Marokko 2001 - Bericht


Der Himmel ist grau, es ist kalt und der Wind bläst uns fast von der Straße. Dazu ist die fast schnurgerade Straße von Oujda nach Figuig noch todlangweilig. An einem Stausee wird die gerade Strecke durch ein paar Kurven unterbrochen, aber aus irgendwelchen Gründen ist der Fahrbahnbelag spiegelglatt. Langsam tasten wir uns die Hügel hinauf und hinab und hoffen, dass der Asphalt wieder griffiger wird. Zur Mittagszeit verlassen wir das graue Band und schlagen uns durch steiniges Gelände zu einer Ruine durch, in deren Windschatten wir uns stärken wollen. Das marokkanische Brot und das deutsche BSE-Risikomaterial (Kalbsleberwurst) harmonieren ganz gut, dazu gibt es Wasser, dessen Geschmack mit Vitamintabletten verfeinert wurde. Nach der "Schlemmerei" geht die anstrengende Fahrt weiter, einziger Lichtblick: je weiter wir nach Süden kommen, desto besser scheint das Wetter zu werden.

Nachmittags erreichen wir den Einstieg zur sogenannten verbotenen Piste. Wie schon im letzten Jahr, winken uns die Soldaten an der Funkstation freundlich zu und wir lassen den Staub aufwirbeln. Nach einigen Kilometern machen wir eine kurze Pause, dabei entdeckt Michael, das ich die rechte Schraube meiner unteren Rahmenheckbefestigung verloren habe und eine weitere Schraube wohl etwas zu lang ist und an meiner Schwinge gestreift hat. Philip packt seinen Schraubenkasten aus und wir finden die notwendigen Größen. Diesmal setze ich die Schrauben mit Loctite ein, so was soll mir nicht mehr passieren. Dann hüpfen wir weiter die Piste entlang, durchqueren ausgetrocknete Flussbetten und zirkeln durch Gebiete mit kindskopfgroßen Steinen. An einem durch Erosion entstandenen Graben stelle ich mich blöde an und bringe die Maschine zu Fall. So ein Ärger, immer ich. Aber gleichzeitig eine gute Gelegenheit, nach einem Lagerplatz für die Nacht Ausschau zu halten. Philip findet ein geeignetes Plätzchen abseits der Piste. Während die anderen beiden die Zelte aufbauen, fange ich schon mal an Holz für das Lagerfeuer zu sammeln. Das Lagerfeuer ist auch bitter nötig, da die Pumpe an meinem Benzinkocher nicht funktioniert. Ich könnte mir sonst wohin beißen, zwei Wochen zuvor war ich noch beim Woick und hatte ein Reparaturset dafür in der Hand. Wir übergießen den oberen Teil des Kochers mit Benzin und zünden es an, um durch die Wärme doch noch einen Druck aufbauen zu können. Schließlich brennt der Kocher mehr schlecht als recht, aber es reicht um die Nudeln warm zu kriegen, die Soße kocht Phil über dem Lagerfeuer.

Nach einigen mehr oder weniger schwierigen Flussbettdurchfahrten erreichen wir am Vormittag Mengoub und damit das Ende der verbotenen Piste. Als wir in das Dorf kommen, laufen die Bewohner zusammen um uns zu begrüßen. Jeder will uns die Hand reichen. Sogar einige der Polizisten, die hier unmittelbar an der algerischen Grenze stationiert sind, freuen sich über unseren Besuch. Danach fahren wir einige Kilometer auf Asphalt weiter, um schon bald auf das nächste Pistenstück einzubiegen. Dieser Weg ist ziemlich steinig, aber gut zu befahren. Anscheinend gab es in letzter Zeit sehr starke Regenfälle, die Piste in von zahllosen nun trockenen Flussbetten unterbrochen und viele der früheren Durchfahrmöglichkeiten wurden weggeschwemmt. Ständig müssen wir uns neue Wege durch die tiefen Rinnen suchen und manchmal auch gegenseitig beim Durchqueren helfen. Aber genau so wollten wir es haben. In Beni Tajjite kaufen wir Brot und Wasser ein und setzen unseren steinigen Weg fort. Hinter dem Ort muss es laut Karte (Papier und GPS) eine mehr nördlich gelegene Piste nach Westen geben. Trotz umfangreicher Suche finden wir sie jedoch nicht. Dafür finden wir einen schön gelegenen Lagerplatz für die Nacht, schön idyllisch unter Palmen (na ja, zumindest eine Palme ist da). Wir teilen wieder die Arbeit auf, Phil und Michael bauen die Zelte auf und ich stürze mich, mit der Säge meines Schweizer Messers bewaffnet, auf das dornenreiche Gestrüpp und sammele Feuerholz. Gekocht wird wieder über dem offenen Feuer. Unser Lager liegt in weit über tausend Meter Höhe, deshalb ist es nach Sonnenuntergang recht frisch und schon gegen 19:00 Uhr liegen wir im Schlafsack. Am Morgen werden wir wieder durch die aufgehende Sonne geweckt und nach dem Frühstück geht die Suche nach der Piste weiter.

