wir ein steiniges Plateau überwinden. Der Boden ist teilweise blendend weiß und ab und zu geht er in ein schwaches rosarot über. Der Staub beißt ziemlich in den Augen und wir halten wieder größeren Abstand. Bald darauf erreichen wir den Kontrollposten an der Kreuzung Les 4 Chemins. Nach der Abfertigung genießen wir die weiche Fahrt auf dem glatten Asphalt. Von hier aus sind es noch ca. siebzig Kilometer bis Hassi Bel Gouebbour. Der Genuss hält jedoch nicht lange an, da sich nach wenigen Kilometern Schlagloch an Schlagloch reiht, da wäre uns eine anständige Piste aber zehnmal lieber. Kurz vor Hassi Bel Guebbour fahren wir wieder zur heißen Quelle. Hier baden wir ausgiebig und genüsslich. Nach einigen Tagen ohne sich zu waschen, tut das mehr als gut.

In Hassi Bel Guebbour tanken wir nur die Fronttanks voll. Zum einen gibt es hier nur Normalbenzin und zum anderen reicht das locker bis ins ca. 360 km entfernte Hassi Messaoud, wo es wieder Super für die KTMs gibt. Luigi schlägt vor, im Restaurant das Abendessen einzunehmen. Diesmal aber in dem anderen der beiden vorhandenen Lokale. Als unsere Omelettes serviert werden, müssen wir doch etwas würgen. Die Teller und das Besteck sind sicher noch nie gespült worden. Überall kleben verkrustete Essensreste. Aber was soll's, wir haben Hunger und schauen einfach nicht hin. Nach dem Essen fällt uns der Dreck um uns herum erst richtig auf. Nachdem uns auch noch tausende Fliegen ärgern, wollen wir hier nicht länger verweilen, als unbedingt nötig. Ein Stück weit hinter der Ortschaft fahren wir links hinter einen Dünenzug. Hier sind wir aber noch von der Straße aus zu sehen, wir müssen zumindest hinter den nächsten Sandhügel kommen. Die Dünen sind hier jedoch ziemlich steil und hoch. Egal, ich versuche es einfach. Zuerst nehme ich nur einen Probeanlauf, um ein Gefühl zu bekommen. Irgendwie ist mir schon mulmig, aber Brigittes Nicken bestärkt mich in meinem Vorhaben. Also noch mal neuen Anlauf nehmen und Gaaas. Immer weiter fahre ich hinauf, bis ich das Gefühl habe, die Wand ist senkrecht, obwohl sie ganz sicher nicht senkrecht ist. Dennoch verlässt mich der Mut und ich lasse das Gas los. Die Maschine stoppt sofort und ich falle um. Eine Motorradlänge fehlt noch, dann hätte ich es geschafft. Ich ziehe die Maschine am Vorderrad in Richtung Tal, hebe sie keuchend auf und setze mich drauf. "Igitt, geht das steil runter", denke ich. Motor an, Gewicht nach hinten und Gas geben. Huuuiiiii, geht das ab. Mit klopfenden Herzen stehe ich bei den anderen. Brigitte findet es toll, dass ich es versucht habe. Marcel und Luigi meinen, dass ich sowieso wieder herunter gemusst hätte, auch wenn ich es geschafft hätte. Sie wären da nicht hochgefahren ...

Wir fahren ein Stückchen weiter den Dünenzug entlang. Irgendwann finden wir eine ziemlich niedrige Düne, die eigentlich kein Hindernis für uns darstellt. Brigitte fährt als erste und verschwindet etwas plötzlich hinter dem Hügel. Gleich darauf streckt sie ihre Hand nach oben. Alles klar heißt das, zwar gestürzt, aber nichts passiert. Marcel fährt etwas versetzt hinterher und ... legt sich auch ab. Ich versuche weiter hinten über den Sandhügel zu fahren. Kaum stehe ich oben auf dem Grat, schon falle ich um. Nur Luigi kommt standesgemäß auf die andere Seite. Wir müssen alle über unsere Missgeschicke lachen, dass wir gleich zu dritt an solch einer leichten Stelle versagen. Luigi scheint es auch wieder besser zu gehen, denn er fängt gleich an zu kochen und gönnt sich gleich eine doppelte Portion des "leckeren" Fertigfutters.

