Iran 2005: Kurzbericht

Ralf und ich sind wieder heil aus dem Iran zurück. Eigentlich wollten wir noch durch Turkmenistan bis nach Usbekistan weiterfahren, aber nachdem in Usbekistan eine Demonstration blutig niedergeschlagen wurde, haben wir unsere Tour aus Sicherheitsgründen und weil uns die Zeit sowieso zu knapp wurde, nur auf den Iran beschränkt.

Insgesamt sind wir in den 6 Wochen 16.254 km gefahren. Unsere Twins haben alles pannenfrei überstanden, nur an Ralfs Maschine trat ein Vibrationsriss am Sturzbügel (schon auf der Hinreise in Griechenland) auf. Wir haben je einmal die Kette gespannt, Ralf hat ca. 2 l und ich ca. 1 l Öl nachgefüllt. Spritpreise im Iran: ca. 8 US-Cent/Liter für Benzin, < 2 US-Cent/Liter für Diesel!

Die Bevölkerung im Iran ist freundlich und nett, aber so sehr, dass es fast schon wieder aufdringlich ist. Wenn wir mit den Moppeds aufgetaucht sind, waren wir immer in einer riesigen Menschenmenge, sogar der Verkehr ist einige Male zusammengebrochen. Einige wenige Male musste sogar die Polizei den Auflauf auflösen.

Der Verkehr war reiner Wahnsinn. Es gab nur eine Regel, nämlich die, dass es keine gibt. Fußgänger werden vom Zebrastreifen weggehupt, jeder fährt wie er will ohne sich umzuschauen, die Fahrzeuge (sehr viele in sehr schlechtem Zustand) rücken einem immer ganz dicht auf die Pelle ohne irgendwelche Sicherheitsabstände. Straßenüberquerungen waren oft Himmelfahrtskommandos. Die Gesetzeshüter aber waren immer zuvorkommend und freundlich. Fast immer wurden wir zum Tee oder in der Wüste auch zu Wasser (in Flaschen zum Mitnehmen) eingeladen worden. Klar sind wir oft angehalten worden, aber fast immer aus Neugier, selten um die Papiere zu kontrollieren. Selbst bei Radarmessungen mussten wir nie Strafe zahlen, sondern sind eher zum schnell fahren ermuntert worden (siehe dazu auch die Kommentare von Ralf am Ende ...)

Die niedrigste Temperatur war um den Gefrierpunkt, beim Camping an einem See in der Türkei. Die höchste Temperatur war 46,5°C, im Südosten des Iran.

Ich habe auf der Tour 5 kg abgenommen. Nicht weil das Essen schlecht war, sondern weil Ralf Vegetarier ist und ich mich für die Tour auch zum Vegetarier erklärt hatte. Dadurch hatten wir einen schlechten Stand im Iran, da sich alle nur von Fleisch ernähren. Salat und Gemüse gab es in den (Straßen-) Restaurants kaum. Wir haben meist selbst auf dem Markt eingekauft und uns zwangsweise selbst versorgt.

Insgesamt war das Leben im Land eher locker, auch was die Kleidervorschriften angeht. OK, Kontakt zu Frauen war eher spärlich, was nicht zuletzt an unserer Zurückhaltung lag. Ab und zu sind wir von Frauen angesprochen worden, woher wir kämen und ob es uns gefallen würde usw. Aber immer nur, wenn wir etwas abseits waren, z. B. in einem Museum. Einmal sind wir sogar von einer Frau in ihr Haus eingeladen worden (ihr Bruder arbeitet in Deutschland), aber das war uns dann doch zu gewagt.

Einige Jungs liefen, für uns sehr verwunderlich, mit der amerikanischen Flagge auf Hose oder Jacke herum. Bei unserer Frage, ob sie denn nicht den "Besuch" fürchteten meinten sie, dass sie die Amerikaner mögen, nur den Bush mögen sie nicht. Überhaupt war vieles "amerikanisiert". Überall Coca Cola oder auch die iranischen Varianten davon, unzählige Hamburgerrestaurants (allerdings iranische, keine Ami-Kette) oder auch Pizzaläden. Viel zu viel Fast Food, was schade war/ist.

Bis auf den Straßenverkehr waren die Eindrücke immer positiv, nie hatten wir das Gefühl irgendwie in "Unsicherheit" zu sein, auch wenn wir einmal nahe der turkmenischen Grenze wild gecampt hatten und uns die Polizei morgens aus der "Natur" heraus eskortiert hatte, weil angeblich die Gefahr bestand, dass uns jemand die Kehle durchschneidet, wie sie uns mit eindrucksvollen Handbewegungen zu verstehen gaben. Aber warum kamen sie dann erst am Morgen und nicht schon abends ...

