Tunesien 2002 - Bericht


Marcel flippt aus. Wir stehen an einer Tankstelle in Genua und gerade hat er den neuen gebrauchten 28 Liter Tank seiner Super Competition gefüllt, als ein schmales Rinnsal Benzin aus einem Löchlein an einer Kante im Tank ausfließt. Alles hat er gecheckt, nur den Tank hat er nicht mal voll gemacht. Der Tankwart verspricht Hilfe und führt uns zu einer kleinen Werkstatt in einer Seitenstraße. Leider können die „Fachleute“ uns auch nicht weiterhelfen. Mir fällt ein altes Hausmittel ein und ich gehe in den nächsten Laden ein paar Päckchen Kaugummi kaufen. Zu viert knatschen wir den Gummi weich, kleben in auf die Fehlstelle und fixieren den „Flicken“ mit Gewebeband. Der Tank sollte die ganze Reise über dicht bleiben ...

Nach dem langen Warten auf die verspätete Fähre, haben wir wenigstens Glück, dass wir über Beziehungen doch noch eine Kabine bekommen. Wir treffen nämlich einige Organisatoren der Rallye El Chott (Marcel und ich sind 1999 dort mitgefahren) auf der Fähre, die auf Erkundungstour für neue Strecken sind. Bei ihnen sind Leute abgesprungen, so dass eine Kabine übrig ist, die wir gerne übernehmen.

Etwas verspätet erreichen wir endlich tunesischem Boden. Die Formalitäten sind rasch erledigt, wir müssen nur noch durch das Tor. Ein Zöllner winkt uns nach vorne, aber das passt einem Geländewagenfahrer nicht. Langsam lässt er seinen Wagen nach vorne rollen, bis er die Maschine an den Packtaschen erwischt und mich langsam umdrückt. Gerade noch kann ich die Kati halten und Marcel meckert den Typ schon an, was das soll. Der Fahrer proletelt noch etwas rum (typisch deutscher Tourie) aber in der Zwischenzeit kann ich mich aus der Situation befreien und zum letzten Check vorfahren. Draußen treffen wir uns mit Dietmar und Markus, die wir auf der Fähre kennen gelernt haben. Sie sind auf einer 1150 GS bzw. F650 unterwegs und schließen sich uns für die erste Nacht in Tunesien an, da sie das erste Mal mit dem Motorrad hier sind und über einen Übernachtungstipp froh sind. Wir düsen gleich zur Bac vor, die uns über das Hafenbecken bringen soll. Leider fährt sie nur bis 21:00 Uhr und diese Zeit haben wir schon deutlich überschritten. So müssen wir doch über den Damm nach Tunis rein, biegen aber gleich nach Osten ab, Richtung Hammam Lif und stehen bald vor der Jugendherberge von Rades. Trotz Klingeln, Klopfen und Rufen macht uns aber niemand auf, schade. Ralf führt uns dann einige Kilometer weiter auf den Campingplatz La Pinede, wo wir uns zu sechst ein Zimmer im Hause des Chefs teilen. Bevor wir uns schlafen legen, fahren wir aber noch mal zum Ortseingang zurück, wo wir uns in einem kleinen Imbiss ein scharfes Abendmahl aus Kichererbsen, Brot, etwas Gemüse und vielen Gewürzen bereiten lassen.

Am Morgen trennen wir uns von den BMW-Fahrern. Die beiden wollen zunächst nach El Kef, wir aber möchten gleich Richtung Süden weiter. Bei Mokhtar wollen wir eine schöne Schotterstrecke fahren, finden aber nicht gleich den richtigen Weg. Egal, Wasserdurchfahrten und verspurten Sand finden wir auch hier, nicht aber den richtigen Abzweig für die geplante Strecke. Schließlich fahren wir einen großen Kreis und kommen zur Ausgangskreuzung zurück. Im Grunde nicht so schlimm, wenn nicht der Sprit langsam zu Neige gehen würde. Ein Stückchen weiter bleibt Marcel auch schon stehen, natürlich in einem wasserführenden Flussbett. Ich packe den Kocher aus (wegen der zugehörigen Benzinflasche) und Ralf zapft etwas Sprit von seiner Maschine ab. Wenige Kilometer später ist auch Stefans Adventure trocken. Ich rieche die Tankstelle förmlich, deshalb lassen wir Stefan ein paar Minuten warten, fahren zum Tanken und bringen ihm die gefüllte Kocherflasche, damit auch er zur Zapfsäule kommt. Auf Asphalt rollen wir dann nach Kasserine, Ralf kennt da noch ein Hotel von seiner letzten Tour. Das Haus ist etwas heruntergekommen, es gibt nur kaltes Wasser und als Empfehlung für die Küche ist die Eingangstreppe vollgekotzt. Nö, das muss es ja nicht gerade sein. Da der Reiseführer auch nichts besseres anzubieten hat, fahren wir in die Innenstadt zurück und fragen uns durch. Tatsächlich gibt es noch ein schönes Hotel, nicht ganz billig, aber wir handeln einen für beide Seiten akzeptablen Preis aus. Unsere Motorräder können wir in der Wäscherei gegenüber einschließen. Während Stefan und Ralf duschen, wechselt Marcel seine Hauptdüse und ich meine Leerlaufdüse. Seine Maschine lief zu fett, meine zu mager. Da wir in der ganzen Stadt zwar Fleisch und Nudeln, aber keinen Salat bekommen, gehen wir zweimal essen. Beim abendlichen Bier im Hotel, lustigerweise tragen die Gläser das Wappen der ehemaligen DDR, bekommen wir nämlich mit, dass es hier Salat gibt, den wir uns auch gleich zum Bier bestellen.

Die Nacht war wirklich arschkalt. Harte Männer wie wir schlafen nämlich nicht nur bei offenem Fenster, nein auch mit voll geöffneten Balkontüren. Da auch die Tagestemperaturen nicht sehr hoch zu werden scheinen, ziehen wir vorsichtshalber die langen Untermänner drunter - so viel zu den harten Männern :-) Dann lassen wir uns von Ralf zur Piste an der algerischen Grenze führen. Doch die Grenzposten möchten uns nicht wirklich fahren lassen. Freundlich aber bestimmt verwehren sie uns die Weiterfahrt. Dafür laden sie uns zu Kaffee und süßen Plätzchen ein, der Schotter wäre uns aber lieber gewesen. OK, Ralf hat einen weiteren Versuch verdient. Er sucht und findet den Einstieg zur sogenannten Rommelpiste, einem kaum noch vorhandenen Betonweg, der von der Hochebene zum Chott el Gharsa runterführt. Ziemlich am Anfang der Strecke liegt die Höhle, in der ein Teil des Films „Der englische Patient“ gedreht wurde. Wir schauen nur kurz rein, da hier ein paar jugendliche Händler etwas aufdringlich ihre Waren anpreisen. Wir kurven zwischen den Felsen zum Chott runter und toben über eine staubige Piste zur Asphaltstraße. Wenige Kilometer später versuchen wir direkt über den Chott nach Süden zu kommen. Doch es dauert nicht lange und wir brechen das Vorhaben ab. Die Regenfälle der Tage zuvor haben den Boden aufgeweicht und wir haben Angst im Salz zu versinken. Auf dem Rückweg zur Straße versenkt Marcel das Lenkerende seiner SC im weichen Sand - ja Marcel, ich hab’s genau gesehen, obwohl du schnell wieder gestanden hast ;-) Wiederum finden wir nicht den richtigen Weg nach Süden und fahren müssen einen weiten östlichen Bogen machen, um Richtung Tozeur zu kommen. Kurz vor Tozeur biegen wir nach El Mahassen ab und schauen uns die Schlucht bzw. die Felsen bei Sidi Bouhlel an, auf denen Obi-Wan Kenobi und Luke Skywalker im Film Star Wars gestanden haben.

