Frankreich 2002/3: Vogesen ⇒ Bericht

Der Himmel ist blau, die Temperatur aber sehr frisch. Trotz oder gerade wegender Kühle, ideales Wochenendwetter für eine schöne Herbsttour in dieNordvogesen. Mit von der Partie sind meine Freundin Vroni und Kumpel Stefan, mitdem wir uns in Hagenbach an der Tankstelle treffen. Nachdem die Tanks gefülltsind, fahren wir am Rhein entlang nach Lauterbourg. Kurz vor der imaginärenGrenze biegen wir aber nach Westen ab und fahren ein Stück durch die Pfalzweiter. In den Pfälzer Dörfern werden am Straßenrand und in den Höfen dieheimischen Erzeugnisse angeboten. Obst, Gemüse, Säfte, Schnäpse undnatürlich auch Wein. Die Kürbisse leuchten in der Sonne von gelb über orangebis rot und machen richtig Appetit. Doch noch ist es zu früh zum Schmausen undwir rollen weiter. Kurz vor Schweigen fallen wir wieder nach Süden ab underreichen Wissembourg. Normalerweise ist das immer unsere erste Café-Station,doch wir wollen heute noch ein gutes Stück fahren und erst später einkehren.

Über Lembach und Climbach fahren wir nach Langensoultzbach. Vor dem Ortzweigt ein Weg ab, den ich schon immer mal ausprobieren wollte, heute biege ichendlich mal dort ein. Aus dem geteerten Wirtschaftsweg wird schon bald eingeschotterter. Dann hört auch der Schotter auf und ein schmieriger Feldwegbeginnt. Wir kommen allerdings nicht weit, denn ein Weidezaun versperrt dieWeiterfahrt. Beim Umdrehen in den Spurrillen habe ich große Schwierigkeiten,denn meine Füße erreichen in den Rinnen kaum den Boden. So fehlt nicht vielund ich werfe beinahe meine Maschine in den Dreck. Vroni rollt vorsichtigrückwärts und ich helfe ihr dann beim Wenden. Stefan versucht es rallyemäßigund will seine Twin mit etwas Anlauf herumrutschen lassen. Doch die Aktionklappt überhaupt nicht und sein Manöver sieht auch nicht besser aus als meines;-). Ok, diesen Weg hätten wir somit auch mal erkundet, wenn auch mitunbefriedigendem Ergebnis. Wir durchqueren den Ort und nehmen danneinen bereits bekannten unbefestigten Weg nach Froeschwiller. Die nächsten Eckpunkte sindNiederbronn les Bains und Ingwiller. Bei dem Versuch eine mir bekannteSchotterstrecke zu finden, verfahren wir uns leider, weil wir diesmal von der"falschen" Seite ins Tal kommen. Von kleinen asphaltiertenWaldstreckchen lassen wir uns dann nach La Petite Pierre führen. Vor dem HotelLion d'Or an der Hauptstraße, in dem ich schon tausend Mal Kaffee getrunken habe,stehen die Tische und Stühle in derSonne und laden uns zum Verweilen ein. Wir lehnen das Angebot nicht ab undfreuen uns schon auf die heißen Getränke. Der Herbst ist eigentlich meineliebste Moppedzeit. Schönes Wetter (wenn es denn schön ist ;-) ) und kalteLuft und während der Tourpausen im Freien sitzen und etwas Heißes trinken. Vorunserem Tisch stehen zwei alte MG Cabrios, auch kein schlechtesFortbewegungsmittel zu dieser Jahreszeit. Aber wenn ich unsere Maschinen so inder Sonne stehen sehe, dann weiß ich doch, wo ich hingehöre ...

Von La Petite Pierre aus machen wir dann einen Bogen nach Westen, kreuzenwieder unseren Weg und erreichen Frohmuhl, dessen Ortskern an einem großenFelsen klebt. Dort gibt es noch einige Häuser bzw. Wohnungen, die direkt in denFels getrieben wurden. Nach einem Boden über Volksberg und Weislingen, streifenwir nochmals Frohmuhl und fahren dann weiter nach Wingen sur Moder. Nordöstlichvon Niederbronn liegt Windstein, unser heutiges Ziel. Das Restaurant Aux DeuxChateaux ist sozusagen unser Stammlokal in den Nordvogesen. In der Scheunebreiten wir unsere Schlafsäcke für die Nacht aus, machen uns etwas frisch,ziehen uns um und schon sitzen wir am Tisch und warten auf unsere Flammkuchen. Doch zunächst serviertuns Nicole, die Wirtin, eine schöne Flasche Côtes-du-Rhone, auf die wir uns schonden ganzen Tag gefreut haben.

Trotz der relativ tiefen Temperaturen war die Nacht im Stroh angenehm. Nacheinem langen Frühstück trennen wir uns von Stefan. Er fährt zu seinerFreundin in die Pfalz, Vroni und ich wollen noch mal in den Süden runter. ÜberBärenthal fahren wir nach Wingen sur Moder, durchqueren La Petite Pierre underreichen Phalsbourg. Hinter Phalsbourg fahren ins Tal hinunter und dann am Rhein-Marne-Kanalentlang. Der 290 Kilometer lange Canal de la Marne au Rhin stellt die Verbindung vom Pariser Becken zur Rheinischen Tiefebene her. Der Kanal beginnt bei Vitry-le-Francois und mündet bei Straßburg in den Rhein. Er erklimmt mit Hilfe von zahlreichen Schleusen, Tunnels und anderen technischen Bauten ganz Lothringen und die Vogesen.Das Schiffshebewerk bei Arzviller, an dem wir nun vorbei kommen, ist wie ein überdimensionaler Fahrstuhl. Eine Wanne mitsamt Wasser und Schiffüberwindet einen Höhenunterschied von 44,5 Metern über eine schiefe Ebene undspart dabei 17 Schleusen ein, zu deren Überwindung gut acht Stunden notwendigwären. Das Hebwerk schafft die Höhe in rund 25 Minuten. Zwischen Walscheidund Abreschwiller schlängelt sich die Straße eng durch den Wald. BeiAbreschwiller treffen wir auf die D44 und biegen zum Col du Donon ab. Mit demSchild "Kurvenreich auf 16 km" beginnt nun eine meinerLieblingsstrecken. Die Straße ist meist holprig und in denKurven liegt oft etwas Split oder Sand, aber mit einer Enduro ist das keinProblem. Kurve voll anbremsen, reinlegen und am Scheitelpunkt wieder Vollgas biszum roten Bereich. Links, rechts, links rechts, kurze Gerade, Vollbremsung,abwinkeln, Vollgas. Das macht Spaß! Trotzdem bleibt noch Zeit genug, die Naturzu beobachten: Die rote Saar (Sarre Rouge) schlängelt sich parallel zur Straße undblitzt in der Sonne, der Geruch nach frisch geschlagenem Holz, die bewaldetenBerghänge  (seit dem Sturm Lothar vor ca. drei Jahren etwas licht). Kurzvor der Passhöhe die "Zielgerade". Auf der Passhöhe steht einkleines Denkmal, dass an die Gefallenen des Krieges erinnert - Frieden undFreiheit ist doch was schönes, denke ich hier immer ...

Als Vroni eintrifft, fahren wir weiter Richtung Schirmeck. In der Kehre beiGrandfontaine zweigt ein Weg ins Tal hinunter ab, dem wir nun folgen. Bei einemBrunnen biegen wir rechts ab und fahren den Berg hinauf. Nach einigenAbzweigungen beginnt ein Schotterweg, der uns durch ein Waldstück zum Sträßchen nach Saulcyführt. Der Schotter ist teils glattgeschoben und teils mit Furchen durchzogen,die durch starke Regenfälle entstanden sind und die unsere Maschinen manchmalvom Wege abbringen wollen. Am Ende der Strecke überwinden wir über einigeKurven die letzten Meter Höhenunterschied zum asphaltierten Weg. Beim Ausrollenan der Einmündung, will ich die Füße abstellen und drehe mich gleichzeitignach Vroni um. Kleiner Fehler, denn ich übersehe dabei die Rinne, in derenTiefe mein Fuß keinen Boden findet. Erst als die schwere Twin starkeSchlagseite aufweist, kann ich das Kippen stoppen und unter großerKraftanstrengung das Motorrad wieder aufrichten - gerade noch mal gut gegangen.Auf dem schmalen Asphaltband schlängeln wir uns ins Nachbartal hinab. Wirpassieren eine Wanderhütte des Vogesen-Clubs, an der wie immer viele Wandererrasten. Bei Moussey halten wir uns ausnahmsweise links und wir versuchen eineneue Strecke zu erkunden. Ein kleiner holpriger Weg führt wieder den Berghinauf. Wir passieren ein paar Häuser, machen einen großen Rechtsbogen undenden in einer Sackgasse. Also wieder zurück und einen anderen Weg ausprobiert.Nach einigen weiteren Fehlschlägen kommen wir unvermittelt wieder auf unserenAusgangsweg zurück. Dann also nicht, denken wir und fahren ein Stück nachSüden weiter. Wir setzen uns in ein Café, das wir schon seit zwei Jahren nichtmehr besucht hatten. Obwohl es recht kühl ist, setzen wir uns natürlich nachdraußen. Der heiße Kakao tut gut und wärmt uns. Nach der Rast müssen wir unslangsam wieder Richtung Heimat aufmachen. Auf einem Nebensträßchen kurven wirzum Col du Hantz hoch und biegen dann Richtung N420 ab. Kurz vor derNationalstraße halten wir uns links und fahren nach Champenay, wo wir zunächstnicht weiter wissen. Eine ältere Dame lehnt sich aus ihrem Fenster und erklärtuns, wie wir weiter kommen. Gemäß ihren Ratschlägen biegen wir am Teichhinter dem Ort in einen Schotterweg ein und folgen diesem Richtung ForsthausSalm hinauf. Die Strecke ist topfeben und recht einfach zu fahren, die wenigenunspektakulären Kurven bergen keine Überraschungen, zumindest nicht, wenn mansich an die vorgeschriebene Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h hält ;-). Wir stoppen an einerKreuzung mit fünf Abzweigungen und rätseln, in welche Richtung wir wohl fahrenmüssen. Wir entscheiden uns für den breitesten Weg, der wohl die Hauptroutedarstellt. Schon nach kurzer Zeit endet dieser Weg aber auf dem Parkplatz eines Restaurants- Sackgasse! Doch was ist das? Auf der anderen Seite des Parkplatzes führt einWaldweg den Berg hinauf. Da überlegen wir nicht zweimal, gehen erst gar nichtvom Gas sondern rollen einfach durch und klettern auf dem festgefahrenenLehmboden den Hügel hinauf. 

Wir tuckern auf einem holprigen Weg durch einen dichten Wald. Mal ist der Wegflach und mal müssen wir kleinere steile Stücke überwinden, bis wir eineLichtung auf dem Bergrücken erreichen, auf der wir rasten. Von hier oben aushat man eine fantastische Aussicht in das Nachbartal und auf die umgebendenbewaldeten Hügel. Tief im Tal drunten hört man Motorengeräusche, das ist dieHauptstraße, die wir erreichen wollen. Der Weg ins Tal ist nun schmal,ausgewaschen und steil. Vroni will da lieber nicht runter fahren, aber ich willnicht umdrehen. Also fahre ich ihre Transalp über das schlimmste Stück, damitwir weiter kommen. Nach einigen hundert Metern kommen wir an eine Verzweigung.Geradeaus führt ein Wiesenweg am Waldrand entlang, rechts ein scheinbar öfterbefahrener Schotterweg über eine Lichtung ins Tal. Beide sind ziemlich steil.Ich laufe ein Stück weit in beide Wege hinein um den für uns besseren zuwählen. Vroni möchte am liebsten wieder zurück, ihr sind beide viel zu steil.Ich biete ihr an, ihre Maschine hinunter zu fahren, aber selbst das will sienicht. Vroni sieht mich schon den Berg hinunterpurzeln und unten an einem Baumzerschellen. Doch ich setze mich durch und rolle vorsichtig auf ihrer Alphinunter. Es dauert nicht lange, bis ich das Vorhaben bereue. Der Weg wirdplötzlich sausteil und der Boden besteht nur noch aus dicken runden Steinen undabgebrochenen Ästen. Immer wieder rutscht die Maschine, kaum noch zu steuern,mit blockierenden Rädern weiter. Irgendwann muss ich doch das Fußeln anfangenund ganz langsam das ca. dreißig bis fünfzig Meter lange steilste undunwegsamste Stück überwinden. Danach sehe ich, dass die "Bahn freiist" und ich unten einen kleinen Auslauf zum Bremsen habe. Jetzt gebe ichGas und rolle mit der Maschine schnell hinunter. Mit Tempo lassen sich diedicken Steine und die Äste viel besser meistern, aber man muss halt auch wiederanhalten können. Mit Erreichen des Waldrandes wird der Weg flacher und ich kanndie Maschine endlich anhalten. