Marokko 1999 - Winterflucht


Gelangweilt sitzen Vroni und ich auf unseren Maschinen im Bauch der Fähre. Das Dauerhupen und das wütende Geschrei der anderen Fahrgäste ist schon lange verstummt. Seit zwei Stunden liegen wir schon im Hafen von Beni Ansar (Nador), aber die Klappe öffnet sich nicht. Es ist nicht das erste Mal, dass uns so etwas passiert, wir können nichts daran ändern und üben uns deshalb in Geduld. Es ist fast halb elf, als sich die Hydraulikzylinder endlich in Bewegung setzen und sich die Bugklappe erhebt. Jetzt ist natürlich die Hölle los, jeder will zuerst hinausfahren. Uns lässt das kalt, wir sind als letzte drauf und kommen zwangsläufig auch zuletzt runter. Eine gute halbe Stunde später rollen auch wir an Land und nach einer weiteren dreiviertel Stunde am Zoll können wir den Hafen verlassen. Die Tanks sind voll, die Strecke nach Süden haben wir noch vom letzten Mal im Kopf, so drängen wir uns durch den dichten Verkehr Nadors in Richtung Guercif. Auf dem Weg dorthin müssen wir drei kleine Gebirgszüge überqueren, und schon jetzt wird mir klar, dass meine Entscheidung gegen den Integral- und für den Crosshelm ein Fehler war. Das Wetter ist zwar nicht schlecht, die Temperaturen aber empfindlich tief, und es zieht im Helm wie Hechtsuppe. Derart motiviert und durch die Verzögerung im Hafen auch schon spät dran, wollen wir schon in Midelt übernachten. Wir steuern gleich das erste Hotel (Kashba Asmaa) am Ortseingang an. Nach Überwindung einer fast 30 cm hohen Stufe können wir die Maschinen im abgeschlossenen Innenhof abstellen. Trotz der drei Sterne, die neben dem Hotelnamen prangen, suchen wir vergebens nach einer Heizung. Die einzige Wärmequelle ist ein kleiner Heizstrahler, der nur das wärmt, was unmittelbar vor ihm steht. Zum Glück ist wenigstens das Badewasser heiß, so dass wir in der Wanne wieder auftauen können. Das Abendessen wird romantisch am offenen Kamin serviert, typischerweise wärmt der nur die ihm zugewandte Seite, der Rest muss frieren.

Am anderen Morgen wird die Sicht durchs Zimmerfenster durch Eisblumen verhindert. Sogar hier im Zimmer kondensiert der Atem. Da Bewegung ja warm macht, sputen wir uns mit dem Packen und eilen zum Frühstück vor den Kamin. Nur schwer können wir uns von dem heimeligen Platz trennen, zumal wir wissen, dass wir gleich einen Pass erklimmen müssen. Bei Sonnenschein und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt nehmen wir eine Kehre nach der andern in Angriff. Bei 1900 Höhenmetern erreichen wir den Scheitelpunkt des Col de Tagelamt. Die umliegenden Bergspitzen sind leicht mit Schnee bedeckt. Der Anblick lässt uns noch mehr frösteln, deshalb halten wir uns hier oben nicht lange auf. Die Straße führt uns am Rand des Gorges du Ziz entlang, dessen Anblick sich immer wieder lohnt. Dann sehen wir zum ersten Mal den Hassan Addakhil Stausee bei Tageslicht. Auf den letzten beiden Reisen sind wir jedes Mal im Dunkeln hier entlang gefahren. Über Er Rachidia und Erfoud geht es nach Rissani, wo wir nach Westen abbiegen. Vor nicht allzu langer Zeit führte von hier aus nur eine Piste weiter, heute leitet uns eine schmale Straße durch eine schöne einsame mit Bergzügen gesäumte Steinwüste. In Tazzarine nehmen wir uns ein Zimmer, essen frierend zu Abend und frieren im Bett weiter.