Später, in Tozeur trinken wir stark überteuerte Cola und Kaffee, ab jetzt heißt es vorher nach dem Preis fragen. Marcel und Ralf kaufen Brot und Wasser ein, dann fahren wir auf diversen Pisten zu weiteren Filmkulissen von Star Wars, nämlich zur Raumstation Mos Eisley, von wo aus Luke und Obi-Wan mit Han Solo und Chewbacca zum Planeten Alderaan fliegen ihn aber nicht erreichen, da der Planet kurz vor deren Ankunft vom Todesstern des Imperiums zerstört wird. Von der Straße nach Westen biegen wir nördlich in Richtung einer Oase ab. Die Piste ist sandig und verspurt und verlangt nach einer starken Gashand. Marcel hat die besseren Nerven (bzw. er dreht beherzter am Gas) und schafft es immer wieder vorbei zu ziehen und mich einzustauben (der Seckel). Zwischendurch passieren wir zwei Oasen, bevor wir auf eine harte Piste einbiegen, auf der wir es recht flott laufen lassen. Auf dieser Strecke werden wir ziemlich durchgeschüttelt und ich verliere meine Wasserflasche, die ich unter das Gepäcknetz geklemmt habe. Die drei Liter im Camel Bak müssen jetzt halt auch reichen. Kurz vor dem Ziel erreichen wir die Sanddünen, hinter denen bzw. in denen die Filmkulissen aufgebaut wurden. Wir fahren gegen die untergehende Sonne durch die zahlreichen Spuren der Geländewagen, in denen Touristen zu den „Sehenswürdigkeiten“ gekarrt werden. Während Ralf und Stefan versuchen den Sand zu umfahren, nehmen Marcel und ich uns gleich die relativ hohen Dünen vor. Wegen der zahlreichen weichen Spuren der Autos muss ich heftig angasen und den Lenker gut festhalten. Hei, macht das Spaß, erst den Buckel hoch und hinten wieder steil runter. Dann erreichen wir eine Senke mit verschiedenen schönen Felsformationen und einem obligatorischen Beduinenzelt mit Verkaufsstand. Wir machen eine kurze Pause bis alle wieder zusammen sind, dann nehme ich die nächste Düne in Angriff. Ganz oben stehen vielleicht zehn Autos mit einem Haufen Touristen, die auf Mos Eisley im Sonnenuntergang blicken. Ich setze mich weit nach hinten und donnere mit Gas die Düne runter auf die Kulissen zu. Momentan herrscht Hochbetrieb. Über eine Piste werden massenhaft Leute in Autos und Bussen herangefahren, die sich die Filmkulissen anschauen wollen. Am „Eingang“ des mit einem Seil mehr schlecht als recht abgesperrten Geländes steht jemand und verlangt Eintritt. Mir ist das hier zu viel Trubel. Nachdem ich meine Maschine wieder aus der Traube der interessierten Leute befreit habe, fahre ich in einem weiten Bogen über einige niedrigere Dünen wieder zur Senke mit den Felsformationen zurück. Die anderen warten schon, denn es wird gleich dunkel und wir müssen uns noch einen Schlafplatz suchen. Im Dünental nebenan steht völlig unbeachtet eine weitere kleine Kulisse, die wir uns als Übernachtungsplatz aussuchen. Kaum haben wir mit dem Zeltaufbau begonnen, kommen schon einige Tunesier mit Kamelen an und wollen uns einen Kamelritt verkaufen. Dass wir sehr beschäftigt sind und wir vor der völligen Dunkelheit fertig sein wollen, interessiert sie nicht. Wir zeigen auf die Moppeds und sagen, dass wir unsere eigenen Kamele dabei haben. Unter großem Gelächter will einer seinen ca. zwölfjährigen Sohn gegen eine der KTMs eintauschen. Abgesehen davon, dass uns eine zwanzigjährige Tochter lieber wäre ;-) wollen wir nur auf das Geschäft eingehen, wenn der Sohn uns und das Gepäck genauso schnell durch den Sand trägt wie das Motorrad. Da mit uns also kein Geschäft zu machen ist, ziehen sie bald weiter und wir beginnen mit dem Kochen.

Die beiden Langschläfer Ralf und Marcel drehen fast durch, als ich gegen halb sieben meinen Motor starte. Zuerst fahre ich ein paar Aufwärmrunden durch die Dünen, dann geht’s zur Besichtigungstour zu den nun einsam dastehenden Kulissen. Alles besteht nur aus Holzgerüsten und Pappmache und alles ist schon in einem ziemlich desolaten Zustand. Trotzdem ist es interessant zu sehen, mit welch einfachen Mitteln man im Film tolle Effekte erzielen kann. Ein Holzgestell mit Schrottteilen aus Kühlschränken und Elektromotoren sind von weitem betrachtet nach einer High Tech Radaranlage aus. Ähnliche Gebilde stellen wichtig aussehende Klima- und Lüftungsanlagen für die Gebäude dar. Erstaunlich, wie echt im Film alles aussieht. Mittlerweile sind auch die anderen drei eingetroffen, mein „Verschwinden“ hat ihnen wohl keine Ruhe gelassen. Wir düsen noch ein wenig durch die Dünen, bevor wir unser Frühstück bereiten. Stefan erzählt, dass er sich an einer Düne überschlagen hätte und sich böse die Rippen geprellt hat. Der Maschine sei aber nichts passiert. Tatsächlich hat er Schwierigkeiten seine Motorradklamotten anzuziehen und den Rucksack überzustreifen. Hoffentlich hat das kein schlimmes Nachspiel. Nach dem Packen fahren wir auf der „Touristenpiste“ nach Nefta. Marcel sucht sich seinen eigenen Weg, verfährt sich kurz, aber nach einiger Zeit haben wir ihn wieder gefunden. In Nefta trinken wir Kaffee, leider ohne uns vorher nach dem Preis zu erkundigen. Für vier Gläschen möchte der Wirt fünf Dinar (knapp 4 Euro) haben, in den Bergen hatten wir maximal zwei Dinar für das gleiche bezahlt. Wir handeln mit dem Wirt herum, der gibt sich schließlich mit drei Dinar zufrieden und stellt als Dreingabe noch einen weiteren Kaffee hinzu.