Als wir eine kleine Ebene durchqueren, stürze ich zwischen den hier reichlich vorhandenen großen Steinen und da Phil und Michael schon weitergefahren sind, muss ich die Fuhre alleine aufheben und zusehen, wie ich aus dem Loch wieder rauskomme. Wieder bei den anderen angekommen, beschließen wir die Suche aufzugeben und auf der mittleren und auch tatsächlich vorhandenen Piste weiterzufahren. Nach einiger Zeit endet die Piste am Rande eines tiefen Einschnitts. An einer flachen Stelle überqueren wir das spärlich mit Wasser gefüllte Flussbett und arbeiten uns die gegenüberliegende Anhöhe hinauf. Hier steht eine Fabrikruine, in deren Schatten wir eine Pause einlegen. Von da aus führt eine kleine Piste durch ein weiteres Flussbett und an das östliche Ufer eines schönen Canyons. Diesem Tal folgen wir weiter nach Süden, bis wir die Asphaltstraße nach Boudnib erreichen. Hier fahren wir bis fast zur Ortsgrenze und biegen an einem Polizeiposten auf eine südwestlich führende Piste, Richtung Erfoud ab. Die Strecke ist zunächst noch sandig, wird aber immer steiniger. Mir tut es richtig weh, wie ich mit den Reifen über die Spitzen und Kanten rollen muss. Dennoch machen wir teilweise richtig Tempo, bis Michael nicht mehr hinter uns ist. Zuerst warten wir ein paar Minuten, dann drehen wir um. Nach kurzer Zeit finden wir ihn auf der Piste, das luftlose Hinterrad schon ausgebaut. Der Schlauch hat einen sogenannten Schlangenbiss. Ein spitzer Stein hat den Reifen bis auf die Felge eingedrückt und den Schlauch auf Ober- und Unterseite perforiert. Die beiden Löcher sehen aus, als wenn eine Giftschlange zugebissen hätte, daher der ausgefallene Name. Wir flicken den Schlauch und schon kurze Zeit später setzen wir die Fahrt fort. Auf dieser Strecke fange ich mir irgendwie einen Husten ein, der mich bis zurück in die Heimat begleiten sollte. Etwas nördlich von Erfoud erreichen wir das Teerband am Auslauf des Gorges du Ziz und rollen weiter nach Erfoud hinein. In Richtung Merzouga sieht der Himmel nach Sandsturm aus, deshalb beschließen wir die Nacht hier in einem Hotel zu bleiben. Nachdem wir unser Gepäck abgeladen haben, fahren wir an eine Tankstelle und checken die Maschinen durch. Luftfilter reinigen, Schrauben kontrollieren, auftanken usw. Dann geht es endlich unter die Dusche. Abends essen wir gemütlich im Hotel, sind aber so müde, dass wir nicht lange auf bleiben.

Bevor wir zum Erg Chebbi fahren, machen wir noch einen kleinen Abstecher zur Himmelstreppe. Diese überdimensionale Treppe wurde vom Künstler Hansjörg Voth geschaffen und steht zur freien Besichtigung bei Hassi Romi, nördlich von Erfoud. Schon von der Straße aus kann man die Treppe fast am Horizont erkennen. Nur, wie kommen wir dorthin? Wir finden nirgends den beschriebenen Einstieg und arbeiten uns deshalb erst einmal querfeldein vor. Irgendwann treffen wir einen Jungen, der uns schließlich einen möglichen Weg zeigt. Nach dem Durchqueren eines breiten Queds finden wir dann auch eine weitere Piste, doch die führt uns weiter weg, statt zur Treppe hin. Wieder fahren wir ein Stück querfeldein, durchmessen ein kleines Dünenfeld und erreichen schließlich das Kunstwerk. Während wir fotografieren, kommen ein paar Kinder näher, die in der Nähe ihre Ziegen weiden. Interessiert schauen sie, was wir alles so aus- und wieder einpacken und fragen nach Bonbons, Kugelschreiber usw. Wir haben jedoch nicht dabei, was wir ihnen überlassen könnten. Einige Zeit später fahren wir wieder Richtung Straße zurück, nehmen aber einen anderen Weg. Als wir die letzen Dünen hinter uns lassen, drehe ich mich um, um nach den anderen zu sehen und sehe gerade noch, wie Phil sich an der letzten Düne ablegt. Zum Glück ist nichts passiert und wir fahren weiter. Bald erreichen wir wieder das Flussbett, das hier allerdings noch weicher und mit vielen großen Steinen gespickt ist. Auf der anderen Seite müssen wir dann einen zerfurchten steilen Weg hochfahren und befinden uns dann inmitten der Oasengärten. Nachdem wir zwischen den einzelnen Parzellen unseren Weg gesucht haben, erreichen wir die Straße. Hier haben wir bei der Suche nach dem Einstieg schon gestanden, aber im Wirrwahr der Feldwege den rechten Weg nicht gefunden.

Nun geht es wieder nach Erfoud zurück. Hier tanken wir alles auf, die beiden anderen auch ihre Ersatzkanister und ich zusätzlich meine Hecktanks, weil wir später für die Strecke von Merzouga nach Zagora viel Sprit brauchen werden. Da heute der Ramadan vorbei ist, sitzen wir nach dem Tanken erst einmal lange in einem der Straßencafes, genießen den üblichen Pfefferminztee und kühle Colas und schauen dem bunten Treiben auf den Straßen zu. Nachmittags fahren wir weiter in Richtung Merzouga. Am Ortsausgang müssen wir noch eine ausgetrocknete Furt durchqueren, dabei gibt Phil etwas zuviel Gas, sein Hinterrad wirft ein paar dicke Steine nach hinten und einer von denen trifft meinen Acerbis-Rückspiegel, worauf dessen Glas in tausend Teile zerspringt.Nun gut, der Spiegel taugte eh nichts, aber ab jetzt muss ich mich immer umdrehen, wenn ich voraus fahre. Phil erinnert sich an seine letzte Marokko-Tour vor 5 Jahren und will uns zu einem Ausgrabungshügel Abseits der Straße führen. Wir irren lange herum und finden ihn nicht mehr. Erst als wir uns zum Weiterfahren entschließen, finden wir zufällig den mit einer Stelle bestückten Hügel. Neben dem Hügel stehen ein paar Hütten, wo Fossilien verkauft werden. Wir werden dort zu Tee eingeladen und suchen uns einige Versteinerungen aus, um die wir hartnäckig feilschen. Schließlich sind alle mit dem ausgehandelten Preis zufrieden und wir fahren weiter.

Die Piste oder besser die kilometerbreiten Pistenbündel zum Erg Chebbi sind auch nicht mehr das, was sie früher waren. Inzwischen gibt es eine schöne Hauptpiste, die mit weiß angemalten Steinen gekennzeichnet ist und wir vermuten, dass schon bald eine geteerte Straße zu den großen Sanddünen führen wird. Wir suchen uns eine andere Piste, etwas abseits der gekennzeichneten Route und ziehen lange Staubfahnen hinter uns her bis wir Merzouga erreichen. Nicht weit hinter dem Ort ist der Campingplatz Ksar Sania, unser heutiges Ziel. Nachdem die Zelte stehen, heute brauche ich kein Holz zu sammeln, genießen wir unser übliches Kaltgetränk auf der Terrasse des Restaurants. Kurz vor Sonnenuntergang erkunden wir dann zu Fuß die Sanddünen, bevor wir uns für das Abendessen fertig machen.