Von Tazzarine aus fahren wir weiter durch die wunderschöne Landschaft bis zum Vallée du Drâa. Wir halten uns dort zunächst Richtung Agdz und biegen dann auf die Piste nach Tazenakht ab. Komischerweise macht die Piste einen engen Zickzack-Kurs, obwohl sie ebenso gut schnurgerade sein könnte. Wer weiß, welchem Naturereignis sie das zu verdanken hat. In den Wipfeln der wenigen Olivenbäumen stehen Männer und schlagen mit langen Stöcken auf die Äste ein. Unten sammeln Frauen die gefallenen Früchte auf. Die Landschaft ist hier überall vom roten Gestein der umliegenden Berge geprägt. Alles ist hier rot, die Häuser, die spärlichen Büsche und die seltenen Bäume. Nach ca. 30 Kilometern müssen wir ein Weichsandfeld passieren, das ist aber die einzige (kleine) Herausforderung auf dieser Strecke. Gut 20 Kilometer vor Tazenakht biegen wir scharf nach Südosten ab. Durch teilweise mit Palmen gesäumte Täler nähern wir uns Foum-Zguid, wie immer man das auch aussprechen mag. Von hier aus sind es noch etwa 150 Kilometer bis zu unserem nächsten Etappenziel Tata. Das Sträßchen verläuft zwar schön durch die karge Landschaft, die ist auf Dauer jedoch sehr gleichförmig und, kombiniert mit der Kälte, zieht sie sich wie Gummi. Abends treffen wir beim Essen im Hotel noch drei italienische Motorradfahrer. Da sie außer italienisch kaum eine andere Sprache beherrschen, ist es zwar sehr lustig, aber auch anstrengend, sich zu unterhalten. Sie schreiben aus unserem Reiseführer für sie wichtige Koordinaten ab, die sind ja zum Glück international verständlich.

Am nächsten Tag ist uns das Wetter leider gar nicht mehr freundlich gesinnt. Dunkle Wolken werden vom Wind dicht über unsere Köpfe hinweg getrieben, wenigstens bleibt es trocken. Über Akka zieht sich die Strecke bis nach Foum el Hisn, wo ein Polizeiposten die Daten unserer Fahrzeugpapiere und Pässe peinlich genau in ein Buch überträgt. In Bouizakane wechseln wir Geld, halten uns dann südwestlich bis Guelmim und suchen uns dann die Piste zum Fort Bou Djerif. Anscheinend hat es hier kürzlich geregnet, zahlreiche Schlammpassagen unterbrechen die Piste, die wir jedoch meistens umfahren können. Unterwegs kommt uns recht sportlich eine Rallye-KTM entgegen. Nanu denken wir, der ist wohl ein paar Tage zu früh dran, denn die Granada-Dakar soll erst übermorgen hier entlang führen. Auf dem Campingplatz Fort Bou Djerif werden wir zwar herzlich vom Besitzer Guy empfangen, der hat aber leider kein Zimmer mehr frei, so dass wir ausgerechnet bei so einem miesen Wetter das Zelt aufbauen müssen. Heute ist Silvester und Guy bietet uns zwei Menüs zur Auswahl an. Entweder Kamel-Tagine (das billige Menü) oder das Silvester-Menü, für sagenhafte 400 DH (ca. DM 80.-) pro Person. Nun ja, Kamel schmeckt zwar nicht schlecht, aber es ist Silvester und wir wollen uns etwas Gutes gönnen, wenn wir schon kein Zimmer bekommen. Kaum haben wir dann unsere Wäsche gewaschen und aufgehängt, fängt es zu regnen an, und wir können alles wieder abhängen. Eine Stunde später ist es wieder trocken, also wird alles wieder aufgehängt. Dann kommt der KTM-Fahrer wieder und entpuppt sich als Fahrerin. Es ist Isabelle Jamini, eine bekannte Schweizer Rallyefahrerin, die schon dreimal die Dakar-Rallye mitgefahren ist. Zusammen mit ihrem Freund Beat ist sie unterwegs in den Senegal. Beat hat ein frisch gebrochenes Schlüsselbein und ist am ganzen Oberkörper eingegipst. Auch Vroni ist wegen ihrer im Oktober