Nach dem Tanken starten wir zur Umrundung des Chott el Jerid. Marcel stürzt sich voller Elan in den Chott und reißt das Gas bis zum Horizont auf. Wir anderen warten eine viertel Stunde, bis er seinen Fehler bemerkt und zurückkehrt. Schließlich haben wir eine Route für die richtige Strecke im GPS, wir wollen ja nicht auf nimmerwiedersehen im Salz verschwinden. Nach einem Bogen über das Salz, erreichen wir den Pisteneinstieg. Anfangs müssen wir uns durch tiefen verspurten Sand quälen, wobei die zahlreichen S-Kurven etwas problematisch sind, da wir hier nicht mit ordentlicher Geschwindigkeit durchfahren können. Weiter südlich wird der Untergrund steiniger und fester und wir lassen die Kisten fliegen. Es ist schon ein tolles Gefühl mit 80-90 Sachen über die Kuppen zu jagen und dabei das Vorderrad so weit in die Luft steigt, bis einem der Roadbookhalter gegen die Brust knallt und man ein Stück auf dem Hinterrad weiterfährt. Hier kann ich auch, dank der 640er Power, Marcels 400er in die Schranken weisen. Wenn’s fahrerisch nicht langt, dann muss es halt die Mehrleistung machen ;-)

Nach ca. hundert Kilometer Piste erreichen wir die Teerstraße nach Douz. Das Asphaltband zieht sich wie Gummi, einzig die zahlreichen Fata Morganas lenken etwas ab. Bei einer schöpferischen Pause stellen wir fest, dass ich das Führungsstück für den Kunststoffgabelschutz verloren habe. Dadurch hatte auch die Bremsleitung keine Führung mehr, ist beim Bremsen bzw. beim Einfedern abgeknickt und schleift nun hin und wieder am Reifen. Mit Kabelbindern versuchen wir die Leitung zu fixieren, was aber nicht einfach ist, da sie sich auch noch bewegen können muss. Zuhause muss auf jeden Fall eine neue Bremsleitung her, die Knicke lassen sich nicht mehr dauerhaft reversieren, dadurch knickt die Leitung bei jedem Einfedervorgang wieder ein und schleift am Rad. Doch von solchen Kleinigkeiten lassen wir uns nicht beeindrucken, weiter geht’s. Nach einem kleinen Schlenker über El Faouar, wo wir eine Imbisspause einlegen, kommen wir nach Douz und nehmen uns ein Zimmer. Sofort geht die Schrauberei los, Luftfilterkontrolle, Schrauben nachziehen usw. Marcel wechselt wieder mal seine Hauptdüse und ich muss meine Düsennadel höher hängen, da der Motor zwischen Leerlauf und 4000 min-1 ein Leistungsloch hat, weil sie zu mager läuft. Da hab ich bei der Vorbereitung zuhause Mist gebaut. Außerdem habe ich noch ein kleines Elektrikproblem bei der Spannungsversorgung des GPS zu lösen. Beim Schrauben stellen wir fest, dass das Federbein an Ralfs Adventure undicht ist und dass bei Stefans Maschine die Radlager vorn und hinten defekt sind. Mangels Ausklopfwerkzeug fahren Stefan und Marcel in eine Werkstatt in Douz und wechseln dort die Lager. An Ralfs Federbein kann man leider nichts machen.

Als wir nach Ksar Ghilane aufbrechen, müssen wir uns schon durch einen kleinen Sandsturm quälen. Das Fahren auf der Piste wird dadurch nicht einfacher. Unterwegs überholen wir 2 1100 GS-Piloten, die mit ihren schweren Fuhren schwer am wühlen sind. Einer von ihnen wirft sich Stefan direkt vor die Füße. Zum Glück passiert nichts, dennoch drehen die beiden um. Die knapp 30 Kilometer zum Café Port du Sahara sind auch für uns nicht ganz einfach, da der Sand in der Luft die Sicht erheblich erschwert. Endlich am Café angekommen, trinken wir Cola und Tee und treffen auf ein österreichisches Pärchen auf einer XR650 und einer 400er EXC, sowie auf einen schwer beladenen deutschen Africa Twin-Fahrer. Nach einer kurzen Unterhaltung setzen wir unseren Weg fort. Der Wind hat etwas nachgelassen und so können wir die Maschinen etwas laufen lassen. Der verspurte Sand verlangt sowieso nach einer etwas forcierten Gangart, so das Spaß und Zweck gleichermaßen erfüllt werden. Auf einer Anhöhe mit einem kleinen Turm verzweigt sich die Piste. Wir halten uns links und müssen nun dauernd ca. Halbmeter hohe Sandverwehungen auf der Piste überwinden. Am folgenden Abzweig halten wir uns wieder links. Die Sandverwehungen weichen verspurten Sandfeldern, die sich jedoch mit etwas Gas leicht meistern lassen. Dann beginnen die etwas höheren Dünen. Marcel und ich kommen recht einfach durch, Ralf hat noch ein Stück Titan vom Sturz im letzten Sommer in seinem linken Arm und tut sich etwas schwerer. Stefan ist durch seine Rippenprellung etwas gehandicapt, er kommt auf dem weichen Untergrund leider kaum zurecht. Statt in den Rasten zu stehen und ordentlich am Gas zu drehen, bleibt er sitzen und fußelt. Kein Wunder, dass er ständig stecken bleibt. Marcel und ich müssen öfter mal anhalten und Stefans Maschine ausgraben bzw. über schwierige Stücke fahren. Mit den Cross-Stiefeln im Sand laufen und die Maschine auszubuddeln macht uns fertiger als das Fahren selbst. Beim Versuch ein besonders heftiges Stück zu umgehen, fahren wir von einer Anhöhe aus zurück ins Tal und kommen am Café Bibane vorbei. Hier machen wir einen heftigen Fehler, der sich später rächen sollte, wir speichern nicht die Koordinaten des Cafés ab. Der Wind hat nun wieder stark zugenommen. In einem großen Bogen umgehen wir dann eine Anhöhe mit höheren Sandanhäufungen und erklimmen dafür einen weiteren kleinen Berg. Die Fahrt hinauf ist nicht so schwer, da die Sanddünen nicht so hoch sind, dafür haben sie sich auf der Rückseite doppelt und dreifach angehäuft. Da wir gegen den Wind fahren, müssen wir die Dünen von der steilen Seite her überwinden. Jetzt machen wir erst einmal eine längere Pause und stärken uns mit Müsliriegeln und Wasser. Nachdem wir unsere Fahrtrichtung auf den nächsten Waypoint ausgerichtet haben, fährt Marcel vor, um den besten Weg für uns zu erkunden. Stefan soll ihm folgen und an ihm dran bleiben, doch er packt den Anschluss nicht und sitzt gleich wieder fest. Ich bringe seine Maschine wieder in die richtige Richtung und mache mich dann selbst auf den Weg. Weil es so gut läuft, fahre ich eine ganze Weile voraus, bis ich in einer Verwehung stecken bleibe. Von den anderen ist weit und breit nichts zu sehen. Ich stelle mich auf eine höhere Düne um einen besseren Überblick zu haben. Nichts. Niemand zu sehen, kein Motor zu hören, nur der pfeifende Wind.

