Marokko 1998/1 - Badener und Franken unterwegs in Marokko


Kurz vor Mitternacht klingelt es. Es sind Matthias und Jürgen. Mit den beiden und mit Veronika, die schon früher bei mir eintraf, will ich nach Marokko fahren. Nach einem Kaffee und zwei Stück Kuchen geht es los. Die Maschinen, drei Transalps und Matthias' XT 600, sind schon auf den Anhängern verzurrt, das Gepäck schon lange in den Wagen verstaut. Um unterwegs nicht den Kontakt untereinander zu verlieren, haben wir zwei Funkgeräte dabei. Die ca. 30-stündige Fahrt verläuft ohne Probleme bis zum etwa 2150 km entfernten Almeria/Spanien. Dort besorgen wir uns die Tickets für die Überfahrt nach Marokko und stellen unsere Autos und Anhänger für die Dauer der Tour auf dem Campingplatz La Garrofa ab, ein paar Kilometer südlich von Almeria.

Am nächsten Morgen sind wir schon früh im Hafen von Nador. Innerhalb einer Stunde haben wir die Einreiseformalitäten erledigt und Geld gewechselt. Dann geht's endlich los. Eingekeilt zwischen stinkenden LKWs und hupenden PKWs suchen wir uns einen Weg aus dem dichten Verkehr der Stadt. Kein schöner erster Eindruck für die beiden Afrikaneulinge Vroni und Jürgen, aber da müssen wir halt durch. Die erste Etappe zieht sich über ca. 520 km und führt uns bis nach Er Rachidia. In Guercif machen wir eine kleine Pause und trinken Tee. Die Straße ist durch einen bepflanzten Mittelstreifen getrennt. Als wir weiterfahren, fährt Matthias, im Gegensatz zu uns anderen, über diesen Streifen auf die andere Straßenseite. Der Polizist an der Kreuzung pfeift ihn gleich zu sich, kontrolliert seinen Pass und lässt ihn schließlich ohne weiteren Kommentar weiterfahren, Glück gehabt. Die weitere Strecke bis zum 1900 m hohen Col de Tagelamt ist nicht besonders abwechslungsreich. Erst an der Zufahrt zum Pass wird die Landschaft reizvoller und die Straße kurviger. Als wir auf der anderen Seite hinunter fahren, dämmert es schon, so dass wir erst tief in der Dunkelheit unser Hotel in Er Rachidia erreichen. Da es etwas kühl ist, dreht Vroni im Zimmer die Heizung auf. Sie wird zwar nicht warm, dafür fängt sie an zu tropfen, was sich durch nichts wieder abstellen lässt. Um eine Überschwemmung zu vermeiden, bindet Matthias seinen Ortlieb-Sack um die tropfende Stelle. Bis zum nächsten Morgen ist er halb vollgelaufen.

Der erste Teil der Tour ist im Prinzip eine Wiederholung meiner letztjährigen Reise. Deshalb geht es heute wie damals weiter zum Erg Chebbi. Ab Er Rachidia fahren wir parallel zum Georges du Ziz, einem wasserreichen Tal mit Millionen von Dattelpalmen und anderen Nutzgewächsen. Die Straße schlängelt sich am Rande der canyonartigen Vertiefung entlang und lässt uns an einigen Stellen tief ins Tal blicken. Kurz vor Erfoud kommen wir in eine weite Ebene, in der das Grün immer mehr im Sand verschwindet. Matthias kann es nicht mehr abwarten und tobt sich auf der Piste aus, die parallel zur Straße verläuft. In Erfoud machen wir eine Tank- und Kaffeepause. Gegenüber steht ein Beispiel, wie andere durch Marokko reisen. Ein zum Wohnmobil umgebauter Reisebus, auf dessen Anhänger ein VW-Bus für 'kleinere Touren' steht. Wir schauen auf unsere vor dem Cafe geparkten Maschinen und sind uns einig - nie würden wir mit den anderen tauschen wollen. Dann sehen wir ein letztes Mal für die nächsten paar Tage Asphalt. Ein paar Kilometer hinter der Stadt beginnt zunächst eine markierte Schotterpiste, die immer breiter wird und schließlich fast von Horizont zu Horizont reicht. Je näher wir den Dünen kommen, desto öfter müssen wir Sandfelder durchqueren. Wir Männer fahren im Stehen und versuchen hier und da die größeren Bodenwellen zu nutzen, um das Vorder- oder Hinterrad mal etwas zu lüpfen. Vroni, die alles im Sitzen fährt, ist dabei kaum langsamer als wir. Sie hat erst seit einem dreiviertel Jahr den Führerschein, deshalb sind wir überrascht, dass sie so problemlos vorwärts kommt. Aber auch in der scheinbar leeren Wüstenlandschaft muss man aufpassen. Hinter einer Kuppe kommt ein Kleinlaster von rechts angedüst und kreuzt unsere Spur. Ich komme noch vor dem Laster durch, und Matthias warnt die anderen beiden mit der Hupe, sodass sie noch rechtzeitig zum Stehen kommen. Das hätte leicht ins Auge gehen können. Nachdem wir in Merzouga die lästigen Kinder abgeschüttelt haben, sind wir auch gleich auf dem Campingplatz Ksar Sania, der von einem französischen Pärchen geführt wird, und wo wir Weihnachten verbringen wollen.

Zuerst bauen wir unsere Zelte auf, und dann waschen wir schon unsere ersten Klamotten, da sie hier in der Sonne und im warmen Wind schnell trocknen. Am Nachmittag packen wir eine Flasche Jacky und zwei Flaschen Cola ein und machen uns auf den Weg, um traditionell die höchste Düne zu besteigen und beim Sonnenuntergang gemeinsam einen Drink zu schlürfen. Wir können Vroni nicht ausreden in ihrer vollen Motorradkluft (außer Helm und Handschuhen) mitgehen zu wollen. Fassungslos schütteln wir die Köpfe. Da die Sonne schon ziemlich tief steht, entscheiden wir uns für eine Abkürzung. Leider entpuppt die sich als steil und schwierig und mit raushängenden Zungen keuchen wir langsam bergauf. Auf einem hochgelegenen Sattelpunkt der Düne haben wir genug. Matthias noch nicht ganz, er stapft weiter zum Gipfel. Vroni ist noch weiter unten und quält sich mit hochrotem Kopf das letzte Stück zu uns hoch. Kaum ist sie da, berührt die Sonne auch schon den Horizont, und wir stoßen auf ein Gelingen des Urlaubs an. Der Sonnenuntergang ist wahrhaft himmlisch, wir können uns kaum am Farbenspiel satt sehen. Als die rote Scheibe hinter dem Horizont verschwindet, bleibt noch ein purpurner Streifen über den Bergen stehen, die Landschaft um uns herum versinkt in einem blassen Grau. Es wird merklich kühler und wir machen uns auf den Rückweg. Später, auf dem Campingplatz, lassen wir uns mit einem orientalischen Gulasch und Reis verwöhnen. Dazu trinken wir ein oder zwei Flaschen marokkanischen Wein.

Der nächste Morgen weckt uns mit wolkenlosem Himmel. Wir frühstücken draußen in der Sonne und planen einen Ausflug in die Dünen, diesmal mit den Motorrädern. Zunächst fahren wir auf Schotter in südlicher Richtung. An einer Stelle mit nicht zu hohen Dünen halten wir an und untersuchen das Gelände erst einmal zu Fuß. Von vorne sehen alle Dünen gleich aus, aber die Hinterseite fällt einmal steil ab, ein anderes Mal ist sie flach. Wir bauen uns einen virtuellen Parcours, auf dem wir ohne unangenehme Überraschungen unsere Fahrkünste im Sand testen und verbessern wollen. Anfangs fahren wir alle etwas zu zaghaft. Im Kopf wissen wir schon wie es geht, aber die Gashand traut sich noch nicht so recht. Nachdem wir uns einige Male gegenseitig ausgegraben haben, läuft es schon besser. Matthias kommt trotz seiner abgefahrenen Bridgestones ganz gut zurecht, er fasst sich als erster ein Herz und lässt die Drehzahl nach oben schnellen. Aber auch Jürgen und ich haben es jetzt (wieder) drauf. Eine Düne nach der anderen wird von uns durchpflügt, nur allzu bald schmerzen die Arme vom harten Zugreifen. Es ist schon eine Erleichterung, wenn man mal absteigen kann, um ein paar Fotos zu schießen. Als wir kaum noch Kraft haben, beschließen wir weiter zu fahren.