gebrochenen Schulter noch etwas flügellahm. Zusammen mit der Tatsache, dass ich auch auf einer KTM unterwegs bin, ist so natürlich für genügend Gesprächsstoff gesorgt. Mit den Beiden und zwei weiteren Pärchen teilen wir uns den Tisch bei der Silvesterfeier. Es wird geschlemmt und zu meist afrikanischer Musik getanzt. Ein deutscher Aussteiger, der in der Nähe lebt, führt seine Schlangen vor: Kobras, Vipern und anderes Gewürm. Zwischendurch hänge ich nochmals die Wäsche ab und später wieder auf, die Nacht ist ja lang genug. Nachdem wir ins neue Jahr gerutscht sind, werden wir nach französischer Sitte von allen Frauen geküsst und beglückwünscht. Dann beginnt ein Mädchen mit Bauchtanz zu wilden Trommelrhythmen. Sie beherrscht es wirklich gut, und wir Männer können natürlich unsere Augen kaum abwenden.

Am nächsten Morgen fällt uns das Aufstehen doch ein wenig schwerer. Etwas kraftlos schleppen wir uns zum Frühstück und kommen mit einer Gruppe ins Gespräch, die eine geführte Tour auf Leihmotorrädern macht. Für den Flug und eine Woche fahren haben sie ca. DM 5000.- pro Person hinlegen müssen. Ein stolzer Preis, und dafür werden sie nicht einmal zu den schönsten Ecken Marokkos geführt. Nach einem Spaziergang zum nahe liegenden Fort beschließen wir weiterzufahren. Eigentlich wollten wir noch eine Nacht hier verbringen, doch weder das Wetter noch die Landschaft können uns begeistern. Innerhalb einer knappen Stunde sind wir abfahrtsbereit. Wir verabschieden uns von Isabelle und Beat, lassen bei Guy unser halbes Vermögen für Speis und Trank zurück und rollen auf der gleichen Piste zurück, die wir schon von der Hinfahrt her kennen. Der Wind bläst sehr stark und böig und macht das Motorradfahren zu einem gefährlichen Erlebnis. Hinter Bouizakane wollen wir nach Norden und zwar nach Tafraoute. Zuerst finden wir den richtigen Abzweig nicht, nach einigem Suchen und vielen umsonst gefahrenen Kilometern finden wir ihn schließlich doch noch. Die Straße führt immer höher in die Berge hinauf und hinter jeder Kurve wartet eine neue Windböe auf uns. Teilweise bekommen wir richtig Angst von der Straße gefegt zu werden. Irgendwann ist dann der Asphalt zu Ende, und es geht auf grobem Schotter weiter. Hier oben ist kaum noch Windschutz, und wir werden von den Böen hin und her gebeutelt. Bei diesem Wetter ist die Piste zu gefährlich für Vronis noch nicht ganz ausgeheilte Schulter, sie kann ihre Transalp kaum halten und ein erneuter Sturz auf ihre lädierte Seite könnte fatale Folgen haben. Eine andere Strecke nach Tafraoute gibt es hier nicht. Wir müssten einen Riesenbogen fahren um hinzukommen. Außerdem sieht in dieser Richtung das Wetter sehr schlecht aus. Wir wollen weg aus dem Küstenbereich und entscheiden uns für eine "Flucht" in die Wüste, in der Hoffnung, dass das Wetter dort besser ist. Wir drehen also um und wollen heute noch bis zum bekannten Hotel in Tata kommen. In Foum el Hisn werden wir von der Polizei wieder ins dicke Buch eingetragen. Der Wind ist dort so stark, dass Vroni mitsamt der Maschine fast umgeweht wird. Zum Glück können der Polizist und ich gerade noch zupacken und sie halten. Im Hotel in Tata freut sich der Portier, als er uns wieder sieht und deutet es als Kompliment für sein Haus. Leider gibt es kein besseres in Tata, das auch bezahlbar wäre. Na ja, so schlecht ist es auch wieder nicht, und die Motorräder können in einer Garage eingeschlossen werden, das ist die Hauptsache.