Ich fange an mein Motorrad auszugraben, das Hinterrad steckt bis über die Achse in dem weichen Sandhaufen. Wenn ich das Vorderrad einen knappen halben Meter weiter nach vorn bringen kann, steht es auf der steilen Kante der Düne und ist wieder flott. Aber ich kann gar nicht so schnell den Sand wegschaufeln, wie er nachfließt. Der Wind peitscht mir zusätzlich die Körner in Augen, Nase und Mund. Meine Lippen sind schon aufgesprungen. Zentimeter für Zentimeter arbeite ich mich vorwärts. Zwischendurch steige ich immer wieder auf die hohe Düne und schaue nach den anderen, vergeblich. Erst nach über einer halben Stunde ist meine Maschine wieder frei. Da ich die anderen bei dem Wind und zwischen den vielen Dünen schlecht suchen kann, steuere ich auf den nächsten unweit gelegenen Waypoint zu, in der Hoffnung, dass die anderen das Gleiche gemacht haben. Normalerweise müsste ich in der eigenen Spur zurückfahren, bis zum letzten gemeinsamen Punkt. Doch ich bin mir sicher, dass die anderen den Berg nicht mehr raufgefahren sind, denn das Bergabfahren war schon schwierig genug. Kurz darauf stoße ich auf Marcels SC, die einsam und verlassen zwischen den Dünen steht. Ich parke meine Adventure daneben und besteige gleich eine hohe Düne um Ausschau zu halten. Ich stehe da und winke sicher über eine Stunde in alle möglichen Richtungen, in der Hoffnung, nicht mit einem Busch verwechselt zu werden. Nichts und Niemand ist zu sehen. Ich speichere die Koordinaten der beiden Maschinen im GPS, schließlich will ich den Platz ja wieder finden und stapfe los um einige hundert Meter weiter eine noch höhere Düne zu besteigen. Auch hier stehe ich winkend, rufend und pfeifend mindestens eine Stunde lang. Endlich sehe ich, ein Stück weit entfernt, einen kleinen sich bewegenden Punkt. Und richtig, rechts daneben auf der Düne einen kleinen Strich. Wenn man genau hinschaut, kann man gerade erahnen, dass der Strich Arme hat, die wild in meine Richtung winken. Ich stolpere mehr als dass ich laufe auf den Strich zu und treffe bald darauf auf Stefan und Marcel. Marcels SC springt nicht mehr an, Stefans Adventure steckt irgendwo in den Sanddünen fest und Ralfs Maschine steht unweit im Sand festgefahren. Ralf ist fix und fertig, zwischen Helm und Brille kann ich nur noch eine sandige Masse, aber kein Gesicht mehr sehen. Da sich der Tag langsam dem Ende neigt, beschließen wir die Nacht hier draußen zu verbringen und morgen nach Douz zurückzufahren. Dazu wollen wir schon mal Ralfs Maschine an den Rand der Dünen bringen, damit wir es morgen nicht mehr so schwer mit dem rausfahren haben.

Ralf hat seine Rolle schon abgepackt und ich fahre seine KTM ein paar hundert Meter bis zu dem niedrigeren Dünengebiet hin. Stefan läuft zu seiner Maschine und holt zu Fuß sein Gepäck. Während Stefan und Ralf die Zelte aufbauen, mache ich mich mit Marcel auf den Weg zu unseren Maschinen. Von unserem gewählten Lagerplatz aus sind es stolze 1,3 Kilometer Luftlinie durch die weichen Sandhügel. Endlich angekommen, versuchen wir zunächst Marcels SC wieder flott zu bekommen. Luftfilter und Spritzufuhr sind in Ordnung, doch der Motor springt kaum an und wenn er kurz läuft, dann hat er keine Leistung. Mangels E-Starter und am Ende unserer Kräfte fällt uns das Kicken schon schwer genug, jetzt wird es auch noch dunkel. Wir beschließen die SC über Nacht hier zu lassen. Marcel packt die wichtigsten Dinge in den Rucksack und stapft los. Ich versuche meine Kati im Dunkeln durch die Dünen zu bringen. Doch nicht nur die Dunkelheit, auch der starke Wind, der ständig von hinten den Sand durch die Luft wirbelt und die Sicht zusätzlich verschlechtert, macht mir zu schaffen. Ich sehe kaum ob es hoch oder runter geht. Zwei- oder dreimal haut es mich hin, ohne Marcels Hilfe hätte ich die Kiste kaum wieder hochgebracht. Ungefähr hundert Meter vor unserem Lager ist der Luftfilter dicht, nichts geht mehr. Ich schnappe mir den Tankrucksack und gehe die letzten Meter zu Fuß. Ralf hat sein Licht eingeschaltet, damit ich den Platz besser finde. Die beiden haben nur das kleine Zelt aufbauen können, das große lässt sich im starken Wind nicht aufstellen. Ich schlurfe zu meiner Maschine zurück, um meinen Rolle mit Schlafsack und Isomatte zu holen. An der Maschine stelle ich fest, dass ich mein Kabelschloss durch den Tragegriff des Sackes durchgezogen habe, der Schlüssel ist im Tankrucksack im Lager. Kraftlos trotte ich zurück und hole den Schlüssel. Doch das Schloss ist voller Sand und geht ums verrecken nicht auf. Wiederum trotte ich zurück und hole ein Messer, jetzt muss der Tragegriff halt dran glauben. Da Marcel seine Isomatte an seiner SC vergessen hat, legen wir die verbliebenen drei aus und legen uns zu viert drauf. Da Stefans Zelt recht klein ist, haben wir auch das Innenzelt weglassen müssen, damit wir alle drunter passen. Als Betthupferl lassen wir noch mal die Whiskyflasche kreisen und schlafen dann schon bald ein.