Nach dem Frühstück fahren wir ein Stück Richtung Norden zu einem kleinen See. Die Enttäuschung ist aber groß, statt wie in früheren Jahren Wasser und Flamingos gibt es nur eine trockene Ebene und ein paar Kamele. Durch das Gebüsch am ehemaligen Ufer arbeiten wir uns wieder in Richtung Dünen durch, fahren einige Kilometer parallel zum Erg und biegen dann ab zwischen die Dünen. Hier wollen wir etwas im Sand spielen. Nachdem ich einige Sandhügel überquert habe, höre ich eine Hupe. Ich stelle meine Maschine ab und gehe ein Stück zurück, um Phil zu helfen seine Twin wieder aufzurichten. Kaum steht sie wieder, muss ich zu Michael, um ihm zu helfen seine Kati wieder auszugraben. Dann versuche ich wieder ein paar Meter zu fahren, muss aber schon bald wieder vom einen zum anderen laufen um beim Graben zu helfen. Meine Erkältung macht mir heute zu schaffen, die Verbindungen der Neben- und sonstigen Höhlen in meinem Kopf sind zu und der Druck schmerzt etwas. Phil findet den Sand weicher als früher und hat auch nicht mehr die rechte Lust. Auf kleinen Umwegen fahren wir zum Camp zurück und belagern die Terrasse. Michael hat aber keine Ruhe und macht sich alleine noch mal auf den Weg in die Dünen um sich auszutoben. Phil und ich wollen lieber faulenzen und arbeiten noch mal die Karten für die nächste Etappe durch. Am Abend versuchen wir in Merzouga Sprit zu bekommen, aber in den einschlägigen Hinterhöfen gibt es kein Super mehr und zu wenig Normalbenzin. Ein Einheimischer schwingt sich bei Phil hinten drauf und wir müssen noch zwei Ortschaften weiter fahren, bis wir genug Sprit bekommen. Michael und ich teilen uns die vorhandenen 5 Liter Super und füllen den Rest mit Normal auf. Für Phils Twin reicht Normalbenzin völlig aus. Der Literpreis ist kaum teurer als an einer normalen Tankstelle - die nächste wäre 50 Kilometer entfernt in Erfoud - ich hatte eigentlich schon mit dem doppelten Preis gerechnet.

Schwer mit dem zusätzlichen Kraftstoff beladen, starten wir zu unserer Tour nach Zagora. Auf dem Weg nach Taouz verliert Michael fast seinen Ersatzkanister, der bleibt aber noch an einem der Gurte hängen, pendelt hin und her und haut den rechten hinteren Blinker kaputt. Ein wenig Schwund ist halt immer drin ... Die Piste ist zunächst etwas sandig, wird immer steiniger, bleibt aber gut fahrbar. Ab Taouz fahren zwei Geländewagen vor uns her. Wir sind zwar schneller, können die beiden auf der schmalen Piste aber nicht überholen. Neben der Piste ist das Gelände nicht befahrbar, also müssen wir ab und an eine Pause machen, um nicht in der Staubwolke der Autos fahren zu müssen. Bei einem kleinen Dorf müssen wir unsere geplante Route verlassen, da die Piste immer unwegsamer wird und sich schließlich verliert. Wir folgen nun der Route eines Spaniers, der uns die Koordinaten vor der Marokko-Tour zukommen lassen hat. Ab hier wird die Piste wieder sandiger, dafür sind die beiden Geländewagen nicht mehr vor uns. In einem Sandfeld stürze ich, die Maschine kommt schmerzhaft auf meinem Bein zu liegen und ich kann mich nicht selbst befreien. Irgendwo gluckert langsam Sprit aus der Tankentlüftung. Obwohl es nur wenige Sekunden sind, kommt es mir ewig lang vor, bis die beiden anderen ihre Motorräder abgestellt haben und mir helfen können. Das Bein tut etwas weh und eine Naht am Stiefel ist etwas offen, aber eigentlich ist nichts passiert. Bei einem kleinen Dorf endet die Piste vor einem Dünenfeld. Ich will das Feld durchqueren, aber Phil meint, wir sollten einen anderen Weg suchen. Wir umkreisen das Ende der Piste mehr oder weniger systematisch und finden ein weiterführendes Pistenstück. Wir weichen zunächst vom geplanten Kurs ab, fahren einen Bogen und enden an einer anderen Stelle wieder am Dünenfeld. Nun müssen wir ein längeres Stück durch die sehr weichen Dünen fahren. Oft müssen wir uns gegenseitig ausgraben oder rausziehen. Die Strecke ist eine reine Tortur, doch bis zum gegenüberliegenden Bergzug, der gar nicht so weit weg aussieht, müssen wir uns noch durchschlagen. Nach einigem Graben und Durchwühlen haben wir es dann endlich geschafft. Wir durchqueren ein Qued und finden die richtige Piste wieder. Vor Freude geben wir etwas mehr Gas, unser Vorwärtsdrang wird aber schon bald durch plötzlich auftauchende tiefe Gräben begrenzt. Adrenalinstoß, voll in die Eisen, Maschine quergestellt und kurz vor dem Hindernis die Bremsen wieder auf, damit man gerade durchfahren kann. Das passiert uns mehrfach, bis wir uns endlich wieder zügeln und auf ein sicheres Tempo reduzieren.

Hinter einer weitläufigen Ebene finden wir einige Hügel mit Bewuchs, ein idealer Lagerplatz. Heute sind wir zu müde zum Holz sammeln, wir beschließen auf das Feuer zu verzichten und uns auf ein kaltes Abendessen zu beschränken. Michael will auch sein Zelt nicht aufbauen und draußen schlafen. Phil und ich wollen nicht frieren und bevorzugen die Arbeit des Zeltaufbaus. Während wir dann unser Brot mit Salami verspeisen, wachsen zwei Beduinen aus dem Boden und wollen Benzin haben. Da wir noch eine gute Strecke vor uns haben und nicht genau wissen, wie unser Verbrauch aussieht, müssen wir leider ablehnen. Der eine ist etwas ärgerlich darüber und will nicht einsehen, dass wir nicht genug haben, muss sich aber mit unserer Entscheidung abfinden. Wir haben keine Lust, wegen ein paar Liter Sprit in Bedrängnis zu kommen. Während wir im Zelt liegen, schwärmt der im Freien liegende Michael uns etwas vom Sternenhimmel vor, bis wir noch mal herauskriechen und uns auch noch mal das faszinierende Weltall anschauen. Später hören wir, wie Michael doch noch sein Zelt aufbaut, der kühle Nachtwind hat doch gesiegt.