Zum Abschluss waren wir noch 2 Tage auf Korfu. Nach dem wir wochenlang nur "Pinguine" (Kopftuch und schwarze Mäntel) gesehen hatten, war das natürlich ein "Kulturschock" für uns, nur nacktes Fleisch - wo wir doch Vegetarier waren ;-)

BTW: In der Türkei haben sie und auch wieder beim zu schnell fahren erwischt, 130 statt erlaubten 70 km/h (Polizei verfolgte uns mit Blaulicht uns Sirene). Kostete uns 20 Euro/Person ohne Rechnung - ok, wir hatten es verdient, nicht weil wir zu schnell waren, sondern weil sie uns gekriegt haben ;-)

 

Kommentare von Ralf

Wir sind "nie" [tm] zu schnell gefahren! So was würden wir nienimmernicht tun! Eigentlich! Vielleicht! Und wenn man mit 115 km/h (GPS, nicht Tacho) auf der Landstraße fährt und hintendran gerade der große LKW zum erfolgreichen (!) Überholen ausschert, dann weiß man, dass man nicht zu schnell sein kann. Ansonsten ist Verkehr ein eigenes, sehr großes Kapitel mit einigen Regeln, siehe Carlo, sowie:

  • Gefahren wird, was mit eigenem Antrieb[1] rollen kann.

  • Teile des PKW-Bestandes treiben Oldtimerfans[2] die Tränen in die Augen, erstens wegen der Anzahl der US-Wagen aus den 1960er und 1970er-Jahren, teils noch älter, aber meist wegen ihres Zustands.

  • Gefahren wird, was das Fahrzeug hergibt.

  • Es gibt Sicherheitsabstände nach allen Seiten, keine Frage, die Längeneinheit der kleinen Zahlen ist "cm".

  • Ein Fahrer schaut nicht nach hinten oder zur Seite, aber wenn man nur 1 cm Vorsprung vor dem anderen hat, hat man gewonnen, und es wird respektiert.

  • Beleuchtungseinrichtungen an Kfz werden nach den Bedürfnissen der Individualisierung des eigenen Kfz gestaltet, Bedeutung darf man insbesondere den Farben keine zuweisen[3], man sollte eher anerkennen, dass Beleuchtungseinrichtungen vorhanden sind und manchmal sogar benutzt werden.

  • Die Hupe ist essentieller Bestandteil des Straßenverkehrs, lieber zu häufig als zu selten[4].

  • Als Fußgänger entwickelt man Überlebensstrategien zur Überquerung von Straßen, und wenn die bedeutet, dass man in der Deckung von Einheimischen die kleinen Lücken zwischen den anderen Verkehrsteilnehmern nutzt.

  • 125er Honda und kompatible erreichen erstaunliche Fahrleistungen inkl. Wheelisieren oder beim Transport ganzer Familien[5].

  • Jeder fährt prinzipiell Ideal- bzw. Kampflinie, was insbesondere an den vielen Kreisverkehren auffällt (außen - innen - außen).

  • Taxen halten besonders häufig und gerne direkt nach einem Kreisverkehr, den sie auf Kampflinie durchquert haben, schräg zur Fahrtrichtung, daher am Kreisverkehrsausgang nur innen fahren, wenn nicht weiter links nicht doch ein nicht unbedingt als Taxi gekennzeichneter Paykan auftaucht.

  • Überhaupt ist abendliches "Kreisverkehr-Watching" viel interessanter als jedes Fernsehprogramm, denn zu diesem Zweck wurden in einigen Städten spezielle Aussichtsterrassen[6] gebaut.

  • Es gibt genau eine wirksame Bremse für iranische Verkehrsteilnehmer: wenige cm hohe Schwellen quer über die Straße, die allerdings keine wesentliche Bremswirkung für unsere Maschinen mit ihren >20 cm Federweg bedeuten.

Es gibt nette Landschaften im Iran: Salzseen in nass und trocken - letzteres befahrbar. Steinwüsten, Küsten unterhalb des Meeresspiegels[7], den Persischen Golf und seine aberwitzigen Luftfeuchtigswerte von mindestens 200 %, eher mehr ;-), schöne Berglandschaften u. a. mit dem 5671 m hohen Damavand. Skigebiete mit laufenden Liften auch Ende Mai, ziemlich alte in der Landschaft verteilte Trümmer z. B. Persepolis, Takht-e Soleiman, u. a. mit einer Geschichte, die mit mitteleuropäischer so überhaupt nichts gemeinsam hat. Moscheen mit mehr oder weniger hübsch anzuschauenden Mosaiken drauf, Bazare als Einkaufszentren ohne Einkaufswagen und Einmarkstücke, dafür befahrbar, mit allem was durch die Gassen passt. Metzger, bei denen man den entsetzten Gesichtsausdrucks des Schafs betrachten kann, den es beim Abgeben des Mantels machte, Süßbäcker mit einer überwältigenden Auswahl an gut schmeckenden Sachen, usw.

[1] Vierradfahrzeuge können Vierspurfahrzeuge sein, natürlich bei Geradeausfahrt.

[2] Nicht Youngtimerfans!

[3] Standlichter sind durchaus in rot-blau-violett-blinkend gehalten, Rücklichter grün, usw.

[4] Vorher hielt ich meine Genua-Istanbul-erprobte Zweithupe für angemessen, habe ich eine angepasste Meinung.

[5] 4-Personen-Beförderung ist keine selten gesehene Betriebsart.

[6] Weicheier benutzen sie als Fußgängerbrücken ;-).

[7] Garmin-GPS berechnet die richtige Höhe, das Magellan verweigerte partout negative Höhenangabe.

[Kurzbericht] - Bericht ⇒