Am Morgen wecken uns Donnerschläge. Blitze zucken und es fallen ein paar Tropfen Regen. Uns bleibt nichts erspart. Zum Glück hält der Regen nicht an, dafür beginnt der Sandsturm wieder. In der Zwischenzeit befreie ich meinen Luftfilterkasten vom Sand und wechsele den Luftfilter. Brav fährt die Kati dann ins Lager. Danach laufen Stefan und ich zu seiner ca. einen Kilometer entfernten Maschine, Ralf und Marcel zur SC. Während Stefan läuft, fahre ich dann seine Adventure die ca. fünfhundert Meter zu Marcels SC rüber. Die SC ist schon halb zerlegt, aber es wurde noch kein Fehler gefunden. Erst ein Zündkerzenwechsel bringt den Erfolg, zu unserer aller Freude läuft der Bock wieder. Nachdem alles wieder zusammengebaut ist, fahren wir die beiden Maschinen ins Lager, Stefan und Ralf müssen leider wieder laufen. Zuerst reinigen wir an den verbliebenen Maschinen die Luftfilter, bevor wir unsere Habseligkeiten auf die österreichischen Esel packen und nach Douz zurück wollen. Aber schon nach zwei Kilometern ist Stefan wieder fix und fertig, er kann einfach nicht mehr. Langsam wird auch das Wasser knapp. Bei guter Einteilung könnten wir zur Not zwar noch eine Nacht draußen bleiben, aber Lust hat dazu keiner. Wir beschließen, dass Stefan und Ralf sich hier einigeln sollen, während Marcel und ich Wasser besorgen fahren. Jetzt kommt die Rache der vergessenen Koordinaten vom Café Bibane. Das Café kann nicht weit sein, aber bei diesem Wetter können wir nur schlecht auf dem eigenen Track durch die Dünen zurück fahren. Wir wollen nun in einem Bogen um die größeren Dünen zur Piste zurückzufahren und das Feld von hinten aufrollen. Zwischendurch finden wir zwar immer wieder Pistenstücke, die verlieren sich jedoch bei näherer Begutachtung jedes Mal im Nichts. Wenigstens kommen wir auf unserer gewählten Route gut voran, auch wenn aus den 20 Kilometern Luftlinie letztendlich fast vierzig tatsächliche querfeldein Kilometer werden. Schließlich erreichen wir die gesuchte Pistengabelung. Fast zeitgleich erreichen auch einige Geländewagen und ein Franzose auf einer alten XR die Gabelung. Der tunesische Führer erklärt sich sofort bereit uns zu helfen, falls Stefan nicht aus eigener Kraft wieder aus den Dünen herauskommen sollte, der „Konvoi“ will sowieso zum Café rausfahren. Von hier aus sind es nun noch knapp 20 Kilometer auf akzeptabler Piste zum Café Bibane. Der Franzose und wir fahren vorneweg, die Autos im größer werdenden Abstand hinterher.

Man merkt wie frisch und ausgeruht der XR-Fahrer noch ist, außerdem hat er kein Gepäck dabei. Jede Sandverwehung nutzt er um einen kleineren oder größeren Sprung hinzulegen, während Marcel und ich versuchen, den Verwehungen aus dem Weg zu gehen. An einer der zahlreichen Verwehungen hebe auch ich ab, knalle aber voll in die kurz darauf folgende, wobei die Federung fast auf Block geht. Das Motorrad katapultiert mich nach oben und ich mache einen Handstand auf dem Lenker. In Bruchteilen von Sekunden sehe ich vor mir, wie ich noch weiter kippe und vom eigenen Motorrad überrollt werde. Doch die Schwerkraft zieht mich unbarmherzig auf den Sitz zurück. Die Maschine knallt nochmals in die Federn und katapultiert mich ein zweites Mal nach oben, diesmal nicht mehr ganz so weit und von Adrenalinschüben durchströmt bekomme ich die Fuhre wieder in den Griff. Puh, ein Sturz bei dem Tempo hätte jetzt noch gefehlt. Kurz vor dem Café wartet der Franzose auf die Autos, während wir weiterfahren. Endlich beim Café angekommen, trinken wir uns erst mal richtig satt und speichern die Koordinaten ab. Beim Vergleich mit den Koordinaten des Lagers von Stefan und Ralf stellen wir fest, dass die beiden nur 900 Meter vom Café entfernt sein müssen. Das darf doch nicht war sein, das ist theoretisch in Sichtweite, praktisch macht uns aber der Sand in der Luft einen Strich durch die Rechnung. Wir warten noch auf den Tunesier mit dem Auto und wollen ihm klar machen, dass wir seine Hilfe eigentlich nicht benötigen. Doch er besteht auf seiner Hilfe, er wolle auch nichts dafür haben. Marcel und ich folgen dem Pfeil im GPS, der Tunesier und der XR-Fahrer folgen uns mit dem Pick Up. Bei Stefan und Ralf ist die Freude groß und sie schütten erst mal gierig frisches Wasser in sich hinein. Das noch vorhandene war ja streng rationiert. Der Franzose fährt Stefans Adventure zum Café, er ist ganz geil drauf, die Maschine zu fahren. Stefan fährt im Pick Up mit zurück. Wieder am Café, packen wir unsere Lastesel wieder auf und bedanken uns für die Hilfe. Der Konvoi fährt weiter nach Ksar Ghilane, wir wenden uns Richtung Douz.

Schon nach ein paar hundert Metern ist die Fahrt schon wieder zu Ende. Stefans Adventure spotzt nur noch. Aber wir haben doch vor zwei Kilometern erst den Filter gewechselt?! Egal, noch mal Filterkasten auf und reingucken, alles sauber. OK, nach den Erfahrungen mit Marcels SC wollen wir auch hier die Zündkerze wechseln. Gepäck runter, Sitzbank, Verkleidung und Tank abbauen. Kerze wechseln und die Maschine antreten, weil Sand den E-Start-Knopf blockiert hat. Siehe da, auch hier war die Zündkerze des Übels Wurzel. Alles wieder zusammenschustern und das Gepäck drauf. Mittlerweile dämmert es schon wieder und uns fällt auf, dass wir seit gestern Morgen nichts mehr gegessen haben, außer zwei oder drei Müsliriegel. Damit wir nicht wieder im Dunkeln fahren müssen, heißt es jetzt Gashahn auf. Das erste Teilstück bis zum Café Port du Sahara ist noch einigermaßen zu fahren, aber ab dem Café wird es dunkel und sehr windig, das heißt, die Sicht geht fast gegen Null. Trotzdem müssen wir schnell fahren, da wir ständig Weichsandfelder durchfahren müssen. Das GPS zeigt uns noch 30 lange Kilometer an. Wir quälen uns regelrecht durch den Sturm, sehen kaum die Hand vor Augen und können den Pistenverlauf nur ahnen. Eigentlich sollte man bei so einem Wetter nicht mehr fahren, aber wir haben die Schnauze voll, im wahrsten Sinne des Wortes. Der Sand dringt in jede noch so kleine Ritze, verbindet sich mit der Feuchtigkeit der Schleimhäute und bleibt als feste Kruste in Augen- und Mundwinkel und in der Nase kleben. Nach schier endloser Fahrt durch das Chaos erreichen wir die Teerstraße vor Douz. In einer Linkskurve finde ich mein Bremspedal nicht gleich und rausche geradeaus in den zum Glück nur flachen Graben. Ein kleiner Gasstoß bringt mich wieder auf den rechten Weg. Endlich erreichen wir das Hotel Touareg. Nach diesen zwei Tagen wollen wir uns in einer etwas besseren Herberge erholen. Ich denke, dass haben wir uns redlich verdient. Man glaubt gar nicht, wie viel Sand wir beim Duschen aus den Körperöffnungen spülen müssen. Bei manchen Stellen möchte ich wissen, wie er überhaupt da hin gekommen ist ...