Die Schotterstrecke endet in einem trockenen Zeitsee. Mit über hundert Sachen fliegen wir über den harten rissigen Boden ans andere Ufer. Ich habe im letzten Jahr die GPS-Koordinaten der Stelle gespeichert, wo die etwas versteckt zwischen flachen Dünen liegende Piste nach Taouz beginnt. Der Pfeil im Display führt uns sicher zu dem sandigen Weg. Nach einer Weile teilt sich die Piste, beide Strecken führen jedoch in einigem Abstand voneinander zum gleichen Ziel. Matthias hält sich links, um unserer Staubwolke zu entkommen, wir anderen fahren rechts, über einen stark zerfurchten ausgetrockneten Seeboden. Ca. 200 m von uns entfernt steht Matthias in den Rasten seiner XT und zieht eine große Staubfahne hinter sich her. Es sieht richtig rallyemäßig aus. Dann verschwindet er hinter einem Berg. Kurz vor Taouz finden beide Pisten und somit wir vier wieder zusammen. Hinter Taouz beginnt algerisches Gebiet, ein Militärposten und eine einsame, mehr symbolische Schranke, weisen darauf hin. Im Schatten eines Hauses stehen zwei Tischchen und einige Stühle, darüber an der Wand hängt ein Schild mit einer Fanta-Werbung. Für uns bedeutet das einen heißen The al Menthe und eine lauwarme Cola. Kaum haben wir es uns gemütlich gemacht, mittlerweile hat sich das halbe Dorf um uns versammelt, kommt der Wirt mit einem Tablett voller Fossilien und geschliffener Steine, die er uns zum Kauf anbietet. Jürgen nimmt das Tablett, geht herum und bietet es den Einheimischen an. Alle sind verblüfft, das haben sie noch nicht erlebt. Die Leute lachen und der Wirt sieht ein, dass er uns nicht weiter zu bedrängen braucht.

Während der Rückfahrt versucht Vroni einem Sandfeld auszuweichen, kommt aber in ein weiteres tiefes Sandloch, streift einen Busch, wackelt gefährlich und kommt glücklich wieder auf festerem Boden an. Die weitere Rückfahrt verläuft problemlos. Zurück am Campingplatz, sputen wir uns mit dem Duschen. Heute ist Heiliger Abend und es gibt ein mehrgängiges Essen, auf das wir uns schon den ganzen Tag freuen. Es fängt an mit Canapes, das ist ein Vorspeisenbuffet aus Oliven, verschiedenen Nüssen, pikanten Keksen, Gemüsestückchen uvm. Dazu wird Sangria gereicht. Danach gibt es gewürzten Reis in Grapefruitschale, Auberginencreme und Poulet avec Reis. Danach Äpfel, Mandarinen und Orangen und zum Abschluss ein Stück Apfelkuchen. Natürlich durfte auch der obligatorische marokkanische Wein nicht fehlen, sowie ein paar kleine Jackys als Betthupferl.

Am nächsten Tag kommen wir nur schwer aus den Federn, woran das nur liegen mag? Nach einem ausgiebigen Frühstück fahren wir auf einer im Därr als nicht leicht beschriebenen Piste nach Rissani. Dort gibt es einen Rundweg durch Palmenhaine, den wir uns gerne anschauen würden. Zum Glück ist die Piste nicht ganz so versandet wie beschrieben, trotzdem kommt Vroni nicht ohne Sturz durch. Zum Glück nur ein Umfaller im tiefen weichen Sand. An einem besonders tiefen Sandloch, warten ein Dutzend Kinder und drei Hunde auf uns. Sie wissen genau, dass man hier langsam durch muss, und schon stürzen sie sich auf uns. Die Kinder schreien und betteln, halten sich an den Gepäckträgern fest und greifen nach unseren Klamotten. Allerdings haben sie nichts wirklich Böses im Sinn. Die Hunde machen uns schon mehr Angst. Wir müssen fußeln und unsere Beine im Sand attackieren sie mit gefletschten Zähnen. Matthias holt aus und schon befördert sein Tritt einen der Köter hoch durch die Luft. Der schüttelt sich und hält jetzt Abstand. Die anderen beiden können wir mit Hupen und Schreien auf Distanz halten. Dann sind wir durch und lassen uns von unseren Bikes schnell davontragen. In Rissani ist viel Verkehr, durch den wir uns durchwurschteln und auch bald den richtigen Weg finden. Der Rundweg ist sehr staubig und eng gewunden. An den kleinen Überführungen über die Bewässerungsgräben können wir die Maschinen sogar springen lassen, nicht weit, nicht hoch, aber doch so, dass es tierischen Spaß macht. Die Landschaft um uns herum ist früher einmal von reißenden Flüssen tief zerfurcht worden, heute sind nur noch ihre ausgetrockneten Betten zu sehen, dazwischen Unmengen an Palmen. Die Wege sind sehr staubig und wir müssen einen großen Abstand zwischen uns halten, um nicht völlig blind unterwegs zu sein. Die Strecke endet wieder in Rissani. Ich setze mich in ein Cafe und passe auf die Maschinen auf, während die anderen zu Fuß den Souk erkunden.

Für die Rückfahrt trennen wir uns. Jürgen und Matthias fahren auf dem gleichen Weg zurück, den wir gekommen sind, diesmal allerdings etwas rallyemäßiger. Vroni zieht es vor, die etwas leichtere Strecke über Merzouga zu nehmen und damit sie nicht alleine fahren muss, begleite ich sie. Als wir wieder auf der Piste zum Erg Chebbi sind, fahren vor uns einige marokkanische Land Rover, voll besetzt mit Pauschaltouris. Als sie Videokameras und Fotoapparate aus dem Fenster halten, kann ich mich nicht mehr zurückhalten. Ich stelle mich in die Rasten und ziehe mit kräftigen Gasstößen im Drift an ihnen vorbei, nicht ohne die Touris dabei kräftig einzustauben. Dabei hoffe ich nicht auf die Schnauze zu fallen, vielfach dokumentiert von surrenden Kameras, aber es geht gut. Nach ein paar Kilometern warte ich auf Vroni, mein Tempo war ihr dann doch zu hoch. In Ksar Sania sitzen die anderen beiden schon beim Bier, und ich schließe mich ihnen gleich an. Bis zum Abendessen dauert es noch zwei Stunden, wir sind aber alle sehr hungrig. Matthias packt seinen Kocher aus und bereitet uns eine Suppe zu. Zum Nachtisch gibt es einen Schluck Eckes Edelkirsch.

Am zweiten Weihnachtsfeiertag fahren wir weiter. Es geht wieder nach Norden, in Richtung Atlas. Auf der Karte finden wir eine geschotterte Alternative über Goulmine. Natürlich entscheiden wir uns für die staubige Strecke, die uns an einem Flüsschen entlang führt, das sich in jahrtausenderlanger Arbeit tief in den Boden eingegraben hat. Ein richtiger Canyon ist entstanden, in dem malerisch verteilt kleine Bäume das wenige Wasser umsäumen. Ein paar Kilometer weiter müssen wir ein breites Qued durchqueren. Der Schotter ist tief und die Auffahrt am anderen Ufer eng, steil und tief ausgewaschen. Vroni ist es lieber, wenn ich ihre Maschine hinauffahre, bevor sie mit ihrer Kiste wieder in das ausgetrocknete Flussbett zurückfällt. Oben werden wir von einigen scheuen Kindern beobachtet, die sofort davonlaufen, als wir in ihre Richtung fahren. Bald darauf führt eine sehr sandige Straße durch ein Dorf. Leider können wir nicht mit dem notwendig hohen Tempo durchfahren, ohne die zahlreichen Leute auf der Straße zu gefährden, so dass wir einige Male fußeln müssen. Wenigstens stimmt die Richtung. Die Stadt Goulmine macht einen sehr sauberen Eindruck. Viele junge Menschen mit Büchern unter den Armen erwecken den Eindruck, dass hier eine Uni oder ähnliches sein muss. Wir halten an einem Straßencafe und trinken Kaffee und Cola und versuchen auch einige Kekse, die unerwartet lecker schmecken. Dann müssen wir uns wieder sputen. Die Sonne steht schon ziemlich tief und wir haben noch einige Kilometer vor uns. Natürlich ist es wieder dunkel, als wir in Tinehir ankommen. Jetzt noch ein paar Kilometer in Richtung Todraschlucht zum Campingplatz. An einer Ecke orientieren wir uns noch mal. Ein kleiner Junge sagt uns sofort, wo der gesuchte Campingplatz ist. Jürgen bietet ihm als Belohnung ein Bonbon an. Der Junge will allerdings die ganze Tüte haben und bietet als Gegenleistung eine hölzerne Gebetskette an. Der Tausch ist perfekt, und wir fahren weiter. Auf dem Campingplatz werden wir freundlich empfangen. Hier kann man auch günstig Zimmer mieten, und wir entschließen uns für die festen Wände, da es hier in den Bergen nachts sehr kalt werden kann, schließlich ist es Ende Dezember. Nach einer heißen Dusche lassen wir uns im Restaurant mit vorzüglichem Couscous verwöhnen. Da es hier keinen Alkohol gibt, müssen wir mit Cafe au Lait und koffeinhaltiger Limonade vorlieb nehmen. Auf dem Zimmer gibt es allerdings noch einen Jacky als Gutenacht-Drink.