Um unseren Lagerplatz zu verlassen, finden wir einen Weg ohne "störende Erhebung", so dass ein Missgeschick fast ausgeschlossen werden kann. Wir rollen auf der Teerstraße dahin, die sich trotz der schönen Ausblicke auf die Dünen, ätzend lang dahin zieht. Da die Suzuki immer noch etwas spinnt, sind wir nie schneller als 80 km/h. Am frühen Mittag machen wir eine Pause und legen uns direkt am Straßenrand in den Schatten unserer Maschinen. Doch an Ruhe ist nicht zu denken. Jedes Auto das vorbei fährt, hupt uns zum Gruße an und der Luftzug der vorbeibrausenden LKW deckt uns mit feinem Sand ein. Den anderen macht es anscheinend nichts aus. Ruhig und gleichmäßig "schnarchen" sie vor sich hin. Mich jedoch nervt die Huperei und der Sand und ich bin froh, als es endlich weiter geht. Nach langer Gurkerei erreichen wir endlich Hassi Messaoud. Am obligatorischen Kontrollposten empfängt und ein kahlköpfiger lustiger Polizist. Als ich den Helm absetze, sagt er sofort: "Vous êtes un Italiano!" Ich habe zwar eine italienische Mutter, aber ich denke, dass sieht man mir nicht an. Woher hat er das gewusst? Nachdem Brigitte auf einige seiner Sprüche etwas flapsig antwortet, zieht er ihren Pass ein und meint, wir könnten weiterfahren, aber das Mädel bleibt bei ihm. Wir kontern, dass es in Algerien nicht so viele Kamele gäbe, um das Tauschgeschäft abzuschließen. Nach einigem Gelächter wird Brigitte "entlassen" und darf dann mit uns fahren. Bevor wir tanken, fahren wir zur Pizzeria, die sich schon auf der Hinfahrt bewährt hatte. Die zwei Jungs erkennen uns wieder und stellen gleich einen Tisch nach draußen, damit wir die Motorräder im Blick haben. Schmeckt das lecker, nach dem ganzen Fertigfutter. Frisch gestärkt und die Spritvorräte aufgefüllt verlassen wir den dichten Verkehr von Hassi Messaoud. Eigentlich wollten wir ja noch die Tuan-Passage fahren, aber wegen der Lage in Algerien und weil die Suzuki etwas Probleme macht, wollen wir doch möglichst schnell aus dem Land. Also bleiben wir auf dem Asphalt und kommen noch bis auf ca. 60 km an Touggourt heran. In den nun spärlicher werdenden Dünen suchen wir uns ein nettes Plätzchen für die Nacht.

Es ist heiß und diesig und die Strecke zur Grenze zieht sich wieder wie Gummi. Wir kommen scheinbar nur im Schneckentempo weiter, vielleicht auch, weil wir jeden einzelnen Kilometer zählen. In den Ortschaften zwischen El Oued und der Grenze müssen wir wieder auf Kinder aufpassen, die mit Steinen werfen oder unvermittelt auf die Straße springen. Deshalb fahren wir sehr langsam durch und achten auf jeden, der sich nach etwas bückt. Direkt vor der Grenze tanken wir noch mal alles voll. Dann geht es an das Ausfüllen der Ausreise-Fiches. Die Grenzer sind freundlich und nach nur vierzig Minuten sind wir ausgereist und haben das übrige algerische Geld zurückgewechselt. Die Einreise nach Tunesien nimmt zwanzig Minuten in Anspruch, geht also auch recht flott. Irgendwie befreit rollen wir am Rande des Chott el Djerid nach Tozeur. Der Campingplatz ist vollständig mit riesigen Wohnmobilen belegt. Die Stellen wo kein Wohnmobil hinpasst, haben die Touristen mit Tischen und Stühlen belegt. Wir drängen uns unter eine Laube und bauen die Zelte auf. So nach und nach wandern die Leute mit ihren Urlaubs-Möbeln zu ihren Mobilhomes. Siehe da, man kann sie auch vor das Wohnmobil stellen und muss nicht auch noch die letzten freien Plätze damit belegen. Da wir hier wieder Handy-Empfang haben, melden wir uns natürlich gleich zuhause. Dabei versuchen wir auch zu erfahren, ob es aktuelle Informationen über die Entführten gibt. Hier erfahren wir dann von weiteren Entführungen und realisieren erst mal die Dimension der Sache. Wir sitzen vor den Zelten, froh das wir es bis hierher geschafft haben, ohne ernsthafte Panne oder Unfall, oder gar entführt zu werden. In Anbetracht der Lage ist die Stimmung bedrückt, das Lachen verstummt.