Der nächste Morgen beginnt wieder mit Schrauben. Wieder das Übliche, Luftfilter kontrollieren, Schrauben nachziehen, Schaltereinheiten entsanden, überall mal drüberschauen. An Stefans Maschine ist der Auspufftopf eingerissen. Er fährt zur schon bekannten Werkstatt in Douz und lässt ihn hartlöten. Edelstahl können die Leute hier mangels geeignetem Schweißgut nicht schweißen. Ich lasse mich in der Zwischenzeit beim Friseur rasieren. Nachdem alle Arbeiten erledigt sind, schwimmen wir eine Runde im Hotel-Pool und faulenzen bei einem Bier auf den Sonnenliegen. Warum hatten wir nicht die letzten zwei Tage so gutes Wetter? Nachmittags laufen wir in den Ortskern und essen eine Kleinigkeit. In der Medina treffen wir Habib, sicher der größte KTM-Fan ganz Tunesiens. Zusammen mit seinen beiden Brüdern betreibt er ein Souvenirgeschäft, das schon von weitem an den KTM-Flaggen zu erkennen ist. Er lädt uns zum Tee ein und zeigt uns sein Fotoalbum, auf dem er zusammen mit den großen Rallyestars wie z. B. Meoni und Cox abgebildet ist und die ihm Widmungen in ein Buch geschrieben haben. Wir unterhalten uns eine ganze Weile und versprechen, am nächsten Morgen mit unseren Motorrädern bei ihm im Geschäft vorbei zu kommen.

Vor dem Tanken fahren wir wie versprochen bei Habib vorbei. Er freut sich riesig und wir müssen unsere Maschinen für eine Fotosession vor dem Geschäft aufbauen. Nach einigen Gläsern Tee verabschieden wir uns und versprechen ihm die Fotos zuzuschicken und bei der nächsten Tunesienreise wieder bei ihm reinzuschauen. Nachdem die Tanks gefüllt und die Wasservorräte ergänzt sind, wollen wir auf der Pipelinepiste nach Ksar Ghilane fahren. Vom Sand haben einige von uns erst mal genug. Bis zum Café Tarzan rollen wir auf Teer, dann biegen wir auf eine kleine Piste ab, die zur Pipelinepiste führt. An der Einmündung treffen wir auf die beiden GS-Fahrer, die wir schon im Sandsturm auf der Piste hinter Douz getroffen haben. Auch sie wollen über die Pipelinepiste nach Ksar Ghilane. Da wir noch gewisse Geschäfte erledigen müssen, fahren die beiden schon mal vor. Einige Minuten später folgen auch wir. Da Ralfs Maschine kein Öl mehr im Federbein hat, schaukelt und springt er fast ziellos auf der Piste umher. Stefan bleibt hinter ihm, aber Marcel und ich ziehen die Hähne auf und lassen die Kisten laufen. Der Untergrund wechselt zwischen betonhart und verspurtem Sand. Während Marcel dank seiner Fahrkünste im Sand davonziehen kann, hole ich ihn auf dem harten Boden durch das Leistungsplus meiner Kati leicht wieder ein. Kurz vor Bir Soltane treffen wir auf die beiden BMW-Fahrer. Wild schlingernd kämpfen sie sich durch den tiefen Sand. Statt fusseln sollten sie lieber schneller fahren, dann geht es leichter. Wir stehen in den Rasten und pflügen mit hundert Sachen vorbei, da spürt man selbst die tiefste Sandrille kaum mehr. Kurz nachdem wir das Café Bir Soltane erreicht haben, trifft auch Ralf ein. Wir bestellen vier kalte Colas und warten auf Stefan. Doch der kommt einfach nicht. Wir wollen schon zurückfahren, da klettert der Wirt auf das Dach des Hauses und hält Ausschau. Irgendwann sieht er eine Staubfahne und kann dann auch ein Motorrad ausmachen. Es ist Stefan. Er erzählt, dass einer der GS-Fahrer sich wieder genau vor ihm abgelegt habe. Dem Fahrer sei kaum was passiert, aber die Maschine hätte nicht mehr so gut ausgesehen. Die beiden wollten das Krad noch ein wenig geradebiegen, dann aber wieder umdrehen und auf Ksar Ghilane lieber verzichten. Wir trinken aus und fahren weiter. Bald darauf erreichen wir die Oase. Direkt neben der warmen Quelle mit dem Badebecken lassen wir uns auf dem Campingplatz in einem mit Betonfundament modifizierten Beduinenzelt nieder. Dann geht’s endlich raus aus den Klamotten und rein in die warme Brühe. Stundenlang treiben wir im Wasser und genießen die Wärme, bis unsere Haut wie die einer Wasserleiche aussieht. Stefan hat ein paar Bekannte getroffen, die er mal in Frankreich kennen gelernt hatte. Zusammen mit den beiden leeren wir zwei Flaschen tunesischen Wein, der zwar nicht schmeckt, dafür aber sehr teuer ist. Das Abendessen wird im Freien serviert, es gibt Salat, Spaghetti und Fleischspieße. Zum Nachtisch lässt Stefan seinen Whisky-Vorrat kreisen, aus rein medizinischen Gründen natürlich ;-)

Zeitig am Morgen pflügen wir durch den weichen Sand aus der Oase. Wir folgen der relativ unspektakulären Piste ostwärts Richtung Gourmessa. In den Bergen folgt Marcel lieber dem Pfeil im GPS, als dem logischen Verstand und so endet unser schöner Offroad-Weg, das müssen wir ihm dann schon zugute halten, auf einem Felsplateau oberhalb von Chenini. Genau hier muss Marcel seine Kiste auseinander nehmen und den hängenden Chokekolben wieder gangbar machen. Aber warum muss es gerade jetzt anfangen zu regnen? Als wir mit der Reparatur fertig sind, hört es auch auf zu regnen. Wir tasten uns vorsichtig über die glitschigen Steinplatten zur Weggabelung zurück und wählen dann den richtigen Abzweig, der zur Straße nach Chenini führt. Wir meiden den von Touristen überfüllten Ort fahren weiter Richtung Gourmessa und lassen uns in einem kleinen abgeschiedenen Café nieder. Nach der anstrengenden Fahrt über die rutschigen Steine auf dem Berg, schmeckt das Baguette mit Streichkäse gleich noch mal so gut. Ab hier übernimmt Ralf die Führung und bringt uns nach Ksar Hdada (wird wirklich so geschrieben). Hier steht eine große Ghorfa-Anlage (alte Speicherhäuser), die auch einmal als Kulisse für Star Wars herhalten durfte. Danach wurde die Anlage zum Hotel umgebaut und momentan bröckelt das Ganze nur noch vor sich hin. Ralf kauft eine Tüte Plätzchen, die eine Spezialität dieser Gegend sein sollen und sie schmecken tatsächlich prima. Wir füllen die Kraftstoffvorräte nach und quälen uns über eine Umleitung durch Medenine. Die Hauptstraße ist wegen Demonstrationen gesperrt. Warum demonstriert wird, sollten wir erst später erfahren.

