Tour durch das Weserbergland


Das DR 650 Forum hat zum Treffen geladen und da Claudia auch so ein Teil ihr Eigen nennt, kam sie auf die Idee, mich auch dazu einzuladen. Seit der verregneten Sommerhandschuheröffnungsfahrt haben wir uns nicht mehr gesehen und wollen endlich mal wieder gemeinsam durch die Gegend stromern.

Das Treffen findet in Pattensen bei Hannover statt und Jo(hannes) aus dem Odenwald organisiert eine gemeinsame Anfahrt für die süddeutsche DR-Fraktion, der ich mich gerne anschließe. Wegen der Länge des Weges treffen wir uns schon Donnerstag Abend bei Jo, um am Freitag schon zeitig auf die Räder zu kommen. Nach und nach treffen die Mitstreiter ein und wir verbringen einen schönen Abend mit gegrillten Würstchen und diversen Kaltgetränken. Damit die jungen Kerle mir am Freitag nicht davonfahren, halte ich sie mit Schnarchen vom schlafen ab. Man muss schon mit allen Tricks arbeiten, um im Showgeschäft zu bleiben ;-)

Nach dem Frühstück düsen wir los, aber erstmal nur zur Tankstelle. Ein Ritual, dass sich durch unsere ganze Tour zieht. Alle paar Kilometer müssen die Kleintankfahrer zum Nachfüllen, aber nicht nur Sprit, nein auch Öl wird Literweise nachgeschüttet - so ein einsamer Zylinder will halt gut und reichlich geschmiert werden ;-). Um den frankfurter Raum zügig zu durchmessen, setzt Tourguide Jo auf die Autobahn. Bei Friedberg verlassen wir das schnöde Asphaltband (endlich) und kurz darauf haben wir uns auch schon aus den Augen verloren. Jo, Pramus und Spadi versuchen  in einem Kreisel Martl und mich zu verwirren und uns abzuhängen. Das schaffen sie auch bestens und nur der Einsatz eines Mobiltelefons kann uns wieder zusammenführen. Derart vorgewarnt soll uns eine solche Schlappe nicht mehr passieren. Ab jetzt jagen wir die drei vor uns her und geben ihnen keine Chance mehr, um zu entkommen.

Bei Schotten wartet Wolle schon einige Zeit auf uns. Ab hier ist er mit von der Partie und reit sich direkt hinter Jo ein. Dieser führt uns flott durch das schöne Vogelsberggebiet. Hinter Lauterbach (das mit dem Strolch-Camembert) beginnen die Ortsnamen fremdartig zu klingen. Oberjossa, Machtlos, Ibra, Hülsa, um nur einige zu nennen. Wir haben den Weißwurstäquator schon lange überschritten, ab hier beginnt für mich die Küste - oder hört sich Lauenförde nicht eher Kiel zugehörig an, als dem deutschen Mittelgebirge? ;-). Weiter geht es nach Norden und wir erreichen die Fulda, deren mäandertem Lauf wir eine Weile folgen. Dann umfahren wir Kassel großräumig, bis wir bei Hannoversch-Münden auf die Weser treffen, die dort aus dem Zusammenfluss von Fulda und Werra entsteht. Wer kennt nicht mehr den Spruch aus dem Heimatkundeunterricht:

„Wo Werra sich und Fulda küssen,
sie ihre Namen büßen müssen.
Und hier entsteht durch diesen Kuss
Deutsch bis zum Meer der Weserfluss“.

Und fast bis zum Meer ;-) folgen wir nun diesem Hochwasser führenden Band, das sich gen Norden windet. Mit einer kleinen Fähre wechseln wir bei Herstehe die Seiten, um bei Holzminden über mehrere Brücken abermals die Ufer solange wechseln, bis wir Richtung Hildesheim stehen und uns vom Bett der Weser leider wieder entfernen müssen. Auch die kleinste Großstadt Niedersachsens lassen wir links – äh, in diesem Fall rechts liegen. Nun ist Pattensen nicht mehr weit und wir wollen noch schnell für den Abend einkaufen. Fleisch, Salat und eine Kleinigkeit zum sofortigen Verzehr (Jo gönnte uns ja keine Pause, bis auf ein kleines Eis zwischendurch) wandern in den Einkaufswagen. Gestärkt und kalorienbeladen erreichen wir dann das Treffen, das witzigerweise auf der Liegewiese eines Schwimmbades stattfindet. Nach der Begrüßung und einem Kaltgetränk, werden die Zelte aufgebaut. Ich mache mich dann gleich auf den Weg ins kühle Nass und brrr, es ist wirklich mehr kühl als nass. Anscheinend ist der Polarkreis nicht mehr weit und bis zur Erstarrung des Wassers fehlen nur noch wenige Grad Temperaturabfall – zumindest aus Sicht eines sonnenverwöhnten Badeners ;-).

Claudia aus Neuß ist in der Zwischenzeit auch eingetroffen. Wir beschließen ihre vegetarische und meine carnivarische Grundlagen zusammenzuwerfen, so dass es insgesamt eine richtige Mahlzeit gibt. Zwischen dem Kochen und Braten (und Essen) wird geschwafelt, diskutiert, gelacht und - halt alles so gemacht, wie es auf Treffen üblich ist. Später hocken wir alle um das Lagerfeuer. Wie üblich wärmt es zwar von vorn, aber auf dem Rücken geht es derweil ganz schön frisch zu. Also müssen wir uns ab und zu mal drehen und wenden, um einen ausgeglichenen Temperaturhaushalt zu erlangen.

Nach dem Frühstück mache ich mich mit Claudia auf die Achse. Von den Anderen hat niemand Lust mitzukommen, doch wir sind ja alleine groß und düsen Richtung Hameln. Obwohl es schon 10:00 Uhr ist, schafft es die Sonne nicht wirklich den Dunst zu vertreiben. Trotzdem passt das diesige Wetter gut zur Landschaft, deren Grün sich in verschiedensten Tönen durch die feuchte Luft drängt. In Hameln ist es gar nicht so leicht, einen Parkplatz für unsere motorisierten Esel zu finden. Aber da wir nicht faul sind, können wir auch das Stück bis in die Fußgängerzone laufen. Dort folgen wir den aufgemalten Ratten am Boden, die einen Rundgang durch die Altstadt kennzeichnen. Schöne Fachwerkhäuser sowie reich geschnitzte Erker und Fassaden schmücken den Stadtkern. Hin und wieder taucht ein als Rattenfänger verkleideter Führer auf (goile Schuhe hat der an ;-) ) und erklärt die Sehenswürdigkeiten. Nachdem wir uns halbwegs satt gesehen haben, darf der obligatorisch Besuch eines Eiscafés natürlich nicht fehlen. Na ja, das angeblich original italienische Eis hat nicht viel mit dem Original in Italien zu tun, aber wir haben auch schon schlechteres gegessen.
 
Derart gestärkt, wollen wir unsere Kräfte dann in den Kurven des Weserberglandes einsetzen. Claudia kennt einige Strecken von früheren Touren und so lassen wir die Maschinen rennen. Es gibt auch tatsächlich nennenswerte Steigungen und Kehren, super Ausblicke in die Täler und auch die ein oder andere Schotterpassage kommt uns unter die Räder. Damit die Kultur nicht zu kurz kommt, besuchen wir das Schloss Hämelschenburg. Das Rittergut besteht, neben dem Schloss, aus einer Parkanlage, der Hünenschlossruine, einem forstwirtschaftlichen Betrieb und einer Kirche. Nicht vergessen sollte man auch den Karpfenteich direkt an der Straße, aus dem die Fische neugierig ihre gierigen Mäuler recken, um nach Futter zu betteln. Die zugehörige Kirche ist eine der ersten der Welt, die für eine  protestantische Gemeinde erbaut wurde. Zum Wirtschaftgebäude gehört auch eine interessante Wasserkraftanlage, die vom durchfließenden Bach angetrieben wird.

Nach dem Sightseeing rufen wieder die Kurven. Doch nur wenige Kilometer später zieht das nächste alte Gemäuer unsere Aufmerksamkeit auf sich. So besteigen wir die Burgruine Polle aus dem 13. Jhd., die im 30-jährigen Krieg zerstört wurde. Von der Turmkrone aus hat man einen schönen Ausblick auf eine Weserschleife, der Fähre nach Heidbrink hinüber und nach hinten zum Weserbergland hinauf. Besagte Fähre nutzen wir gleich um das Ufer zu wechseln. Der Weg folgt dem kurvigen Weserlauf und wir folgen natürlich dem Weg. In Dölme nutzen wir die Gelegenheit direkt bei einem Bauern einzukaufen. Kartoffeln, Bohnen, Paprika, Tomaten und Zwiebeln wechseln den Besitzer und das für nur 2,40 Euro. In Bodenwerder besorgen wir noch etwas Fleisch dazu, bevor wir durch die Fußgängerzone schlendern und uns noch ein Eis gönnen. Das heißt, ich esse Eis und Claudia ein dickes Stück Tiramisu. Nach der Schlemmerei muss wieder etwas Kultur der Verdauung auf die Sprünge helfen. Der geneigte Leser wird vielleicht wissen, dass Bodenwerder die Münchhausenstadt ist. Also marschieren wir schnurstracks ins entsprechende Museum. Geöffnet bis 17:00 Uhr prangt an der Tür und wir haben fast 17:20. Doch die nette Dame an der Kasse lässt uns noch herein und an der gerade beginnenden Führung teilnehmen. Der Referent erzählt die Lebensgeschichte des Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhausen, der in Bodenwerder geboren wurde und später dort auch starb. Zum Abschluss gibt er noch drei Erzählungen von Münchhausen wieder, von denen es ca. 30 gibt. Einfach toll, den Erzählungen zu lauschen.

Etwas ermattet von der ganzen Tour setzen wir zum Rückweg an. Die Führung übernimmt ab jetzt das GPS. Programmiert mit „Kürzester Strecke“ und „Vermeiden von Schnellstraßen“, weist das Navi uns den Rückweg über kleine und kleinste Straßen. Die tiefstehende Sonne lässt die roten Ziegelbauten in den Dörfern erstrahlen. In den Wäldern ist es schon ziemlich finster und kühl. Dennoch macht gerade jetzt das Fahren Spaß. Der Wechsel des Lichts und der Temperatur versüßen die Fahrt und mit vielen Eindrücken gesättigt legen wir uns in die Kurven. Ein schöner Tag neigt sich dem Ende zu und damit leider auch ein schöner Ausflug in den Norden Deutschlands. Ok, es geht noch ein ganzes Stück weiter nach Norden und bis zur Küste ist noch reichlich Platz auf der Kontinentalplatte. Aber für einen Karlsruher ist das hier schon ganz schön weit oben. Nach Süden hin wäre ich bei gleicher Entfernung schon fast am Gardasee. Ich komme sicher wieder hierher zurück, aber dann wahrscheinlich zur Abwechslung mit dem Fahrrad ;-)