Am nächsten Tag fahren wir wieder die "Gummi"-Strecke bis Foum-Zgouid. Je weiter wir nach Osten kommen, desto besser wird das Wetter. Über Tazenakht und dem durch seine alten Kashbas bekannten Dorf Âit-Bennhaddou fahren wir nach Quarzazate. Ca. 50 Kilometer vor Quarzazate steht ein Auto am Straßenrand. Der Fahrer, ein Marokkaner in vornehmer Tracht, erzählt uns, dass er einen Motorschaden habe und bittet uns, seinem Bruder in Quarzazate Bescheid zu sagen. Für meinen Begriff etwas zu schnell, hat uns der Beifahrer eine detaillierte Skizze mit der Wegbeschreibung gegeben und wir versprechen, beim Bruder vorbei zu fahren. Einige Zeit später stehen wir vor dem in der Skizze beschriebenen Haus und finden auch gleich den Bruder davor. Die Panne ist ihm offensichtlich egal, er will uns unbedingt in sein Haus einladen - offensichtlich ein Souvenirgeschäft! Wir lehnen dankend ab, da unsere (angeblichen) Freunde in der Stadt auf uns warten würden und wir leider keine Zeit hätten. Das war also eine der einfallsreichen Fallen, um Touristen in einen Teppichladen zu locken. Dort werden sie dann bewirtet, und schließlich werden ihnen die Souvenirs vorgeführt. Als Dank für die Bewirtung fühlen sich dann viele zu einem Kauf genötigt. Froh, dass wir dem Touristennepp entkommen sind, wühlen wir uns durch den Verkehr der Stadt, finden aber recht rasch unser im Reiseführer empfohlenes Hotel. Nach der heißen Dusche wollen wir die Umgebung noch etwas zu Fuß erkunden, bleiben aber vor Vronis Transalp hängen, da sich darunter eine große Benzinlache gebildet hat. Die Ursache ist schnell gefunden, ein poröser Kraftstoffschlauch am rechten Benzinhahn. Zum Glück kommt der Portier gleich zu Hilfe und bringt uns ein Stück passenden Gartenschlauch als Ersatz. Nun brauchen wir nur noch zu hoffen, dass der Wasserschlauch auch benzinfest ist (bis wir wieder zu Hause waren, hat er dann auch gehalten).