In Metameur gibt es noch ein kleines Ghorfa-Hotel, in dem wir übernachten wollen. Aber der Chef ist nicht da und die Angestellten wollen uns über den Tisch ziehen, so dass wir lieber weiterfahren. Ralfs Vorschlag, nach Djerba zu fahren, lassen wir gleich wieder fallen, da wir eigentlich solche hochpreisigen Tourie-Hochburgen meiden wollen. Wir stöbern im Reiseführer und entscheiden uns für Gabès. Nicht weil es da so toll wäre sondern einfach weil es auf dem Weg liegt und es dort einen Campingplatz gibt. Wir düsen die langweilige Bundesstraße entlang. Bei einer kurzen Pause bemerken wir, dass Ralfs Maschine etwas Öl verliert. Aber durch Nachziehen der Ablassschraube am Rahmenrohr bekommen wir das Problem schnell in den Griff. Um die Innenstadt von Gabès zu meiden, wollen wir die Stadt westlich umfahren und dann von Norden her wieder auf Gabès zufahren, da der Campingplatz nördlich des Ortes liegt. Leider geht unsere Rechnung nicht ganz auf, da unser Weg vor einer hässlichen stinkenden Industrieanlage endet. Wir müssen wieder ein Stück zurück fahren und von Westen her in die Stadt. Als wir etwas hilflos in einer schmuddeligen Straße stehen, kommt ein deutsches Pärchen auf uns zu und fragt, ob wir den Campingplatz suchen würden. Als wir bejahen, zeigen sie auf eine Einfahrt zwanzig Meter hinter uns, wir standen also praktisch schon davor. Da es schon dunkel ist, verzichten wir auf das Zelt und nehmen uns ein kleines Viererzimmer in einem der Gebäude am Camp. Das Zimmer und die sanitären Anlagen sind vom Zustand her – na, sagen wir man kann es für eine Nacht gerade so aushalten, dafür ist es billig. Nach dem Duschen laufen wir durch die umliegenden Gassen und finden ein nettes kleines Restaurant mit gutem und preiswertem Essen. Das hätten wir in dieser Gegend eher nicht erwartet - das Gute meine ich, nicht das Preiswerte.

Die Nacht ist schnell vorbei und wir wühlen uns durch den Verkehr Richtung El Hamma. Wir wollen auf einer Piste den Jebel Tebaga südlich umfahren. Wegen seines defekten Federbeins, trennt sich Ralf temporär von uns, er wählt die nördliche Umfahrung auf Asphalt. In Steftimi, nördlich von Kebili, wollen wir uns wieder treffen. Die Piste ist einfach und sehr eben, so dass wir locker auf Geschwindigkeiten > 130 km/h kommen. Außer der Landschaft gibt es noch ein Denkmal und Reste eines römischen Grenzwalls zu bewundern. Das Denkmal finden wir zufällig während einer Orientierungspause, aber am Limes rauschen wir vorbei und bemerken zu spät, dass wir ihn verpasst haben. Erst gegen Ende der Strecke, kurz vor Bazma, machen Sandfelder die Piste etwas anspruchsvoller. Hinter Kebili weht wieder ein starker Wind, ohne Sand stört er uns aber nicht besonders. Wie verabredet finden wir Ralf in einem Café in Steftimi. Wieder stärken wir uns mit Baguette und Streichkäse, etwas anderes ist zur Zeit nicht im Angebot. Von starkem Seitenwind geplagt durchqueren wir den Chott el Fejaj und halten auf Gafsa zu. In El Guettar tanken wir auf und trennen uns erneut von Ralf. Er fährt auf der Straße nach Gafsa und dann nach Norden, wo wir uns in Bir el Hafey wieder treffen wollen. Wir restlichen Drei wählen den östlich gelegenen Schotterpass über den Jebel Biada. Der Weg zum Pass liegt traumhaft zwischen zwei Bergzügen, deshalb ist der Wind hier auch nicht mehr so stark. Die Gegend hier ist fruchtbar und grün. Kurvenreich fegen wir über Bou Omrane nach Sakket, wo die Schotterstrecke beginnt. Der Weg ist schmal und teils mit großen wegrutschenden und -rollenden Steinen übersät. Man muss schon etwas vorsichtiger fahren, aber dafür entschädigt die phänomenale Aussicht. Hinter der Passhöhe ziehen dunkle Wolken auf. Schade, gerade noch war das Wetter so schön. Im Tal überqueren wir die Bahnlinie und die Straße P14 und folgen dem Bogen einer schönen Piste rüber zur P3. Eigentlich hatten wir hier schon Asphalt erwartet, aber die Piste ist uns natürlich lieber.

Kaum sind wir auf der P3, schon treffen wir Ralf in einem Café. Eigentlich viel früher als ausgemacht, aber ein Regenschauer hatte ihn gezwungen schon hier Rast zu machen. Nach dem Essen, ausnahmsweise mal Salat, schießen wir die langweilige Straße Richtung Kairouan hoch. Nach einiger Zeit zieht ein Gewitter auf und wir suchen Schutz in einem Café. Während wir auf das Ende des Schauers warten, trinken wir eine Literflasche Cola. Als wir bezahlen wollen, verlangen die unverschämten Jungs stolze fünf Dinar. Doch das akzeptieren wir nicht. Bisher haben wir, in besseren Gegenden, maximal zwei Dinar hinlegen müssen. Mehr bezahlen wir auch jetzt nicht. Da die beiden das ohne Widerworte akzeptieren haben wir sicher immer noch zuviel bezahlt. Später wühlen wir uns durch den Verkehr und die tiefen Pfützen von Kairouan. Ohne mich zu verfahren finde ich noch das Hotel, wo wir 1999 mit der Rallye El Chott untergebracht waren. Als der Portier unsere Rallye-Aufnäher auf der Jacke sieht, bekommen wir gleich einen besseren Preis gemacht. Nach dem Essen kommt der Portier noch mal zu uns und fragt, ob wir unsere Taschen an den Motorrädern offengelassen hätten. Haben wir natürlich nicht. Wir stürzen nach draußen und finden unser Gepäck durchwühlt vor. So ein Ärger, meine Isomatte liegt im Regen, Stefans Reißverschluss an der Hecktasche ist kaputt und wie ich später feststelle, fehlen meine gute Petzl Stirnlampe, die Abdeckung fürs GPS und eine Tüte Müsli. Letzteres ist mir egal, wenn jemand satt davon wird ist es in Ordnung, aber der Rest stinkt uns gewaltig. Verärgert packen wir nun auch die Packtaschen ab. Wozu hat das Hotel einen Innenhof mit Parkplatzwächter?