Für den heutigen Tag haben wir uns einiges vorgenommen. Wir wollen die Todraschlucht hinauf, den 3003 Meter hohen Tizi-N-Ouano überqueren und über die Dadesschlucht wieder hinab ins Tal nach Boumalne fahren. Von dort geht es dann auf Asphalt die ca. 60 Kilometer nach Tinehir zurück. Wie ich noch vom letzten Jahr weiß, ist die Strecke teilweise sehr schwierig, daher fährt Vroni bei Matthias als Sozia mit. Die Todraschlucht empfängt uns mit einer deftigen Wasserdurchfahrt. Dann geht es auf halbwegs guter und trockener Piste weiter. Als ich eine Gruppe Wanderer umfahre und dafür die Piste verlasse, versinke ich bis zum Motorschutz in einem Schlammloch. Nur durch gemeinsames Anpacken von uns allen Vieren komme ich wieder frei. Das Bett der Todra, das wir immer wieder kreuzen, ist fast trocken. Erst weit oben in der Schlucht werden wir von zugefrorenen Wasserstellen überrascht. Knirschend bricht das Eis unter der Last der Maschinen, das Wasser spritzt und wir sind durch. Uns kommt es gar nicht so kalt vor, was aber sicher zum einen an der intensiven Sonneneinstrahlung und zum anderen an der Anstrengung auf der Piste liegt. Dann weichen die Berge zurück und eine Hochebene breitet sich vor uns aus. In Tamtattouchte lauern uns erwartungsgemäß aufdringliche Kinder auf. Sie wollen uns in die falsche Richtung schicken, doch dank unseres GPS-Gerätes und Matthias' Erfahrung, der die Strecke schon einmal gefahren ist, bleiben wir auf dem richtigen Weg. Das macht die Kinder natürlich sauer, sie laufen hinter uns her und versuchen sich an den Maschinen festzuhalten. Einige beherzte Schreie und auch mal eine ausholende Hand halten sie dann doch auf Distanz. Wir durchqueren Tamtattouchte, fahren am letzten Haus rechts vorbei und halten uns an der nächsten Gabelung wieder rechts, obwohl die Beschriftung auf den Steinen uns eigentlich nach links schickt. Doch nur der rechte Weg führt in die richtige Richtung. Nach ein paar hundert Metern müssen wir dann links den Berg hinauf. Die Piste wird immer schlechter und steiler. Dann besteht der Weg nur noch aus großen Steinplatten, die wie Treppenstufen übereinander liegen und unser Vorankommen stark erschweren. Ständig müssen neue Stufen erklommen werden, und ich darf gar nicht an unsere Felgen denken. Kurz vor der Passhöhe wird der Weg wieder flacher, die Felsplatten weichen zurück und gut zu fahrender Schotter knirscht unter unseren Rädern. In einer langen Linkskurve halten wir an und genießen die Aussicht. Vor uns zieht sich ein Tal bis zum Horizont hin, eingerahmt von kahlen braunen Bergen. Kein Laut ist zu hören, keine Menschenseele scheint außer uns hier zu sein. Wir essen Müsliriegel, trinken mit Vitamintabletten versetztes Wasser und genießen die Einsamkeit.

Als wir wieder einige Kilometer weiter sind, kommt uns eine mit zwei Personen besetzte Africa Twin entgegen. Wir halten an und plaudern mit dem aus Belgien kommenden Pärchen ein wenig über den weiteren Streckenverlauf. Während wir dastehen und erzählen, kommen ihre Reisepartner angefahren. Allerdings sind sie auf vier Rädern unterwegs, verteilt in drei Geländewagen. Da der Schotterpfad sehr schmal ist, müssen wir den Autos ein Stück entgegenfahren, bis wir zu einer genügend breiten Stelle kommen, wo wir aneinander vorbeikommen. Im Tal angekommen steht ein Toyota im Qued, dessen Insassen gerade Pause machen und uns freundlich zuwinken. Keine 300 Meter weiter kommt uns schon wieder ein Auto entgegen, diesmal ein Spanier. Auf der anderen Seite des Tals steigt der Weg wieder an und wir treffen auf einen VW-Bus aus Deutschland. Man glaubt gar nicht, was hier oben für ein Verkehr herrscht. Während wir uns mit dem Pärchen im Bus unterhalten, läuft Vroni zu einem schneebedeckten Abhang und ... putzt ihre Stiefel. Wir wollen es nicht glauben. Dann rutscht sie auf dem Hosenboden den Berg runter, das nächste Mal, versichern wir ihr, nehmen wir auch einen Schlitten mit. Nach der nächsten Passüberquerung biegen wir in die Dadesschlucht ein. Der Weg ist nun nicht mehr ganz so spektakulär wie die Kilometer, die bereits hinter uns liegen. In weitgeschwungenen Kurven fahren wir auf einer relativ breiten Piste wieder nach Süden. Der Weg ist nicht schwer zu fahren, aber sehr staubig, so dass wieder nur der erste in der Reihe etwas sieht. Nach und nach kommen wir wieder durch kleine Ansiedlungen. Unsere Piste wird wieder schmaler, und ausgerechnet hier haben wir einen LKW vor uns, der eine riesige Staubwolke hinter sich herschleppt. Man kann kaum noch den Weg erkennen, geschweige denn, ob uns jemand entgegen kommt. Matthias schafft es als erstes das in einer dichten Staubwolke eingehüllte Ungetüm zu überholen. Als der Wagen langsamer wird, will auch ich es versuchen. Matthias und Vroni gestikulieren plötzlich mit den Händen, doch ich habe die Gefahr schon erkannt, ein riesiges Loch, etwa 2 Meter tief, schiebt sich von links in die Straße hinein. Da hätte wir alle zusammen locker reingepasst. Erleichtert, dass nichts passiert ist und mit klopfenden Herzen setzen wir unseren Weg fort. Dann wird die Rollbahn wieder breiter und staubt auch nicht mehr, weil der Boden hier feucht ist. Jürgen und ich fahren nebeneinander her und lassen es so richtig krachen. Als er nach einer Kurve das Gas aufreißt, bricht plötzlich das Heck seiner Alp aus und stellt sich quer. Jürgen fängt die Maschine mit weit aufgerissenen Augen ab, und das Heck schwenkt in die andere Richtung. Nach ca. dreißig endlosen Metern hat er seinen Untersatz wieder im Griff und kann wieder lachen. Wir wissen bis heute noch nicht, ob der feuchte Boden an dieser Stelle gefroren oder die Oberfläche extrem glitschig war. Einige Kilometer vor Boumalne fängt der Asphalt wieder an. Natürlich dämmert es schon wieder, und die letzten 80 Kilometer müssen wir im Dunkeln zurückfahren. Unsere Visiere sind extrem schmutzig, und mit dem Brausewasser in unseren Sigg-Flaschen können wir sie auch nicht reinigen. Die Scheinwerfer des Gegenverkehrs blenden dadurch enorm. Mit offenem Visier lässt sich auch nicht gut fahren, da die Luft sehr kalt ist, dadurch auf der Gesichtshaut brennt und einem die Tränen in die Augen treibt. Nach einer endlos scheinenden anderthalb Stunden langer Fahrt, können wir uns endlich unter der heißen Dusche aufwärmen.