Nach dem Frühstück fahren wir weiter nach Süden, überwinden den 1.660 Meter hohen Tizi-n-Tinififft und rollen durch das palmengesäumte Vallée du Drâa nach Zagora. Die Sonne scheint, es ist warm, die Leute am Straßenrand winken uns freundlich zu, was wollen wir mehr. In Zagora steigen wir im noch von der Tour 96/97 gut in Erinnerung liegendem Hotel Kashba Asmaa ab. Hier ist eine Atmosphäre wie in "Tausend und einer Nacht". Überall Palmen und schattenspendende Orangenbäume, kleine Nischen in denen man seinen Drink nehmen kann und endlich T-Shirt-Temperaturen. Am Nachmittag erkunden wir den großen Markt von Zagora. Hier herrscht ein riesiges Gedränge, Marktschreier preisen ihre Waren an, Eselskarren bahnen sich ihren Weg durch die Massen, und mittendrin spielen Kinder. Die meisten Waren entsprechen eher nicht dem mitteleuropäischen Geschmack, ich glaube viele der Sachen würden bei uns eher im Müll landen. Die Obst- und Gemüsestände sind natürlich sehr farbenprächtig und lassen uns das Wasser im Munde zusammenlaufen. Die Stände, an denen Hühner, Gänse, Ziegen und Schafe feilgeboten werden, sind für unsere Augen eher ein Bild des Jammers. In viel zu engen Käfigen oder fest zusammengebunden kauern die Tiere ihrem Schicksal entgegen. Nach den Erlebnissen auf dem Markt haben wir Hunger und suchen uns ein kleines Restaurant, in dem man auch am Ramadan eine Kleinigkeit bekommt. Wir laben uns am frisch gepressten Orangensaft und essen dazu ein Omelette. Danach lasse ich mich im Friseurgeschäft nebenan fachgerecht rasieren, das ist immer wieder ein erfrischendes Erlebnis. Obwohl es hier sehr schön ist, beschließen wir abends im Hotelrestaurant uns am nächsten Tag auf den Rückweg zu machen. Wir wollen noch ein paar Tage in Spanien verbringen, wo wir nicht durch den Ramadan in einer unserer Lieblingsbeschäftigungen eingeschränkt werden, nämlich uns unterwegs irgendwo in ein Freiluft-Café zu setzen und das Geschehen um uns herum zu beobachten.

Wir durchschneiden wieder das altbekannte Drâa Tal, diesmal nach Norden und fahren bis Tansikth, wo wir an einer Gabelung nach rechts, Richtung Nekob, abbiegen. Nun gibt es zwar nichts Neues mehr auf der Strecke, da wir den gleichen Weg schon auf der Herfahrt benutzt haben, doch ist die Landschaft atemberaubend schön und sieht in anderer Richtung befahren auch irgendwie anders aus. Über Tazzarine geht es auf schmalen Sträßchen bis nach Rissani. Unterwegs haben wir ein kleines Spritproblem, an einer Tankstelle gibt es kein Superbenzin für die KTM. Soll ich trotzdem ein paar Liter Normalbenzin tanken, so dass es bis zur nächsten Tanke reicht? Nein, ich versuche es so. Seit dem letzten Tanken stehen erst 340 km auf der Uhr, der restliche Sprit im Tank sollte ohne Probleme noch 100 km reichen, weit genug um mindestens eine Tankstelle zu finden. Mitten im Nichts wird Vroni auf einmal langsamer. Ich halte an und warte, bis sie zu mir aufgeschlossen hat. "Die Maschine fährt auf einmal so komisch", sagt sie. Ich steige ab, und schon sehe ich die Bescherung, der Hinterreifen ist platt. Nun gut, es ist nicht zu ändern. Die Transalp wird auf den Hauptständer gestellt und der Reifen untersucht. Ein handbreit langer Nagel hat sich in den Reifen gebohrt und dafür gesorgt, dass diesem die Luft ausgeht. Rasch ist das Rad ausgebaut und der Reifen abmontiert. Ein neuer Schlauch wird eingezogen und - Ungeschick, dein Name ist Carlo - mit der letzten Montierhebelbewegung habe ich ein Loch in den neuen Schlauch gemacht. Jetzt fliegt erst mal der Montierhebel 10 Meter weit in den Sand, gefolgt von einem lauten Fluch. Dann packe ich das Flickzeug aus und versuche, das Loch zu schließen. Eigenartigerweise hält der verdammte Flicken nicht auf dem Schlauch. Ich nehme den anderen defekten Schlauch und versuche dort mein Glück. So richtig will der Flicken auch dort nicht halten, aber am Ende kriege ich das Loch doch einigermaßen dicht. Nach dieser Aktion wird alles wieder zusammengebaut und es geht weiter.