Von Kairouan aus wenden wir uns der Küste zu. Wir fahren auf der Küstenstraße nach Hammamet und genießen auf der Sonnenterasse eines Cafés direkt an der Promenade einen Café au Lait, sogar zu normalen Preisen. Nach der Erholung wollen wir weiter bis zum Cap Bon hochfahren. Am Ortsende wird der Verkehr umgeleitet und wir rollen auf einer kleinen Straße weiter. Plötzlich stehen wir vor einer schreienden Menschenmenge. Einige Jugendlichen umringen uns und schreien dauernd etwas von Krieg. Von allen Seiten werden große Steine vor unsere Maschinen geworfen. Einige besonnene unter ihnen halten die tobende Meute zurück und sagen wir sollen umkehren und verschwinden. Das Wenden der KTM ist mit den kurzen Beinen in dem Trubel gar nicht so einfach, zudem dauernd neue Wacker vor die Räder geworfen werden. Einer der Demonstranten hat zwei dicke Betonstücke in den Händen und er schaut mich an, als wenn er die Dinger gleich auf mich schleudern will. Ich schaue ihm fest in die Augen, schüttele den Kopf und versuche ihm durch Gedankenübertragung zu sagen: „Tu’s nicht!“ Als ich endlich losfahren kann, ziehe ich den Kopf ein und warte auf den Einschlag der Brocken. Doch zum Glück passiert nichts. Wir umfahren die gefährliche Gegend und schlagen uns weiter nach Norden durch. Der Seitenwind ist hier so stark, dass die Fahrt keinen Spaß mehr macht. Bei einer Pause am Strand beschließen wir das Cap Bon sein zu lassen und schon jetzt Richtung Tunis zu fahren. Wir rollen durch eine grüne hügelige Kulturlandschaft. Nach Sand und Steinen in sämtlichen grauen und braunen Schattierungen, ist das Grün jetzt eine richtige Erholung für die Augen. Wenn jetzt noch das Wetter besser wäre, dann könnte es eine richtig tolle Tour sein. In Menzel Bouzelfa füllen wir unsere Mägen mit weißen Bohnen in Tomatensoße und Hähnchenfleisch. Nachdem wir gesättigt sind, setzen wir unseren Weg fort und erreichen bald wieder den Campingplatz La Pinede, auf dem wir schon die erste Nacht in Tunesien verbracht haben. Diesmal bekommen wir zwei sogenannte Bungalows, sehr einfache Betonhütten mit rundem Dach, aber eigentlich ganz nett gemacht. Der Campingwart erzählt, dass die Demonstrationen im ganzen Land wegen den Angriffen Israels auf die palästinensischen Gebiete stattfinden. Davon haben wir die Tage gar nichts mitbekommen. Der Campingwart lädt uns ein, nach dem Essen zu ihm in die Hütte zu kommen, um dort die Nachrichten anzuschauen. Nach einem langen Strandspaziergang, haben wir natürlich wieder Hunger. Wir gehen in ein unweit gelegenes Hotel, dass eigentlich nur All-Inklusiv-Touristen beherbergt und machen mit dem Oberkellner einen Preis für die Teilnahme am riesigen Buffet aus. Hier schlemmen wir nach Herzenslust von den köstlichen Speisen, bis fast die Hose platzt. Der nächtlich Spaziergang über den Strand zurück zu unseren Hütten ist sicher mehr als notwendig, um die Verdauung zu unterstützen ...

Heute haben wir mal relativ lange geschlafen. Marcel und Stefan besorgen das Frühstück, Ralf duscht und ich passe auf unsere Sachen auf. Nach dem Frühstück laufen wir zur Bahnstation und fahren mit dem Zug nach Tunis hinein. Hier streifen wir durch den Souk und lassen die orientalischen Eindrücke auf uns wirken. Beim Spaziergang auf der Hauptpromenade, treffen wir in einem Café wieder die Organisatoren der El Chott. Wir setzen uns zu ihnen und tauschen die neusten Nachrichten bezüglich der politischen Situation aus. Die Chotties ziehen dann weiter, Ralf geht noch mal in den Souk, Stefan zieht es mehr in den neueren Teil der Stadt und Marcel und ich machen das was wir auch gut können, wir bleiben faul im Café sitzen und beobachten die Leute. Irgendwann beginnt es zu regnen. Zum Glück finden wir in diesem Moment alle wieder zueinander und hetzen zum Bahnhof. Schon zwei Minuten später fährt der Zug ab. Auf der Herfahrt waren die Waggons fast leer, nun hat es Feierabendverkehr und wir müssen im Gedränge stehen. Obwohl der Zug recht langsam fährt und fast bei jeder Schwelle hält, sind wir etwas schneller als der Regen. Die Strecke vom Bahnhof zum Campingplatz müssen wir jedoch im Laufschritt bewältigen, um nicht ganz nass zu werden. Nachdem wir gestern schlemmen waren, steht heute wieder selbst kochen auf dem Programm. Die übriggebliebenen Fertig-Mahlzeiten geben wir dem Campingwart als Gegenleistung für seine Einladungen zum Tee und zum Nachrichtenschauen.

Nach einem kurzen Frühstück fahren wir zum Hafen und treffen dort auf viele Leute, die wir auf der Hinfahrt oder irgendwo in Tunesien kennen gelernt haben. Während wir auf die Abfertigung warten, schüttet es was es nur kann. Die Motorradfahrer, die jetzt gerade zum Hafen kommen, sind nass bis auf die Haut. Wir tauschen Erfahrungen aus, trinken noch einen Café au Lait und kommen langsam immer näher zum Schiff. Noch ca. dreihundertmal müssen wir unsere Pässe und Papiere vorzeigen, bis wir endlich an Bord können und eine ereignisreiche Tour zu Ende ist. Was haben wir immer zueinander gesagt, als wir bis zum Hals im Sand eingegraben waren: „Stellt euch vor, wie schön jetzt eine Dolomitentour wäre!“ Nix da, das nächste Mal geht es wieder in die Wüste, aber das Wetter dürfte schon etwas besser sein ...