Bevor wir die sandigen Hügel verlassen, lassen wir die Motoren etwas warmlaufen, damit wir sie nicht im kalten Zustand gleich so hoch drehen lassen müssen. Nach zwei Kilometern finden wir wieder zur Piste zurück und beginnen zu diskutieren. Phil meint, dass unsere Wasservorräte nicht für die Strecke nach Tagounite reichen würden, ich bin zwar anderer Meinung, aber zugunsten der Sicherheit lasse ich mich umstimmen. So fahren wir jetzt erst einmal Richtung Norden, nach Oum Irane, und treffen dort auf die Piste, die von Rissani nach Zagora führt. Ich kenne diese Piste noch vom letzten Jahr her, sie ist sehr steinig und reifenmordend. Einige Kilometer vor Zagora wähle ich eine etwas andere Strecke als im letzten Jahr und so umgehen wir eines der schlimmsten Pistenstücke, was aber nicht heißt, dass die nun gewählte Piste eine Autobahn wäre. Fast zwei Stunden holpern wir über große spitze Steine, bis wir endlich ein paar Kilometer südlich von Zagora die Teerstraße erreichen. Wir fahren direkt zu einem Restaurant an der Hauptstraße der Oasenstadt und essen und trinken nach Herzenslust. Nach der Stärkung rollen wir zum Campingplatz Sindibad, bauen unsere Zelte auf, sehen die Moppeds durch, waschen unsere Wäsche und Duschen endlich mal wieder gründlich. Nebenbei plaudern wir mit unseren Campingnachbarn über die bereits gefahrenen und noch vor uns liegenden Strecken. Den Abend verbringen wir wieder in der Stadt.

Zum Frühstücken gehen wir ins Camping-Restaurant. Während wir uns mit Kaffee, Milch und Marmeladenbrote begnügen, ziehen sich einige Spanier am Tisch gegenüber eine schöne Tüte rein. Am Morgen ein Joint und der Tag ... Heute wollen wir wieder einen Faulenzertag einlegen, das heißt so richtig faul sind wir nicht, denn wir traben kreuz und quer durch die Stadt, lassen uns beim Friseur rasieren und handeln mit den Verkäufern in den Läden herum. "Hirr nur gutte Preis, keine Schlawinerpreis", hören wir immer wieder, aber von wegen. Die Preise sind so was von überzogen, dass wir hier nichts kaufen wollen. Die vielen Touristen haben den Markt kaputt gemacht. Dann schlendern wir über den Markt von Zagora, von Schafs- und Ziegenköpfen über allerlei Nippes und Kitsch bis hin zu Autos und Esel wechselt hier alles den Besitzer. Es herrscht ein Gedränge und Geschiebe, ein schreien und rufen und fast alle Händler spielen mit ihren Mobiltelefonen herum - überall klingelt und piept es. Als wir uns in einem Café entspannen, sehen wir zwei Deutsche mit ihren KTM Adventures in die Tankstelle einbiegen. Natürlich laufen wir gleich hin. Die beiden sind völlig fertig, sie haben sich verfahren und sind den ganzen Tag um Zagora herum durch die Landschaft gedüst. Einige Stürze haben schon ihre Spuren an den nagelneuen Maschinen hinterlassen. Wir zeigen ihnen den Weg zum Campingplatz und verabreden uns für später. Auf dem Campingplatz lernen wir auch noch Fred mit einer Transalp und Rainer mit einer Ténéré kennen. Alle zusammen gehen wir Abends, es ist der Silvesterabend, zum Essen und zum Klönen. Zurück am Campingplatz gehen die beiden Adventurefahrer gleich in die Falle, sie wollen am nächsten Morgen früh raus. Fred, Rainer, Michael, Phil und ich halten noch eisern bis 24:00 aus und stoßen mit meinem restlichen Jackie aufs neue Jahr an, dann fallen auch wir müde in den Schlafsack.

Nachdem wir unser Lager abgebrochen und in der Stadt gefrühstückt haben, verlassen wir Zagora in westlicher Richtung. Nach einem kurzen Verfahrer finde ich den richtigen Pisteneinstieg nach Foum Zguid. Wir lassen uns durch ein breites Tal treiben, wo ab und an ein kleiner Hof steht und ein paar Ackerflächen bewirtschaftet werden. Gegen Mittag treffen wir auf einen Holländer, der alleine auf seiner BMW unterwegs ist, selbst für diese eher harmlose Piste ein nicht ganz ungefährliches unterfangen. Er schließt sich uns an und wir fahren ein Stück weit gemeinsam weiter, bis auf einem sehr steinigen Abschnitt durch die Rüttelei Phils Gepäckträger bricht. Während wir den Träger notdürftig reparieren, fährt der Holländer weiter. Einige Zeit später sind wir wieder unterwegs. Die Piste ist jetzt etwas angenehmer zu befahren und während Michael und ich fotografieren, fährt Phil schon mal weiter. Etwas später treffen wir auf Phil und den Holländer, die im Schatten unter einem Baum stehen. Phil kommt auf mich zu und sagt: "Bitte lach jetzt nicht, der Kardan an der BMW ist kaputt!" Zu dem "lach jetzt nicht" muss ich erklären, dass wir die ganze Zeit etwas über BMW (Michael hat noch eine HPN-BMW zuhause stehen) und ihre Unzuverlässigkeiten gefrotzelt haben, was Michael scharf dementiert hatte! OK, natürlich haben wir (zuerst) nicht gelacht, sondern versucht dem guten Mann zu helfen. Auf der Innenseite des Kardangehäuses hatte sich eine große Inbusschraube herausgedreht und hatte die Speichen des Hinterrades halb durchgeschliffen. Gleichzeitig schlotterte das Hinterrad durch die gelöste Schraube wie abgebrochen herum. Zum Befestigen der Schraube brauchen wir eine 12 mm Inbusschlüssel, den keiner von uns hat. Doch zum Glück haben wir ein japanisches Motorrad dabei. Wir schrauben eine Schraube an Phils Bremssattel (der Kopf hat 12 mm Schlüsselweite) heraus, kontern auf dem Gewinde zwei Muttern und haben nun einen prima 12er Inbusschlüssel, mit dem wir die Schraube anziehen. Das Rad ist nun wieder fest und wegen den angeschliffenen Speichen empfehlen wir dem Kuh-Treiber nun keine Pisten mehr zu fahren, auf der Straße sollten die Teile noch bis zur Fähre halten. Dann fahren wir gemeinsam bis Foum Zguid weiter. Während Phil seinen Gepäckträger schweißen lässt, sitzen Michael und ich in einem Café und plaudern mit einem deutschen Pärchen, die mit einem Land Rover unterwegs sind. Als Phil zurück ist, essen wir noch eine Kleinigkeit und fahren dann auf Asphalt weiter nach Tata. In unserem Reiseführer wird der Campingplatz von Tata nicht gerade lobend erwähnt, weshalb wir uns für ein Hotelzimmer entscheiden. In diesem Hotel war ich in den vergangenen Jahren schon mehrmals und richtig, es gibt schon wieder das gleiche Abendessen wie immer: Suppe, Hähnchen-Tajine und zum Nachtisch Bananen und Orangen. Vor dem Essen waren wir noch in der Stadt, eine Garnisonsstadt, die nicht allzu viel sehenswertes bieten kann. Im Unterschied zu vielen anderen Orten in Marokko wird man hier aber nicht von Kindern angebettelt oder von den Händlern in die Geschäfte gezogen.