In Erfoud wollen wir noch schnell Geld wechseln. Vroni geht in die Bank. Nach einer Stunde schließt die Bank, und Vroni ist noch drin. Fast eine weitere Stunde dauert es dann noch, bis sie endlich aus der Hintertür entlassen wird, zum Glück mit dem Geld. Geldwechseln in einer marokkanischen Bank ist immer wieder ein (langwieriges) Erlebnis. Ein Stück hinter Er Rachidia prasselt auf einmal ein Steinregen auf uns nieder. Im Rückspiegel sehe ich die Kinder davonrennen. Ruck zuck drehe ich um und fahre ihnen hinterher. Damit sie schneller rennen können, werfen sie ihre Schulranzen weg. Ich halte an, sammele ein paar ein und hänge sie an meine Koffer. Dann fahre ich mit der Last zwei oder drei Kilometer weiter und lasse die Taschen im Straßengraben liegen, wo sie sicher irgendwann wieder gefunden werden. Hoffentlich ist das eine Lektion für die kleinen Steinewerfer. Je weiter wir nach Norden kommen und um so höher wir die Berge hinauf fahren, desto kälter, ja sogar schweinekalt, wird es. Am Abend erreichen wir den 1.900 Meter hohen Col de Taglamt. Wir staunen nicht schlecht, als kurz vor der Passhöhe die Straße mit ca. fünf Zentimeter Schnee bedeckt ist. Vorsichtig überqueren wir den Pass, komischerweise liegt gerade in den Kurven das Meiste von dem rutschigen Zeug. Mittlerweile dämmert es schon und wir sind froh, dass wir die Rutschpartie gut überstanden haben und endlich in Midelt, im Hotel mit der heißen Badewanne, ankommen.

Als wir am nächsten Morgen losfahren ist es bitterkalt. Der spärliche Bewuchs am Straßenrand ist mit Raureif überzogen und der kalte Wind schneidet mir ins durch den Crosshelm ins Gesicht. Wäre ich nur mit der Transalp gefahren, denke ich mir die ganze Zeit, da hätte ich wenigstens eine Griffheizung dran. Nach knapp acht Kilometern müssen wir links abbiegen. Der tolle Ausblick auf die verschneiten Berge auf der rechten Seite lenkt mich ab und da passiert es schon. Die Maschine dreht sich wie ein Kreisel um 180°, wirft mich auf halber Strecke ab und bleibt unter schürfenden Geräusch liegen. Sofort stürzen ein paar Marokkaner herbei, die in der Nähe auf eine Mitfahrgelegenheit gewartet haben. Doch ich stehe schon wieder und wuchte die Maschine auf die Räder. Die Situation ist mir peinlich und so fahren wir erst einmal ein Stück weiter und betrachten uns die Schäden etwas abseits von der Straße, wo keine Zuschauer mehr sind. Meine Knochen sind alle heil und die Bekleidung eigentlich unbeschädigt. Die KTM ist günstig gefallen, nur die Reifen und der linke Koffer haben den Boden berührt. Der Koffer hat den Sturz im wahrsten Sinne des Wortes etwas krumm genommen, aber sonst ist alles in Ordnung, ein Glück. Mit etwas schnellerem Puls setzen wir unseren Weg fort. Die letzten ca. 400 Kilometer führen uns auf dem altbekannten Weg von Midelt über Missour, Outat-Oulad-El-Haj und Guercif nach Nador. Im Hafen besorgen wir uns die Tickets und warten dann in einem Restaurant auf die Abfahrt der Fähre. Beim Essen stellen wir fest, dass es in diesem Jahr besonders kalt in Marokko war, einzige Ausnahme war Zagora. Natürlich ist auch hier Winter, und so weit sind wir nun auch nicht von Mitteleuropa entfernt, aber in den letzten beiden Jahren war es (bis auf die Dadesschlucht) im Mittel doch wärmer. Doch das wird uns in Zukunft nicht von weiteren Reisen nach Marokko besonders zu dieser Jahreszeit abhalten, dafür ist das Land zu schön. Die Planungen für M2k (Marokko 2000) sind schon voll am laufen.