Nach der gestrigen schweren Tour ist heute erst einmal Ruhe angesagt. Wir sitzen lange beim Frühstück in der Sonne, lesen, unterhalten uns mit einigen Holländern, die mit einer KTM, einer XT 500 und einem Land Rover unterwegs sind und, die wir in Erfoud schon einmal überholt hatten. Einer von ihnen hatte sich mit der XT in den Dünen des Erg Chebbi abgelegt und sich das Schlüsselbein gebrochen. Daraufhin haben ihm die Ärzte ein komplettes Gipskorsett verpasst, das überall juckt und bei jeder Bewegung stört. Zu viert machen sich seine Freunde über ihn her und sägen solange am Gips herum, bis er einigermaßen Passt und sich der Bedauernswerte wieder bewegen kann. Dann schreiben sie sich unsere gesammelten GPS-Koordinaten ab, und wir tauschen die Erfahrungen der bisherigen Reise aus. Auf einmal wird Matthias blass, er zeigt auf Vroni, und auch wir wechseln die Farbe und werden verlegen. Fängt das Weibstück doch tatsächlich an ihre Alp zu putzen! Vor allen Leuten, vor anderen Motorradfahrern, vor uns. Nein, das geht wirklich nicht. Stiefel putzen, wo es keiner sieht, geht ja gerade noch, aber die Maschine waschen, in Afrika, wo andere Enduristen zusehen können. Wir nehmen Vroni diskret zur Seite und erklären ihr, dass sie uns vor den anderen blamiert. Aber, typisch Frau, interessiert sie das überhaupt nicht. Sie putzt jetzt ihre 'arme gestresste' Transalp, alle anderen sind ihr völlig egal. Selbst schlimmste Strafen, wie ohne Abendessen zu Bett gehen oder, dass wir sie alle im Schlaf küssen werden, können sie nicht abschrecken. Daraufhin verzieht sich Matthias in den Schatten und liest in seinem Buch weiter, und Jürgen und ich gehen auf dem Campingplatz spazieren, damit keiner denkt, wir gehören zu ihr.

In einer Ecke des Campingplatzes finden wir das französische Pärchen, mit dem wir uns schon auf dem Campingplatz Ksar Sania, am Erg Chebbi, unterhalten haben. Die beiden wollen mit ihrem uralten Citroen noch bis in den Senegal hinunter. Das Auto hat sogar einen Namen: Tin Tin! Na, so wie das Gefährt aussieht, glaubt man gar nicht, dass es schon ohne Probleme bis hier runter durchgehalten hat. Jürgen hat natürlich nur Augen für das Mädchen. Bei Pfefferminztee sitzen wir eine Weile zusammen und plaudern auf vier Sprachen. Am Nachmittag fahren wir nach Tinehir, um uns den Ort etwas genauer anzusehen. So laufen wir durch die Gassen, schauen Handwerkern bei ihrer Handarbeit zu. Maschinen gibt es hier nicht. In jedem Hof wird gesägt, gefeilt, gebogen und gehämmert. Man glaubt fast nicht, dass die Rohmaterialien für die filigran gearbeiteten Gitter oder die hübsch geschreinerten Möbel scheinbar von irgendwelchen Müllhaufen stammen. Mit ihren geschickten Händen wird aus rostigem Metall der schönste Schmuck. In einem Schreibwarenladen findet Jürgen endlich Aufkleber für seine Koffer, Alhamdulillah - Gott sei Dank - rufe ich laut. Endlich hat sein Gequengel ein Ende. Matthias findet tatsächlich noch eine Flasche marokkanischen Wein, der zwar fast unbezahlbar ist, uns aber trotzdem schmecken soll. Während Vroni und Jürgen zum Campingplatz zurückfahren, wollen Matthias und ich noch einmal in die Todraschlucht. Kaum in der Schlucht angekommen, lassen wir auch schon die Sau raus und fahren recht flott durch die trockenen Bachläufe. Unter den Rädern spritzen die Steine davon, und so mancher kleiner Hügel dient als Sprungschanze. Doch die harte Gangart lässt uns schnell ermüden. Die ein oder andere Pause brauchen wir schon. Da wir eine Menge Staub aufwirbeln, wechseln wir uns mit dem Vorrausfahren ab. So hat jeder einmal freie Sicht. Als die Schlucht auf dem Hochplateau endet, drehen wir um. Jetzt hat es mich völlig gepackt. Ich heize über den kurvenreichen Pfad und muss um meine Felgen fürchten. Manchmal bin ich so schnell, dass ich vor größeren Steinen gar nicht mehr bremsen kann und voll reinkrache. Allerdings spürt man bei der hohen Geschwindigkeit die Schläge kaum, die Maschine scheint regelrecht zu fliegen. Wieder am Eingang der Schlucht angekommen, schmerzen meine Arme so sehr, dass ich sie kaum noch heben kann. In einem Cafe machen wir Pause und trinken noch eine Cola. Dann fahren wir die wenigen Kilometer zum Camp zurück.

Am nächsten Morgen wollen wir erst Geld tauschen. Aber auf der Bank ist viel los, und der Arbeitseifer der Angestellten sehr begrenzt. Ein Italiener rastet aus und macht die Banker zur Sau, allerdings geht er dann ohne marokkanisches Geld aus der Bank. Vroni und Jürgen harren brav drei Stunden aus. Vroni bekommt schließlich ihre Dirham, aber Jürgen hat nun keine Geduld mehr und geht ohne Tausch aus der Bank. Wegen dem großen Zeitverlust müssen wir uns nun sputen. Wir fahren nach Boumalne du Dades und tanken dort noch einmal voll. Dann geht es wieder ca. drei Kilometer zurück zum Beginn der Piste nach Nekob. Überraschenderweise ist die Piste gar keine, die ersten Kilometer sind frisch geteert. Doch schon bald dürfen wir wieder Staub schlucken. Bis zum Fuß des Tizi-n-Tazazert haben wir leichten Schotter unter den Rädern, dann wird der Boden immer felsiger. Ausgewaschene steile Wege wechseln sich ab mit schmalen kurvigen Pfaden. Die Berge um uns herum sind schwarz, der Himmel über uns blau und wir schrauben uns mutig immer weiter nach oben. In einer tief ausgewaschenen Furche stürzt Vroni, doch es ist nichts passiert, und Matthias und Jürgen helfen ihr wieder auf die Räder. Kurz vor der Passhöhe machen wir Pause, um zu verschnaufen. Dann geht es weiter. Die engen Schotterkehren führen an steilen Abgründen vorbei. Wir versuchen möglichst weit innen zu fahren. Wenn hier einer von uns abstürzt, ist er verloren. Die ersten Kilometer hinter dem höchsten Punkt sind nicht leicht zu fahren und sehr kraftraubend. In einer Kurve kommt uns ein Laster entgegen, doch wir haben schon lange beobachtet, wie er sich qualmend den Berg hinauf quält, und früh genug nach einer Ausweichstelle Ausschau gehalten. Wild hupend und winkend grüßt er uns während er langsam vorbeischnauft. Dann können wir weiter. Weit im Tal unten wird der Weg besser, und wir fahren erleichtert etwas schneller. Dann stürzt Jürgen, sein schöner neuer Alu-Koffer hat eine Beule und sein Ego einen Kratzer. Leider sollte es noch schlimmer kommen. Hinter einer Linkskurve geht es steil bergab, und der feste Boden verwandelt sich in ein tiefes Schotterbett. Ich kann gerade noch anhalten ohne zu stürzen, da höre ich einen Motor aufheulen und einen Schrei. Vroni hat die Kurve nicht gekriegt und ist geradeaus zwischen die Felsen gefahren. Ihr ist zum Glück nichts passiert, doch der rechte Alu-Koffer ist abgerissen und stark zerbeult, der Motorschutz hat einen tiefen Knick und ist ca. zwei Zentimeter nach hinten verschoben. Die Verkleidungsscheibe ist zwar herausgerissen, aber sonst nicht beschädigt und lässt sich wieder problemlos einsetzen. Nach einer halben Stunde ist der Koffer halbwegs ausgebeult und hängt wieder am Träger. Zur Sicherheit spannen wir ihn noch mit einem Riemen fest. Der Lenker hat sich in seiner Lagerung nach vorne gedreht und wird nun wieder in seine ursprüngliche Stellung gebracht. Nach einer Überprüfung der restlichen Maschine müssen wir weiter, die Sonne steht schon wieder tief, und wir haben noch einen weiten Weg vor uns. Unsere Fahrspur besteht nun aus einem festgefahrenen trockenen Lehmboden, der ab und zu mit Kieselsteinen bedeckt ist. Kurz vor einem Dorf werden wir wieder von zwei Hunden 'überfallen'. Für ihre relativ geringe Größe machen sie sich ziemlich wichtig und kläffen wie wild, während sie neben uns herlaufen und nach uns schnappen. Nach hundert Metern lassen sie uns wieder in Ruhe, wir haben anscheinend ihr Territorium wieder verlassen. Nun steigt der Weg über einige Serpentinen wieder aus dem Tal empor. Auf der kleinen Kammstraße weht der Wind und die Maschinen wirbeln wieder gehörig Staub auf. Ich fahre als letzter und muss den Dreck der anderen schlucken. Der Staub beißt in den Augen, aber das Visier ist wieder einmal so verschmutzt, dass man kaum durchschauen kann. Nach einer Weile sehen wir die ersten Häuser von Nekob vor uns. Die Sonne ist gerade hinter dem Horizont verschwunden, und wir spüren nun deutlich die Kühle der Luft. Hier gibt es keine Übernachtungsmöglichkeit, so entschließen wir uns dazu, die ca. 90 Kilometer bis nach Zagora trotz Dunkelheit noch zu fahren. Auf der hier beginnenden Asphaltstrecke sollte das keine unlösbare Aufgabe sein. Doch der Weg zieht sich wie Gummi. Die Nacht ist pechschwarz, unsere Scheinwerfer schaffen kaum die Strasse auszuleuchten, ständig müssen wir im letzten Moment irgendwelchen unbeleuchteten Fahrzeugen oder dunkel gekleideten Fußgängern ausweichen. Dazu kommt noch die schneidende Kälte der Luft - die Griffheizungen laufen 'volle Pulle' - und unsere Übermüdung durch die Anstrengungen des Tages. Als wir endlich in Zagora ankommen ist dort der Strom ausgefallen. Alles ist dunkel und man erkennt nur schemenhafte die Leute am Straßenrand. Zu allem Überfluss sind beide Hotels, die wir uns für unseren Aufenthalt ausgesucht hatten, ausgebucht. Wir fahren weiter bis zu einem Campingplatz, müssen aber unsere Zelte nicht im Dunkeln aufbauen, da der Platz eine noch funktionierende Stromversorgung hat und uns der Platzwart eine Lampe aufhängt. Dann duschen wir, diesmal sogar warm, und machen uns fertig zum Essen. Das Restaurant sieht sehr sauber aus und wir sind, zusammen mit ein paar Italienern, die einzigen Gäste. Jürgen, Vroni und ich entscheiden uns für Hühnchen-Tajine mit Zitrone, Matthias zieht einen vegetarischen Couscous vor. Wir Vogelesser werden leider enttäuscht. Der arme Flattermann hat gerade mal die Größe eines Wellensittichs und muss sich noch auf drei Teller verteilen. Die beiliegende Zitronenscheibe reißt da auch nichts mehr raus. Zum Glück ist Matthias ein echter Kamerad und gibt uns von seiner Riesenportion Couscous etwas ab. Wir nehmen uns für die Zukunft vor, immer das gleiche zu bestellen wie Matthias. Zu allem Überfluss verhält sich die Rechnung auch noch umgekehrt proportional zum Hühnchen. Hier essen wir bestimmt nichts mehr.