Heute legen wir wieder einen faulen Tag ein. Marcel geht Kaffee, Käse, frisches Brot und Saïd (eine Art Nutella) besorgen und ich koche schon mal Wasser für den Kaffe bzw. Tee. Bis Brigitte und Luigi aus dem Zelt kommen, ist der Frühstückstisch fertig gedeckt und wir können schlemmen. Gegen Mittag will Luigi dann doch noch mal seine Suzi zerlegen. Zusammen mit Marcel baut er den Vergaser aus und zerlegt ihn. Aber wir finden keinen Schmutz oder sonstige Unregelmäßigkeiten darin. Zuletzt wollen wir dann doch noch das Schwimmernadelventil ausbauen. Es ist mit einem Schräubchen gesichert, dessen Kopf irgendwie schief aussieht. Hoffentlich reißt die Schraube nicht ab. Dann macht es knack, aber die Schraube ist zum Glück noch heil, sie war nur bis zum Anschlag angeknallt. Als wir das Ventil herausnehmen, finden wir dahinter ein kleines Siebchen, das voller ganz feiner Partikel ist. Aha, das ist also die Ursache des Übels. Das Siebchen war verstopft und hatte immer zu wenig Sprit durchgelassen, deshalb ist der Motor auch bei höherer Last immer ausgegangen. Durch das Reinblasen in die Entlüftung sind die Partikel anscheinend immer aufgewirbelt worden und für eine Zeit lang konnte der Sprit einigermaßen nachfließen. Sobald das Sieb sich mit der Zeit wieder zusetzte, kamen auch wieder die Schwierigkeiten. Luigi reinigt das Sieb und baut einen Benzinfilter, den Marcel als Ersatz dabei hatte, zwischen Tank und Vergaser - auf die Idee hätte er auch schon zuhause kommen können. Dann kommt die Probefahrt. Nach einer halben Stunde kommt Luigi mit glänzenden Augen wieder, der Fehler ist weg, die Maschine läuft wieder einwandfrei!