Als nächstes Ziel stehen die blauen Felsen von Tafraoute auf dem Programm. Wir halten uns zunächst westlich und biegen dann nach Norden Richtung Taroudannt ab. Nach einigem Suchen finden wir zwischen Tagmout und Khemis Issafen auch die im Reiseführer beschriebene Piste, die uns nach Tafraoute bringen soll und die wir letztes Jahr vergeblich gesucht hatten. Diese Piste führt mehr oder weniger parallel zu einem Qued in die Berge hinauf und bietet fantastische Ausblicke in die Landschaft. Die Streckenführung ist schön gelegen, der Weg, bis auf sehr enge Kehren, auch nicht sonderlich schwierig. An einer Abzweigung bin ich froh, dass ich noch etwas arabisch lesen kann, vom Gefühl her währen wir sonst falsch abgebogen. Wir rollen ins Tal hinunter, folgen dem Qued ein Stück weit und steigen auf der anderen Seite wieder den Berg hinauf. Nach weiteren Kilometern erreichen wir die Teerstasse. Wir folgen dem Asphalt bis zu einer schön gelegenen Passhöhe mit Café, wo wir uns Cola und Café au Lait gönnen. Als wir so gemütlich in der Sonne sitzen und die Landschaft genießen, kommen die beiden Adventure-Fahrer aus Zagora vorbei geschossen, sehen uns und wenden gleich, um sich zu uns zu setzen. Die zwei sind einen anderen Weg wie wir gefahren und wollen auch nach Tafraoute. So setzen wir die weitere Fahrt gemeinsam fort. In Tafraoute haben die Banken noch zu, daher fahren wir zuerst zu den berühmten Felsen "Les Peintures". Der belgische Maler Jean Vérame hat einige der bis zu 30 Meter hohen Felsen in blau, rosa, schwarz usw. bemalt. Weitere Werke von ihm sind auch auf Korsika, auf dem Sinai und in Libyen zu finden. Bei den Felsen verabschieden wir uns von Steffen und Mike, sie wollen gleich weiter fahren. Wir verabreden uns für den 5. Januar in Quarzazate, wo wir gemeinsam das Lager der Rallye Paris-Dakar besuchen wollen. Auf der Fahrt zur Bank bemerken wir einen starken Ölverlust an Michaels KTM. Eigentlich wollten wir auch weiterfahren, es ist ja erst Mittag, doch unter diesen Umständen bleiben wir lieber hier auf dem Campingplatz und suchen nach dem Grund für den Ölverlust. Während Phil zur Bank fährt, baut Michael seine Maschine auseinander. Wir kontrollieren die Schrauben am Zylinderkopf und finden eine total lose Schraube und zwar die, welche die hintere Kipphebelwelle fixiert. Nachdem alles wieder angezogen ist, reinigt Michael den Motor und wir machen einen Dichtlauf, der zu unserer Zufriedenheit ausfällt. Eigentlich könnten wir jetzt doch weiterfahren, doch wir haben schon alles abgeladen und mit dem Campverwalter einen Preis für eine Hütte ausgehandelt, also bleiben wir über Nacht.

Bis zum 5. Januar haben wir noch zwei Tage Zeit. Genug um nach Essaouira am Atlantik und danach nach Marrakech zu fahren. Zunächst halten wir auf Agadir zu und fahren dann die Küstenstraße bis nach Essaouira hoch. Zu Michaels Leidwesen führt die Küstenstraße leider nicht immer an der Küste entlang, auch wenn sein GPS etwas anderes behauptet. In einer Kurve muss Philip plötzlich bremsen, sein Vorderreifen ist platt. Michael, der gerne etwas flotter fährt, ist schon vorne weg. Wir halten auf einem Parkstreifen an und bauen das Rad aus. Erst in einer großen Pfütze in der Nähe der Straße kann Phil das winzige Loch lokalisieren. Als Ursache finden wir einen winzig kleinen Akazienstachel, der sich durch die Lauffläche gebohrt hatte. Als wir gerade wieder das Werkzeug wegräumen, kommt Michael angefahren, er hatte uns anscheinend doch vermisst. Nachdem wir uns auf dem Campingplatz südlich von Essaouira eingerichtet haben, fahren wir in die von Portugiesen gegründete Stadt. Zuerst natürlich geht es in den malerischen Hafen, wo gerade einige Schiffe entladen werden und wir ein Foto nach dem anderen schießen. Vorbei an den Ständen mit frisch zubereitetem Fisch erreichen wir dann eine Art Fußgängerzone mit zahlreichen Geschäften und Cafés. Hier teilen wir uns ein Steh-Pizza gegen den gröbsten Hunger. Nachdem Michael den Sonnenuntergang auf die Platte gebannt hat, fahren wir zum Camp zurück. Nach einer eiskalten Dusche, die beiden anderen wollten dann doch nicht mehr unters Wasser, mussten wir bis 20:00 Uhr aufs Abendessen warten, was uns nicht leicht fiel. Doch die schmackhaften Speisen entschädigten uns fürs warten. Nach der Suppe wurden Shrimps serviert, als Hauptgang Hähnchen-Tajine mit Gemüse und Hirse und zuletzt eine Art Pudding. Dazu gab es einen herben, aber trotzdem leckeren marokkanischen Rotwein.