Bei der Rückkehr zu den Zelten ist die Apsis von Matthias' und Jürgens Zelt so komisch zurückgeschlagen. Ein Teil des Gepäcks liegt nicht mehr an seinem angestammten Platz und Matthias' Tankrucksack ist durchwühlt. Da war jemand an unseren Sachen. Bei der Durchsicht stellen wir erleichtert fest, dass nichts fehlt. Aber die Gewissheit, dass jemand an unserem Gepäck war, lässt uns keine Ruhe. Jürgen holt den Platzwächter und beschwert sich. Der jedoch glaubt uns nicht recht und behauptet, dass seit 15 Jahren noch nie etwas passiert sei. "Allahu ahlem", antworte ich ihm, Gott allein weiß es. Da ist er dann schnell ruhig und verspricht uns, auf unsere Zelte ganz besonders gut aufzupassen. Wir stehen noch unentschlossen da. Was sollen wir jetzt machen? Unsere Zelte näher zu den Wohnmobilen stellen? Den Platz wechseln? Nun, heute Nacht bleiben wir noch hier, morgen sehen wir dann weiter.

Bevor wir zum Frühstück gehen, packen wir alle mehr oder weniger wertvollen Sachen, die wir nicht mitnehmen, in die Alu-Boxen und ketten diese aneinander, so dass ein eventueller Dieb sich ganz schön abschleppen müsste und sicher auch sehr auffallen würde. Dann geht es nach Zagora rein. Direkt an der Hauptstraße setzen wir uns vor ein Cafe und bestellen ein 'Petit Dejeuner' für vier Personen, außerdem packen Vroni und Jürgen die Gelegenheit am Schopfe und gehen in die Bank zum Geld wechseln. Da dies wieder länger dauert, kommt Jürgen zwischendurch zurück, um seinen Kaffee zu trinken. Vroni bleibt in der Bank, deshalb bringe ich ihre Tasse direkt zum Bankschalter, damit auch sie nicht darben muss. Nachdem unsere Geldbeutel wieder mit Dirhams und unsere Bäuche mit Kaffee und Marmeladebroten gefüllt sind, fahren wir weiter nach Süden. Wir wollen nach M'hamid, einem Örtchen an der algerischen Grenze. Die ca. hundert Kilometer lange Strecke ist durchgehend asphaltiert und führt uns über zwei niedrige Pässe. In M'hamid setzen wir uns auf die Terrasse eines kleinen Hotels und ordern unser zweites Frühstück. Ein spanischer Tourist umkreist unsere Alps und kann sich an ihnen kaum satt sehen. Dann kommt er zu uns und erklärt, dass er auch mit einer Transalp hier unten ist. Da unsere Maschinen mit größeren Tanks und dicken Stollenreifen ausgestattet sind, hält er uns wohl für Könner und beichtet sogleich seine Probleme mit dem Fahren im Sand und ob wir ihm nicht helfen könnten. Nachdem die Frage der Bereifung und des Luftdruckes geklärt ist, gibt es nur eine Antwort: Gaaaas! Ja sicher, meint er, er traue sich aber nicht so recht. Das Problem kennen wir natürlich auch, aber es ist die einzige Methode, die hilft. Ungläubig schleicht er dann wieder um unsere Motorräder und fährt schließlich winkend mit einem Land Rover davon. Nachdem wir uns üppig gestärkt haben, fahren wir wieder zurück. Über die zwei Pässe müssen wir noch auf dem geteerten Weg bleiben, dann aber biegen wir links ab und fahren auf einer Piste weiter. Am Beginn der Strecke haben wir leichten Schotter unter den Rädern, der im Laufe der Zeit durch kleine Sandfelder unterbrochen wird. An einer Abzweigung entscheide ich mich leider für die falsche Richtung. Die Strecke besteht nur noch aus Tiefsand. Wir durchqueren ein Dorf und werden von einer Schar johlender Kinder verfolgt, die sich immer an unseren Maschinen festhalten wollen. Leider kommen wir auch nicht schnell genug vorwärts, um ihnen zu entfliehen. Am anderen Ende des Dorfes wird der Sand noch tiefer. Wir halten an und beraten unser weiteres Vorgehen. Matthias fährt ein Stück weiter, um zu erkunden, wie es weitergeht. Währenddessen sind wir von den Kindern eingekreist und müssen ihnen ihre Fragen beantworten. Was uns wundert ist, dass sehr viele Fragen auf aktuelle politische Geschehen basieren. Dann kommt Matthias zurück und sagt, dass es in unserer eingeschlagenen Richtung nicht weitergeht. Er nimmt Vroni hintendrauf mit und fährt sie aus dem tiefsten Sandstück hinaus. Jürgen begleitet sie auf seiner Maschine während ich zurückbleibe und auf Vronis Maschine aufpasse. Eines der Kinder, vielleicht zwölf oder dreizehn Jahre alt, bietet sich an, die Maschine zurückzufahren. Als ich ihm sage, dass er bestimmt nicht Motorrad fahren kann, wird er sauer. Natürlich kann er fahren, weder das Motorrad noch der Sand wären ein Problem für ihn. Abgesehen davon, dass er kaum mit den Füßen auf die Rasten, geschweige denn auf den Boden kommen würde, frage ich ihn, was denn passiert, wenn er mit der Maschine stürzt und sie dabei kaputt geht, ob er dann den Schaden bezahlen würde. Natürlich nicht, antwortet er, er hätte kein Geld. Wenigstens hört jetzt seine Quengelei auf. Matthias braust heran und bringt Jürgen mit, der jetzt Vronis Maschine übernimmt. Am Dorfeingang übernimmt sie dann wieder selbst das Steuer. Der Weg zurück durch das Dorf gleicht wieder einem Spießrutenlaufen. Wir balancieren die Maschinen durch den Sand, die Kinder rennen hinter und neben uns her und wollen sich wieder festhalten. Mit Schreien und Treten, letzteres ist gar nicht so einfach im Sand, versuchen wir uns die Bande vom Hals zu halten. Erst am anderen Ende des Ortes beginnt wieder die Schotterpiste, und wir können die Plagegeister abschütteln. Vor uns öffnet sich nun eine große Ebene, die ringsherum von Bergketten umgeben ist. Mittlerweile ist die Sonne auch schon weit über ihren Zenit hinausgewandert, weshalb die Berge in warmen Rot- und Gelbtönen schimmern. Wir fahren wieder nebeneinander her, weil der aufgewirbelte Staub die Sicht und die Atmung beeinträchtigt. Nach zehn bis fünfzehn Kilometern fangen dann größere Sandfelder an. Es ist komisch, zuerst flucht man darüber, dann fährt man immer flotter durch und zuletzt sucht man den Sand regelrecht. Kurz vor Zagora machen wir eine kleine Rast und schauen uns den Sonnenuntergang an. Dann geht es zurück zum Campingplatz.