Da wir noch genügend Zeit haben, bleiben wir einen weiteren Tag in Tozeur. Nach dem obligatorischen und relativ reichhaltigen Frühstück, wollen wir den Tag aber nicht so verplempern wie den gestrigen. Wir wollen zu den Star Wars Kulissen rausfahren. Marcel und ich waren schon letztes Jahr dort, aber Brigitte und Luigi möchten sie sich auch mal anschauen. Außerdem wollen wir auch noch ein wenig Dünen fahren, wenn wir schon auf die Tuan-Passage verzichtet haben. Hinter Tozeur biegen wir nach Norden ab und kurven auf sandigen Pisten durch einige Oasen des Chotts. Danach geht es auf festgefahrenem Boden weiter, der aber fast schon ein wenig rutschig ist. Nach ca. einer dreiviertel Stunde Kurverei, zeigt das GPS nach links in die Dünen. Der Sand ist sehr fein und weich und schon nach zwanzig Metern stecken wir alle fest. Zuerst befreien wir Brigitte und während wir an unseren Maschinen graben, gräbt sie sich auf dem nächsten Dünenzug wieder ein. Bis wir unsere Maschinen wieder am rollen haben, hat sie sich aber schon wieder alleine ausgegraben und düst weiter. Zum Glück ist der Sand dann wieder etwas fester und wir können etwas entspannter zu den Kulissen fahren. Nach der Besichtigung von Mos Eisley, geht es endlich wieder in die Dünen. Zunächst versuchen wir uns an den kleineren, um uns an den hiesigen Sand zu gewöhnen. Später meistern wir auch die größeren Sandberge, die von zahllosen Autospuren zerwühlt und entsprechend zu fahren sind. Im Tal vor den Kulissen haben einige Souvenirverkäufer einen Stand aufgebaut und verkaufen Sandrosen, Vasen und ähnliches. Sie haben aber auch kühles Cola, dass bei der Anstrengung viel besser schmeckt, als unser Wasser mit Umgebungstemperatur. Dann heißt es Abschied nehmen von der Wüste. Eine letzte Fahrt auf der Piste nach Nefta, dann geht es für diesen Urlaub nur noch auf Asphalt weiter.

Carlo in seinem Element

Voll aufgerödelt stehen unsere Maschinen auf dem Campingplatz. Wir wollen Richtung Tunis, aber einen kleinen Abstecher in die Berge gönnen wir uns noch. Marcel und ich wollen den beiden Franken noch die Rommel-Piste und die Höhle des "Englischen Patienten" zeigen. Da wir den Weg nur von Norden her kennen, müssen wir versuchen uns möglichst gut an den Weg vom letzten Jahr zu erinnern. Vor Metlaoui biegen wir nach Westen ab und sind schon mal auf dem rechten Weg. Doch wo ist der Einstieg in die Piste? An einige Merkmale können wir uns noch erinnern und fahren weiter nach Westen. Plötzlich können wir oben auf dem Bergzug die Höhle entdecken. Wir erkennen sie aber auch nur, weil wir schon mal da waren. Jetzt müssen wir noch über einen Feldweg zum Fuß des Bergrückens kommen, dann finden wir sicher auch die Piste. Eher zufällig haben wir genau den richtigen Feldweg genommen, denn er geht gleich in die Rommel-Piste über, die uns über einige Kehren den Hang hinauf führt. Von hier aus hat man eine schöne Aussicht über das hinter uns liegende Tal und in einige kleine Schluchten. Fast auf der Höhe des Grates ist dann auch die Höhle, in der ein Teil des Filmes "Der englische Patient" spielt. Wir steigen grob gehauene Stufen hinab und besichtigen, soweit es im Dunkeln geht, den Ort der Filmhandlungen. Momentan wird der "Raum" als Kühlhaus für Getränke genutzt, die von einigen Jungs neben allerlei Fossilien zum Kauf angeboten werden. Wir fahren weiter über den Grat und erreichen nach einigen hundert Metern Redeyef. Von hier aus kurven wir auf kleinen Landstraßen nach Kasserine, wo wir die Nacht verbringen wollen. Leider ist das von und bevorzugte Hotel ausgebucht und in der Nähe gibt es keines, das uns zusagt. So brettern wir nach Kairouan durch, um uns dort eine Unterkunft zu suchen. Unterwegs werden wir zweimal von der Polizei angehalten. Die wichtigste Frage ist, welche Nationalität wir haben. Deutsch ist anscheinend immer gut, denn darüber freuen sie sich. Dann wird nach unserer Route gefragt und wild in der Gegend herumtelefoniert. Nach einigen langen Minuten dürfen wir wieder weiterfahren. Es gäbe keine Probleme, sagen sie immer wieder. Aber warum und mit wem sie telefonieren, teilen sie uns nicht mit. In Kairouan steigen wir in einem guten Hotel ab, die Maschinen dürfen wir im Innenhof beim Pool abstellen. Nach dem opulenten Abendmahl fängt es tierisch an zu regnen und wir sorgen uns um die morgige Weiterfahrt.