Die Strecke nach Marrakech ist zwar nur ca. 200 Kilometer lang, für uns ist sie trotzdem eine Tortur, weil es zum großen Teil sehr neblig ist. Ich kann nur mit offenem Visier fahren, das selbiges von innen und außen beschlägt und nicht freizuhalten ist. Nach ca. zwei Dritteln der Strecke scheint endlich wieder die Sonne und wir setzen uns zum Ausspannen und zum Frühstücken in ein Café. Die Ruhe vor dem Verkehrs-Sturm in Marrakech. Phil erinnert sich an ein günstig gelegenes Hotel in der Nähe des Altstadtkerns, das wir auch auf Anhieb finden. Die Moppeds kommen sicher in den Innenhof und wir in den zweiten Stock. Nach Wäsche waschen und Duschen stürzen wir uns in das Abenteuer des "Jema el Fna". Zwischen den zahlreichen Wahrsagern, Geschichtenerzählern, Schlangenbeschwörern und Gauklern, fühlt man sich richtig im Orient (obwohl Marokko von Deutschland aus gesehen im Okzident liegt). Die zahlreichen Gerüche und die sich überschlagende und von allen Seiten kommende Musik tut ihr übriges dazu. Vom Platz aus gehen wir in den direkt anschließenden Souk, wo wir eine ganze Weile umherlaufen und uns umsehen. Als Phil sich an einem Stand Hackfleischspieße braten lässt, schließen Michael und ich Wetten ab, wann er nach einem Klo schreien wird, doch der erwartete Durchfall bleibt aus. Dann schlendern wir in die Neustadt und stillen den ersten Hunger in einem modernen Schnellrestaurant. Auf dem Rückweg ruhen wir uns bis zur Dunkelheit auf dem Hotelzimmer aus, dann stürzen wir uns wieder auf den Platz. Inzwischen wurden zahlreiche Fressbuden aufgebaut und die Köche buhlen um jeden Kunden. Bei den Ständen mit gekochten Schaf- und Ziegenköpfen oder bei den Schnecken möchten wir dann doch nicht essen. Aber die Auswahl an Ständen und den verschiedensten Speisen ist groß, so dass auch wir etwas passendes finden. Während des Essens erzählt mir das ältere marokkanische Paar neben mir in einem Gemisch aus englisch, französisch und deutsch von ihren Kindern, die in Europa studiert haben und nun in Deutschland und der Schweiz leben. Als sie gehen, wünschen sie uns noch eine schöne Reise und einen angenehmen Aufenthalt. Nach dem Essen suchen wir uns den O-Saft Stand Nr. 6 und trinken uns an frisch gepresstem Orangensaft satt. Michael will noch fotografieren, Phil und ich gehen ins Internet-Café, später wollen wir uns wieder im Hotel treffen.

Als wir vor dem Hotel unsere Maschinen beladen, hat sich ein Ring schaulustiger Touristen gebildet, die unser Tun neugierig verfolgen. Zufällig kommen auch wieder einmal zwei holländische Pärchen vorbei, die mit einem Mietwagen unterwegs sind und die wir nach Foum Zguid, Tata und Tafraoute nun hier in Marrakech schon zum vierten Mal antreffen. Dann starten wir nach Quarzazate, doch zuerst müssen wir den 2.200 Meter hohen Tizi-n-Tichka überwinden. Wir schwingen von einer Kurve in die andere, jagen Berge hoch und wieder hinunter und haben viel Spaß am kurvenreichen Asphaltband. Solange bis Michael in einer Rechtskurve stürzt. Zum Glück passiert fast nichts, Michael hat ein paar Prellungen und die Kati ein paar Kratzer mehr. Ein paar Kilometer später ist auch noch Michaels Hinterreifen wieder platt. Ausgerechnet inmitten einer Kinderschar müssen wir den Schlauch flicken. Einer der beiden bereits aufgesetzten Flicken hatte sich gelöst und wird nun durch einen neuen ersetzt. Dann geht die Reise ohne Unterbrechungen weiter. Der Pass ist schneefrei, übrigens das erste Mal seit fünf Jahren, wo ich in dieser Gegend fahre. Wir gondeln die vielen Kurven bis Quarzazate runter und nehmen direkt den Weg zum Campingplatz. Nachdem die Motorräder entladen sind, fahren wir zum Flugplatz, wo das Rallye-Camp aufgebaut ist. Schon aus einiger Entfernung sehen wir das große Lager und parken die Maschinen erst einmal außerhalb. Da uns die Polizei nicht ohne Rallye-Ausweis ins Lager lassen will, gehen wir außen herum und rollen das Feld von der Seite her auf. Wir haben Glück, gerade kommen die Werksfahrer von ihrer Etappe zurück. Michael rennt natürlich gleich zu den BMWs, Phil und ich zu KTM. Meoni, Cox, Brucy, alle kommen gerade und stellen ihre Maschinen vor den Service-LKW. Alfie erzählt Phil, dass die Strecke sehr staubig war und er kaum überholen konnte. Dann schauen wir zu, wie die Maschinen gewartet werden. Verkleidung ab, Tanks runter und erst mal mit Druckluft den Staub weggeblasen. Räderwechsel, Bremsbelagwechsel und bei von Brucy wird noch die Schwinge gewechselt, da sie leicht beschädigt ist. Alle Leute sind nett und freundlich und zu Auskünften bereit. Dann gehen wir zu Mitsubishi rüber, weil Jutta Kleinschmidt und auch Fontenay gerade angekommen sind. Phil lässt sich von Jutta ein Autogramm geben und bewundert wie gut sie es hat, so am Tisch bei Käse und Rotwein. Bemerkenswert sind auch die Schlesser-Buggys und die LKWs, vor allem die Technik bei allen Fahrzeugen. Zurück bei KTM bemerken wir, dass die Michelin Deserts der Rallye-KTMs etwas anders aussehen als die herkömmlichen. Die Stollen sind kürzer und etwas anders geschnitten, offenbar ein Tribut an die höheren möglichen Geschwindigkeiten mit diesen Reifen. Auch die Montage der Reifen mit Mousse statt mit Schläuchen schein aufwändig zu sein. Wir schauen den Leuten von Euromaster beim Montieren zu. Jeweils zwei Leute müssen so einen Reifen montieren und diesen mit Hilfe von mehreren Ratschengurten auf der einen Seite ins Felgenbett drücken, um die andere Seite montieren zu können - nichts für uns Amateure. Hier treffen wir auch Steffen und Mike, die beiden Adventure-Fahrer wieder. Gemeinsam fahren wir nach Quarzazate rein um etwas zu essen. Nach dem Essen fahren Phil, Steffen und ich ins Internet-Café, Michael und Mike zurück zur Dakar. Nachdem wir unsere Elektronische Post erledigt haben fahren wir auch zur Dakar zurück, diesmal aber etwas frecher. Mit hoher Drehzahl lasse ich meinen offenen Auspuff röhren und fahre an den verduzten Polizisten vorbei, die mich für einen Teilnehmer halten, direkt ins Camp zum KTM-Standplatz. Dort unterhalten wir uns lange mit einigen Mechanikern und Offiziellen von KTM. Als die Mechaniker zum Essen gehen, laden sie uns zum Mitkommen ein, normalerweise würde keiner Ausweise kontrollieren. Leider wird heute doch kontrolliert, aber da wir sowieso gerade gegessen haben, ist es uns egal, wir können genießen auch so die Atmosphäre. Zurück auf dem Campingplatz treffen wir auch die beiden Freiburger Fred und Rainer wieder. Zusammen sitzen wir noch etwas vor dem Zelt und klönen.