Heute ist der 31.12.97. Außer der Tatsache, dass dies der letzte Tag im Jahr ist, bedeutet dieses Datum auch den Beginn des Ramadan. Wir wissen noch nicht, welche Auswirkungen der moslemische Fastenmonat auf uns haben wird, also lassen wir uns überraschen. Wir stehen schon um sechs Uhr morgens auf, packen unsere Siebensachen zusammen und machen uns auf den Weg nach Marrakech. Nach ca. hundert Kilometern halten wir bei einem Hotel in Agdz und fragen, ob es trotz Ramadan etwas zum Frühstücken gibt. Es gibt, wir werden in den Innenhof des Hotels gelotst und bekommen einen schönen Tisch am Pool. Jürgen nutzt die Chance und geht gleich mal aufs Klo. Weil kein Toilettenpapier auf der Herrentoilette ist, schleicht er sich zu den Damen rein. Während er so dasitzt und sein Gewicht optimiert, stürmt ein Reisebus voller weiblicher Touris (Italienerinnen) rein und die wollen natürlich auch alle in den Keramiksalon. Als Jürgen endlich rausgeht, ist natürlich gleich die Hölle los. Alle reden durcheinander, ob sie von Jürgen als Mann begeistert sind oder ob sie empört sind, lässt sich im Nachhinein nicht mehr ermitteln. Auf jeden Fall ist es ein Gegackere wie in einem Hühnerstall. Nach dem Frühstück geht es weiter nach Norden. Hinter Quarzazate steigt die Straße immer höher in den Atlas hinauf. Der Tizi-n-Tichka ist mit 2.260 Metern die höchste Erhebung, die wir überqueren müssen. Danach geht es stetig bergab, bis nach Marrakech. In den Bergen liegt kaum Schnee, so dass wir gut vorankommen. Schon gegen 16:00 Uhr stehen wir mitten in Marrakech auf dem "Djemma el Fna", dem Platz der Geköpften. Matthias besorgt uns ein Zimmer direkt am Platz mit Blick auf denselben. Die Maschinen stellen wir in einer unmittelbar daneben liegenden Garage sicher unter. Nach einer leider kalten Dusche, stürzen wir uns in das Getümmel auf dem Platz. Von Schlangenbeschwörern über Wunderheiler, Tänzer und Saftverkäufern gibt es hier alles. Direkt hinter dem Platz beginnt der Souk von Marrakech, den wir natürlich auch gleich erobern müssen. Als es dämmert, werden auf dem Djemma el Fna lauter kleine Buden mit Garküchen aufgebaut. Nachdem die Sonne untergegangen ist, ruft der Muezzin von seinem Minarett, und eine Sirene kündigt das Fastenbrechen an. Nun ist hier die Hölle los, überall wird gekocht, gebraten, gebacken und gegrillt. Die Bänke rund um die Garküchen sind voll besetzt mit schmatzenden Leuten, die den ganzen Tag fasten mussten. Zunächst wollen wir uns das Treiben anschauen und gehen zwischen den Buden durch, um zu sehen was es alles gibt. An manchen Ständen werden rohe und gekochte Ziegen- und Schafsköpfe feilgeboten, die für mitteleuropäische Augen überhaupt nicht appetitlich aussehen. Auch die Rinderfüße und die nur halb gerupften Hühnchen wollen uns nicht so recht gefallen. Schließlich finden wir doch noch ein Plätzchen mit ansprechenderer Auslage und beginnen den Schmaus mit Harira, der traditionellen Fastensuppe. Diese Suppe besteht aus Lammbrühe, etwas Lammfleisch, Linsen, Kichererbsen, Tomaten, Zwiebel, Kräutern und Gewürzen und schmeckt wirklich vorzüglich. Danach gibt es Fleischspießchen, Fisch, Pommes und Salat. Später lassen wir uns an einem der zahlreichen Saftständen frischen Orangensaft pressen. Der Saft ist kühl und schmeckt vorzüglich. Ein Glas mit 0,4 Litern kostet ca. 40 Pfennig. Am Stand Nummer sechs bekommt jeder von uns sogar noch ein halbes Glas Nachschlag. Ab jetzt ist das unser Stamm-Orangensaft-Stand. Kurz vor Mitternacht holen wir unseren letzten Rest Jacky hervor, setzen uns auf die Dachterrasse des Hotels und warten auf den Jahreswechsel. Punkt 00:00 Uhr, wir stoßen aufs neue Jahr an und - nichts weiter passiert. Eine einsame kleine Rakete verglüht am Himmel, zwei drei Touris auf dem Platz rufen "Bonne Annee!", und wir stehen da und starren auf die fünf Mädels am Nebentisch, die mit 30-sekündiger Verspätung ihre Sektflasche öffnen und sich küssen und beglückwünschen. Das war's. Etwas enttäuscht sind wir schon. Eigentlich wollten wir den Jahreswechsel in der einsamen Wüste verbringen, änderten dann unsere Pläne, weil wir doch lieber etwas im Trubel feiern wollten und dann das.

Der gestrige Tag war ziemlich anstrengend, deshalb schlafen wir sehr lange. Auf der Dachterrasse unseres Hotels beginnt der Tag natürlich wieder mit einem ausgiebigen Frühstück. Das Angebot ist zwar nicht reichhaltig, aber wir bestellen (wie immer) noch zweimal nach. Dann geht es wieder auf Entdeckungsreise in die Stadt. Als erstes trinken wir am Stand Nummer sechs einen frischen O-Saft. Später im Souk kaufen wir uns Andenken, silberne Dolche, geschnitzte Schatzkästchen und Kamele, T-Shirts, gedrechselte Figuren und kleine Zierspiegel. Bei einem Friseur will ich mich rasieren lassen. Als ich den Laden betrete, sind noch zwei Kunden vor mir dran. Doch der Friseur scheucht den einen, der schon auf dem Stuhl sitzt, hinunter und bittet mich, Platz zu nehmen. Als ich sage, dass ich gerne warte, bis die anderen fertig sind, winkt er nur ab und drückt mich in den Sitz. Während ich eingeseift dasitze, haben meine lieben Freunde natürlich nichts anderes zu tun, als mich zu fotografieren, was den ganzen Laden amüsiert. Frisch rasiert, zumindest ich, spazieren wir dann in Richtung Neustadt. Hier war ich im letzten Jahr auch und weiß, dass es dort irgendwo ein Restaurant gibt, in dem auch Wein ausgeschenkt wird. Etwas habe ich mich doch in der Entfernung verschätzt, so dass wir schon eine Weile laufen müssen. Schließlich finden wir das Lokal wieder. Wir merken uns die Stelle, marschieren im weiten Bogen um die historische Stadtmauer, um auf der anderen Seite der Altstadt wieder auf altbekanntes Terrain zu stoßen. Halb schiebend und halb geschoben werdend bewegen wir uns durch die engen überfüllten Gassen. In den Schaufenstern liegt eine Menge Schund, den bei uns niemand kaufen würde. Haartrockner, deren Kabel ich nie in eine Steckdose stecken würde oder Radio- und Fernsehgeräte, die es seit 20 Jahren nicht mehr in Deutschland zu kaufen gibt. Nein, das sind keine Second Hand Läden oder Alteisensammler, das sind hier die Elektrofachgeschäfte. An einem offenen Fenster kann man zuschauen, wie Hühner geschlachtet und von einer halbautomatischen Rupfmaschine die Federn ausgerissen bekommen. Zigarettenverkäufer versuchen einzelne Zigaretten an den Mann zu bringen. Zwei Kinder haben aus einem Schuhkarton einen kleinen Verkaufsstand gebaut und bieten einzelne Schokoladenstücke zum Verkauf an. Einige Interessenten prüfen jedes Stück, drehen es den Fingern, legen es wieder hin und entscheiden sich doch dafür, keines zu kaufen. Nach einer ganzen Weile sind wir wieder am Djemma el Fna angelangt. Wir schlendern über den Platz und landen natürlich wieder beim Stand Nummer sechs. Nach der Erfrischung bewundern wir einen Heilkundigen, der zwischen seinen Kräutern und Flaschen sitzt und ständig irgendetwas erzählt. Dabei spielt er mit etwas Quecksilber in seinen Händen, lässt die silberne Lache von einer Hand in die andere tanzen, schüttet sie in ein Tellerchen und zeigt, das man es nicht mit den Fingern greifen kann. Dann schüttet er das flüssige Metall wieder in seine Hände, und das Spiel beginnt von neuem. Ob er weiß, wie gefährlich das Zeug für seine Gesundheit ist? Nach unserer langen Wanderung sind wir etwas müde, wir setzen uns auf eine der Dachterassen um den Platz, trinken Cafe au Lait und Cola und beobachten das Treiben auf dem Platz aus sicherer Entfernung. Am späten Nachmittag liegen Vroni und Jürgen im Bett und schlafen etwas. Matthias und ich lesen um die Wette. Als der Muezzin das Fastenbrechen verkündet, brechen wir wieder auf. Natürlich zuerst Stand Nummer sechs, dann gibt es als Vorspeise wieder Harira, die köstliche Fastensuppe. Den Hauptgang nehmen wir, nach einem kleinen Marsch, in dem Restaurant ein, das wir heute Mittag gesucht und gefunden haben. Dazu trinken wir marokkanischen Wein. Der Rückweg fällt uns mit vollem Magen sichtlich schwer. Zurück am Platz, streifen wir noch schnell den Stand Nummer sechs, dann gehen wir müde aber glücklich aufs Zimmer.