Als wir aufwachen plätschert es draußen immer noch. Beim Frühstück diskutieren wir, was wir nun tun sollen. Keiner hat Lust im Regen herumzufahren. Da die Fähre erst morgen ablegt, haben wir noch genügend Zeit, also bleiben wir noch eine weitere Nacht hier. Nach dem Frühstück legen wir uns gleich wieder ins Bett und schlafen noch eine Runde. Das Beste was wir bei so einem Wetter machen können. Mittags, es schüttet noch immer, fahren wir mit dem Taxi in die Stadt. Zuerst informieren wir uns im Internet-Café über die Lage in Algerien, die aber noch immer sehr bescheiden aussieht. Dann finden wir ein nettes kleines Lokal, in dem wir leckeres Essen bekommen. Die Rückfahrt mit dem Taxi ist auch spannend. Der Fahrer heizt wie ein Henker durch die Straße. Als ich ihn frage, ob er Michael Schumacher wäre, lacht er und tritt noch mehr aufs Gas. So langsam wird es gefährlich im Auto, der Fahrer drängelt überall, überholt bei Gegenverkehr und beim Bremsen hören wir, wie Stahl auf Stahl schabt, weil die Bremsbeläge verschlissen sind. Endlich kommen wir heil am Hotel an. Nie wieder werde ich den Namen Schumacher in einem Taxi erwähnen!

Wir trauen uns kaum die Augen zu öffnen. Was die Ohren mitbekommen, ist schon traurig genug. Es regnet immer noch. Betrübt gehen wir zum Frühstück. Wir müssen heute Nachmittag im Hafen sein und haben keine Lust nass zu werden. Nach dem Frühstück lässt der Regen aber nach und als wir die Maschinen beladen, hat es sogar aufgehört. Wir ziehen uns warm an, denn die Temperatur ist auch im Keller, aber wenigstens ist es nicht nass. Die Fahrt auf den relativ breiten und verkehrsreichen Landstraßen ist ätzend, deshalb biegen wir bei Enfida in die Berge ab. Die Straße ist nun kurvenreich und eng, aber wegen des geringen Verkehrs kommen wir trotzdem gut voran. Wir wollen die kleine Fähre von Rades aus über das Hafenbecken nehmen, um nicht durch Tunis fahren zu müssen. In Rades herrscht ein totales Verkehrschaos. Nur mit Mühe können wir uns zwischen drängelnden Autos und 30 cm tiefen wassergefüllten Schlaglöchern durchschlängeln. Dann haben wir es endlich geschafft und sind auf der Bac. Im Hafen gibt es ein großes Hallo. Wir treffen viele Leute, die bei der Hinfahrt mit uns auf der Fähre waren oder die wir unterwegs getroffen haben. Natürlich gibt es nur ein Thema, die entführten Touristen. Wie seinerzeit in Illizi besprochen, treffen wir uns mit Hans-Peter, melden uns zurück und tauschen Neuigkeiten aus. Er hat auch telefonisch eine Liste mit Kennzeichen und Fahrzeugbeschreibungen bekommen, die wir gemeinsam durchgehen. Die Angehörigen sorgen sich über den Verbleib der Leute und haben gebeten im Hafen nachzuschauen, ob die Fahrzeuge samt Insassen dort sind. Wir suchen in der Schlange nach den Leuten und finden, bis auf drei österreichische Fahrzeuge, alle Gesuchten. Wie sich später herausstellt, sind die Österreicher auch unter den Entführten Personen. Ein scheiß Gefühl so machtlos im Hafen zu stehen. Man hat das Gefühl die anderen im Stich gelassen zu haben ...

Angesichts der Entführungen und der bis heute unklaren Schicksale kann man sich über die Tour natürlich nicht wirklich freuen. Wir sind mehr als froh, dass wir soviel Glück hatten und heil nach Hause gekommen sind. All unsere Gedanken und Hoffnungen sind bei den Entführten und deren Angehörigen ...