Frühmorgens, es dämmert gerade und wir liegen noch im Zelt, hören wir die Motorengeräusche der ersten Starter bei der Rallye und den Start von diversen Flugzeugen. Die müssen los, wir können noch etwas liegen bleiben. Heute fahren wir in einem Bogen nach Tinerhir. Zunächst geht es nach Süden ins Drâa-Tal, dann biegen wir nach Osten ab, um hinter Nekob die Piste nach Norden über den Tizi-n-Tazzazert zu nehmen und schließlich nach Tinerhir zu kommen. In Agdz machen wir noch eine Kaffeepause, dann haben wir noch einige Kilometer Schonzeit auf Asphalt, bis wir auf die üble Steinpiste wechseln. Der Weg ist anfangs wirklich eines der schlechtesten Pistenstücke die ich je gefahren bin. Große Steine, scharfkantige Platten, überall ragen Spitzen aus dem Boden und wollen die Reifen aufschlitzen. Zum Glück wird die Piste nach einigen Kilometern besser, dafür ziehen wir wieder dicke Staubwolken hinter uns her. Als der Anstieg zum Pass beginnt, wird es wieder steiniger, aber einigermaßen gut zu fahren. Kurz vor der Passhöhe machen wir Pause und bewundern die schönen Ausblicke. Die Passabfahrt ist weniger spektakulär, aber dennoch schön. Im Tal bessert sich die Piste extrem so dass wir ohne Schwierigkeiten durch die Landschaft rollen können. Wir durchqueren wieder Gebiete mit etwas Ackerbau, wo sich das Auge am Grün der Pflanzen weiden kann, Steine können wir bald nicht mehr sehen. Die letzen Kilometer auf der Piste lassen wir es flotter angehen und erreichen am Nachmittag Tinerhir. Wir tanken voll und fahren dann noch ein paar Kilometer in Richtung Todra-Schlucht. Auf dem Campingplatz (Camping Atlas) nehmen wir uns ein Zimmer, da es hier auf 1.400 Meter Höhe in der Nacht sicher ziemlich kalt wird. Nach dem Abendessen gesellt sich ein netter Schotte mit seiner Frau zu uns und zaubert aus jeder seiner zahlreichen Taschen eine Dose deutsches Bier. Wir unterhalten uns lange und er erzählt von den Erlebnissen auf seinen Reisen.

Als wir aufstehen ist der Himmel tiefblau, aber trotz Sonne ist die Luft ziemlich kalt. Wir packen unser Werkzeug und die Ersatzteile zusammen, den wir wollen die Todra-Schlucht hinauf und über die Dades-Schlucht wieder hinunter fahren und haben keine Lust irgendwo da oben wegen eines kleinen Defekts in Schwierigkeiten zu kommen. Die Todra führt kaum Wasser, am Beginn der Schlucht ist nur eine seichte Furt zu durchqueren, der Rest der Schlucht ist leider trocken. So spitz wie die Steine in der Schlucht sind, habe ich sie gar nicht in Erinnerung, trotzdem kommen wir gut vorwärts. Leider ist es noch relativ früh, so dass die Sonne noch nicht so richtig in das enge Tal scheint und wir etwas frieren. Obwohl ich vor drei Jahren diese Runde schon einmal gefahren bin, finde ich den Übergang zur Dades-Schlucht nicht gleich, aber nach einigem Hin und Her passt es schon. Wir fahren einen steilen Berg hinauf und müssen uns wieder einmal über treppenstufenartige Steinplatten und durch ausgewaschene Rinnen arbeiten. Zum Glück weiß ich, dass dieses Stück nur wenige Kilometer lang ist. Nachdem wir uns immer höher hinaufgeschraubt haben, haben wir teilweise auch mit kleinen Schneefeldern zu kämpfen, die in den schattigen Kurven liegen. Es sind zwar schon Fahrspuren vorhanden, jedoch sind diese vereist und spiegelglatt. Als wir die 2.800 Meter hohe Passhöhe überwinden, bin ich froh, dass wir soweit gekommen sind. Wir haben zwar schönes Wetter, doch es ist hier oben eiskalt.