Am nächsten Morgen, auf der Fahrt nach Essaouira an der Westküste Marokkos, brauchen wir immer nur geradeaus nach Westen zu fahren. Der größte Teil der Strecke ist recht karg, hie und da treffen wir auf eine Schaf- oder Ziegenherde, manchmal auch auf kleine Gruppen von Kamelen. Erst kurz vor der Küste wird das Land fruchtbarer und etwas grüner. Schon lange können wir das Meer zwar riechen, aber immer noch nicht sehen. Erst als wir Essaouira erreichen, sehen wir von einem Hügel aus einen blauen Streifen hinter der Stadt. Wir stellen unsere Zelte auf einem Campingplatz südlich der Stadt auf. Vom Zelteingang aus sieht man die Brandung des Atlantik. Obwohl die Küste ca. zwei Kilometer entfernt ist, hört man sehr gut, wie die Wellen an die Küste schlagen. Nachdem auch noch die Wäsche gewaschen ist, fahren wir zu einer Sightseeing-Tour in die Stadt. Wir parken die Maschinen auf einem viel zu teuren bewachten Parkplatz und laufen zum malerischen Hafen. Überall dümpeln die bunten Boote im sicheren Hafenbecken, während der Atlantik sich mit ganzer Kraft gegen die Hafenmauer wirft. Wir klettern auf die Mauer, um uns das Schauspiel anzusehen. Jede fünfte bis sechste Welle ist stark genug, um weit über die Mauer hinweg zu spritzen. Jürgen will ein Foto schießen und übersieht eine gewaltige Welle. Fast wird er von der Mauer gespült. Bis auf die Haut nass steht er da wie ein begossener Pudel, während die anderen Passanten sich den Bauch vor Lachen halten. Zurück im ruhigeren Teil des Hafens setzen wir uns in ein Freilicht-Restaurant, wo man sich den Fisch frisch vom Fischerboot grillen lassen kann. Aber als wir sehen, dass die Möwen sich im Sturzflug auf den gedeckten Tisch stürzen und den Gästen den Fisch vom Teller stehlen, wollen wir doch lieber im laut Reiseführer vorzüglichen Restaurant unseres Campingplatzes essen. In der Stadt decken wir uns nochmals mit Souvenirs ein, trinken Kaffee und schlendern durch die Gassen. Beim Abendessen beschließen wir noch einen Tag hier zubleiben, weil es hier schön warm ist, und die Sonne vom wolkenlosen Himmel herab lacht.

Leider überrascht uns der nächste Morgen mit bedecktem Himmel. Mit unserer Idee, am Strand ein kleines Sonnenbad zu nehmen und uns auch mal ins Wasser zu wagen, ist es nun Essig. Wir fahren trotzdem an den Strand, aber nur, um mit unseren Maschinen direkt am Wasser entlang zu fahren und uns den Wind um die Ohren pfeifen zu lassen. Kilometerweit fahren wir die Küste entlang, immer nach Süden. Manchmal müssen wir uns durch tiefen Schotter quälen, oder auf spitzen, scharfkantigen Steinen um unsere Reifen bangen. An einer schönen Stelle halten wir an und suchen den Strand und die Klippen nach Muscheln und sonstigem Strandgut ab. Einige Fischer stehen bis zu den Hüften im Wasser und werfen ihre Angeln aus, ob sie was fangen, sehen wir leider nicht. Da die Weiterfahrt durch große Felsen blockiert ist, fahren wir auf dem gleichen Weg wieder zurück. Auf den festen Sandstücken kann man mit gut 130 Sachen entlang sausen. Kommt man in ein Feld mit weichem Sand, wird das Vorderrad förmlich eingesaugt. Der Vortrieb wird jäh gebremst, und man muss fix herunterschalten, um im drehmomentstarken Drehzahlbereich zu bleiben und sich auf festeren Sand zu retten. Auf dem Campingplatz treffen wir dann auf eine kleine Gruppe von Leuten aus der Pfalz, die mit ihrem Mercedes Kleinlaster in den Senegal wollen. Außer einigen Ersatzreifen für die motorradfahrenden Freunde, die sie dort unten erwarten, haben sie noch zwei zwanzig Liter Kanister mit Pfälzer Wein dabei. Leider bekomme ich letzteres erst am nächsten Morgen mit, meine sogenannten Kameraden haben mich abends allein im Zelt schlummern lassen, während sie sich dem Rebensaft hingaben. Das verzeihe ich Euch nicht so schnell ;-)))).

Während die anderen noch packen, suche ich auf der Karte eine schöne Strecke gen Norden. Über Casablanca und Rabat, der Hauptstadt Marokkos, wollen wir nach Meknes fahren. Leider entpuppt sich die Schotterstrecke an der Küste als frisch geteertes Asphaltband. Wenigstens ist die Aussicht prima. Wir fahren auf einem kleinen Plateau die Küste entlang und können ständig auf die schaumgekrönten Wellen des Atlantiks schauen, bis - ja bis wir zur nächsten größeren Stadt kommen. Ab hier gibt es nur noch Industrie, schmutziges Wasser und verrauchte Luft. Das ändert sich auf der ganzen Strecke bis kurz vor unserem Etappenziel, El Jadida, nicht. Dort finden wir einen Campingplatz, auf dem wir uns einen Doppelbungalow für die Nacht mieten. Die Zimmer sind geräumig, was man von der Toilette und der Dusche nicht gerade behaupten kann, aber wir sind nicht unzufrieden. Nachdem wir uns frisch gemacht haben, laufen wir in die Stadt zum Essen. Danach suchen wir eine Bank, bei der wir am nächsten Morgen noch einmal Geld tauschen können. In Gedanken sind wir schon stundenlang am Warten. Doch wir haben Glück, hier gibt es einen Geldautomaten, an dem wir in Sekundenschnelle unsere Finanzen aufbessern können. Nur Vroni hat Pech. Sie möchte unbedingt in einem der Eiscafes an der Straße ein schönes großes Eis essen. Obwohl wir ihr aus hygienischen Gründen abraten, gibt sie keine Ruhe, bis wir endlich nachgeben. Doch in jedem Lokal wird sie abgewiesen, Eis gäbe es erst im Frühjahr wieder. Als wir am nächsten Morgen bezahlen wollen, steigt der Preis von 250 auf 300 Dirham. Der höhere Preis komme durch die Steuer, die extra zu bezahlen wäre. Tatsächlich, auf der Preistafel steht, dass auf den Übernachtungspreis noch 10 Prozent Steuer aufgeschlagen wird. Aber 10 Prozent von 250 Dirham macht bei uns 25 Dirham. Während ich die Schranke öffne und Vroni schon mal rausfährt, bringen Jürgen und Matthias dem Campingplatzwärter das Prozentrechnen bei und legen ihm den von uns errechneten Betrag abgezählt auf den Tisch. Der Typ war uns schon am Vorabend unsympathisch und von dem wollen wir uns nicht über den Tisch ziehen lassen. Später stellen wir fest, dass Vroni aus versehen die Schlüssel zum Bungalow nicht abgegeben hat. Gut so, jetzt ist der Typ auch noch für seine Dreistigkeit bestraft. Auf der Fährfahrt nach Europa wollen wir den Schlüssel dann feierlich der See übergeben. Durch Casablanca müssen wir ein Stück auf der Stadtautobahn fahren. Für uns ist es etwas ungewöhnlich, dass die Stadtbusse auf dem Standstreifen anhalten und die dort wartenden Fußgänger mitnehmen. In Rabat verfahren wir uns etwas, doch Jürgens Charme lässt eine junge hübsche Marokkanerin nicht kalt, und sie erklärt uns den Weg. Endlich in Meknes angekommen, finden wir auf Anhieb das im Reiseführer empfohlene Hotel. Leider gibt es dort weder eine sichere Abstellmöglichkeit für unsere Maschinen, noch eine warme Dusche für Vroni, die sie sich gewünscht hat. Matthias und Vroni bleiben bei den Motorrädern, während Jürgen und ich per Pedes nach einem anderen Hotel suchen. Nach einer halben Stunde haben wir endlich ein angenehmes Haus entdeckt. Die Enduros werden von einem Parkplatzwächter ins Visier genommen und für die Zimmer bekommen wir 10 % Nachlass, weil wir das Hotel mit Hilfe des Därr-Reiseführers gefunden haben. Als wir endlich unser Gepäck nach oben getragen haben - warum bekommen Motorradfahrer immer nur in den oberen Stockwerken Zimmer - geht es erst einmal in die heiße Badewanne. Später werden wir von Matthias und Jürgen zu einem Stadtbummel abgeholt. Inzwischen ist es dunkel geworden, und die Einheimischen sitzen zuhause am endlich gedeckten Tisch. Auf der Suche nach einem schönen Restaurant, laufen wir durch die fast menschenleeren Straßen. In einem Winkel des Altstadtviertels finden wir nur ein paar schäbige Kneipen und einen Stand, an dem es marokkanische Pizza gibt. Diese Pizza besteht aus einer Art Pfannenkuchenteig, in dem vor dem Backen verschiedenes kleingehacktes Gemüse und kleine Fleischstücke eingerührt wurden. Uns Männern schmecken sie köstlich, doch Vroni hält nichts von einem 'schmutzigen' Straßenstand und hungert lieber. Ein paar hundert Meter weiter ist noch ein 'Pizzabäcker' am Werk. Natürlich holen wir uns dort gleich noch eine Ladung. Vroni können wir allerdings immer noch nicht überzeugen.

Eine Viertelstunde später bekommen Jürgen und ich kräftige Bauchschmerzen. Leider werden diese von einem unschönen Rumoren im Darm begleitet, und wir haben alle Mühe den Schließmuskel vor einem Versagen zu bewahren. So schnell es geht, machen wir uns unter Vronis Gefrotzel auf den Rückweg. Ab und zu müssen wir uns setzen, damit nichts in die Hose geht. Meine Bauchschmerzen steigern sich zu regelrechten Krämpfen, und ich glaube nicht, dass ich es noch bis zum Hotel schaffe, ohne eine Schwerpunktsverlagerung des Darminhalts erleiden zu müssen. Zum Glück schaffe ich es doch noch rechtzeitig. Nach einer ausgiebigen Sitzung falle ich mit richtig starkem Schüttelfrost und hohem Fieber ins Bett. Bei Jürgen ist es nicht so schlimm, er ist nach seiner Audienz auf dem Thron wieder einigermaßen fit. Inzwischen sind auch die anderen beiden wieder zurück, sie konnten sich ja Zeit lassen. Mit Schokolade und Cola wollen sie mir den Darm stopfen, aber ich kann nichts runterkriegen. Nachts muss ich oft raus aufs Klo und das ganze Bett wackelt durch meinen Schüttelfrost. Am nächsten Morgen ist es immer noch nicht besser. Während Vroni mich am Abend zuvor pflegte, waren Jürgen und Matthias in einer super Musikkneipe, wie sie mir gestehen. Den ganzen Abend wurden sie von netten marokkanischen Mädels umlagert. Während ich im Bett liege und Tabletten gegen Durchfall schlucke, verspreche ich ihnen, bis heute Abend wieder gesund zu sein. Eigentlich verspreche ich es eher mir, in diese Kneipe will ich auch! Ich schicke alle drei auf Entdeckungsreise in die Stadt, damit ich mich in Ruhe erholen kann, ich muss dringend schlafen, da ich die halbe Nacht fiebernd und vor Schüttelfrost frierend auf der Toilette gesessen habe. Als das Trio am späten Nachmittag zurückkommt, überraschen sie mich mit einem Geschenk, sie haben für uns alle marokkanische Nummernschilder machen lassen. Oben steht 10-03, nach unserem Motto: 'Wenn schon Saisonkennzeichen dann 10-03' und darunter auf arabisch: Al Maghreb, für Marokko. Ich freue mich riesig darüber, jedoch bin ich noch nicht fit genug, um zum Essen mitzugehen. Während die anderen in ein Restaurant gehen, lege ich mich in die Badewanne. Für den Kneipenbesuch am Abend will, nein muss ich wieder in Ordnung sein. Gegen 22:00 Uhr ist es dann soweit, ich bin wieder fähig, unter die Leute zu gehen und so marschieren wir los. Vroni bleibt im Hotel, wir wollen ja keine Eulen nach Athen tragen ;-))). Jürgen und Matthias werden vom Türsteher wie Freunde begrüßt, wir werden sogar eingelassen ohne Eintritt zu bezahlen. Drinnen ist eine tolle Atmosphäre, die Musik ist spitze, die Frauen sind wunderschön und im Fernseher in der Ecke wird gerade das Neuste von der Rallye Paris-Dakar übertragen. Da es hier keinen Alkohol gibt, müssen wir uns mit Bitter Lemon begnügen, was unsere Laune aber überhaupt nicht schmälert. Erst spät kehren wir wieder zu unserer Unterkunft zurück, wo wir noch anfangen zu packen, weil wir am nächsten Tag weiterfahren wollen.

Heute ist unser letzter Tag in Marokko. Wir müssen bis heute Abend wieder am Fährhafen sein. Von Meknes aus fahren wir über Fes in Richtung Nador. Die Strecke ist unspektakulär und wird nur durch eine Polizeikontrolle unterbrochen. Der eine Polizist meint, er müsse die ganze Zeit an den Schaltern meiner Maschine spielen, als das GPS nach einigen Tastendrücken anfängt wie wild zu piepsen, erschrickt er und lässt die Griffel dann endlich bei sich. Zum Glück kommt ein Bekannter der beiden Uniformträger vorbei, so dass sie schnell das Interesse an uns verlieren und uns weiterfahren lassen. Bei Fes werden wir von einer Nebelbank aufgehalten. Die feuchte Luft kriecht in jede Ritze unserer Jacken und lässt uns frösteln. Die Sicht reicht kaum fünfzig Meter weit, trotzdem fahren die meisten Marokkaner ohne Licht und sind sehr schwer auszumachen. Als die Straße endlich aus dem Tal führt, lassen wir die Nebelwand hinter uns und fahren, aufgewärmt durch die nun wieder über uns stehende Sonne, der Küste entgegen. In Nador angekommen, besorgen wir uns erst einmal die Tickets. Da die Fähre aber erst um 23:30 Uhr abfährt, haben wir noch eine lange Wartezeit zu überbrücken, die wir nutzen, um ein letztes Mal marokkanisch zu essen und die Reise nochmals Revue passieren zu lassen. Es hat uns allen großen Spaß gemacht und ich glaube, unsere beiden Novizen sind vom Bazillus Africanus befallen worden, denn sie sind sich einig, dass es nicht ihre letzte Reise auf den schwarzen Kontinent war.