In der Ortschaft Msehir treffen wir auf drei Italiener mit ihren Motorrädern. Einer hat eine Africa Twin mit Koffern, Topcase und noch mehr Gepäck, einer eine tiefergelegte Transalp und der Dritte eine Ténéré, bei der jedoch die vordere Bremszange klemmt. Wir helfen ihnen mit Werkzeug aus, sie wollen nämlich den Bremskolben zurück drücken und er bleibt beharrlich in seiner Position, bis sie das Entlüftungsventil öffnen. Ich schaue mir inzwischen den Handbremshebel an. Na klar, das ist es. Die Burschen haben irgendeine Schraube in den Hebel gedreht um den Geberkolben zu betätigen, dabei das vorgeschriebene Spiel zwischen Schraube und Kolben nicht eingehalten, so dass der Kolben nicht zurück in seine Endstellung konnte und das Bodenventil nicht öffnen konnte. Beim Bremsen wurde die Bremsflüssigkeit warm und dehnte sich aus, da das Bodenventil geschlossen war konnte sich der Druck nicht abbauen und so wurden die Beläge immer fester an die Scheibe gepresst. Nachdem die Spezialisten das Entlüftungsventil geöffnet hatten, können sie nun auch keinen Druck mehr aufbauen. Gemeinsam wollen wir die Bremse entlüften. Wir schrauben den Deckel des Bremsflüssigkeitsbehälters ab und - finden kaum Bremsflüssigkeit vor, hauptsächlich eine kristallisierte Masse. Wir reinigen den Behälter, doch entlüften können wir nicht, da zuwenig Flüssigkeit da ist. In Anbetracht ihrer Gepäcksituation, des Pistenzustands und der nun untauglichen Vorderradbremse, raten wir ihnen ab über den Pass zu fahren. Sie sollen nach Boumalne fahren, die Bremsflüssigkeit wechseln und die Anlage anständig entlüften lassen. Dann setzen wir unseren Weg fort, bis Michaels Hinterreifen wieder platt ist. Kaum ist das Rad draußen, sind wir auch schon wieder von Kindern umringt. Wieder ist einer der Flicken lose und Philip pappt einen ganz großen Flicken über die gesamte Schadensstelle. Seit wir die Italiener getroffen haben sind wir auf Asphalt unterwegs. Mittlerweile ist die gesamte Dades-Schlucht frisch geteert, schade für die Schotterfreaks, aber sicher gut für die Bevölkerung hier oben. Weiter unten setzen wir uns in die Sonne und lassen uns in einem Café ein paar Omlets backen. Hier ist es schön warm und wir genießen die Ruhe. Kurz vor Boumalne treffen wir auf den Schotten und seine Frau und quatschen noch ein wenig zusammen. Die restlichen Kilometer bis Tinerhir sitzen wir dann auf einer Backe ab.

In der Nacht ist mir tierisch kalt und ich kann vor lauter Husten kaum schlafen. Zusätzlich werde ich von einem Durchfall geplagt - in Kombination mit dem Husten sicher kein Segen! Michael und Phil haben auch langsam genug erlebt, wir beschließen unsere Tour schon zwei Tage früher zu beenden und gen Heimat zu rollen. Bis Nador sind es von hier aus ca. 700 Kilometer, die sollten leicht in zwei Tagen zu packen sein. Mittags sind wir schon in Missour und haben mehr als die Hälfte der Strecke hinter uns. Beim Tanken stellen wir fest, dass Michaels Maschine wieder Öl verliert. Wir bauen den Tank ab und schauen nach. Die in Tafraoute nachgezogene Schraube ist abgerissen und liegt irgendwo auf dem Zylinderkopf. Michael reinigt die Stelle, Phil klebt die Schraube mit Dirko ein. Nach dem Mittagessen an der Tankstelle fahren wir weiter, wir wollen noch heute nach Nador und die Fähre am Abend nehmen. Unterwegs fängt Michaels KTM plötzlich das Qualmen an. Die Schraube ist wieder rausgefallen und das Öl auf den Krümmer gelaufen. Wir setzen die Schraube wieder neu ein, aber wie verhindern wir das Rausfallen? Wir klemmen alte Blechdosen und Taschentücher ein, aber das scheint alles nichts zu taugen. Irgendwas muss doch halten. Ich gehe um die Maschine herum und finde den am Motorgehäuse angeschraubten Gummi für den Kickstarter, der könnte doch passen. Ich schraube ihn ab und befestige ihn mit einer Schraube des hinteren Ventildeckels. Der Gummi drückt genau auf die Schraube, das sollte prima halten. Diese Konstruktion hielt, aber nicht der Hinterradschlauch. Schon wieder war das Teil platt. Diesmal legen wir einen neuen Schlauch ein. Super, aber 100 Kilometer später war das verfluchte Teil schon wieder platt. Wir bauen den Schlauch aus und finden Spuren von den Reifenmontierhebeln, die bei der Montage den neuen Schlauch gezwickt hatten - so ein Mist. Flicken drauf, wieder mühsam aufpumpen, einbauen und weiter. Drei Kilometer vor dem Hafen, es ist schon dunkel, hupt es hinter mir. Neiiiin! Michaels Reifen ist schon wieder platt. Wir bauen das Rad aus, Michael samt Rad fahren bei Phil hintendrauf mit bis zur in der Nähe liegenden Tankstelle, ich passe auf den Rest auf. Nach einer guten halben Stunde kommen sie mit dem Rad wieder, es zischt leise! Schnell einbauen, das muss bis zur Fähre halten, wir haben drei bar Druck draufgemacht. Die beiden haben zwar den Schlauch geflickt, beim Montieren aber wahrscheinlich wieder den Schlauch mit dem Montierhebel beschädigt. Michael und ich rasen in den Hafen, Phil sammelt noch das Werkzeug ein und kommt nach. Pünktlich vor der Fähre ist der Reifen wieder platt. Wir schieben die Kati in das Schiff und fertig.

Am nächsten Morgen schieben wir die Kati wieder raus und Michael wartet im Hafen. Phil und ich fahren zum Campingplatz. Ich fahre dann Michael mit Auto und Anhänger wieder holen. Nachdem alles verladen ist und wir endlich mal, wieder heiß geduscht haben, fahren wir in den Yachthafen von Aguadulce und gehen gemütlich Mittagessen. Dann setzen wir unsere Fahrt fort. 20 Kilometer hinter Almeria fahren wir auf einen Rastplatz, weil der Anhänger so vibriert. Beim linken Reifen des Anhängers fehlt ein Stück der Lauffläche! Das Pech verfolgt uns auf Schritt und Tritt. Wir fahren wieder nach Almeria zurück und finden einen Reifenhändler der offen hat und noch einen passenden Reifen für uns hat. Das war zum Glück die letzte Panne. Ca. 20 Stunden später rollen wir müde aber froh in Karlsruhe ein. Bei Michael hat die Heimfahrt bis Bochum noch mal 3,5 Stunden länger gedauert. Wohlverdient hat es auf der Sauerlandlinie geschneit wie hulle, und eine nette Schneedecke verhüllte die Fahrbahn. Das Salz der Streufahrzeuge konnte seiner Kati aber nichts anhaben, denn sie war schließlich mit Öl imprägniert ...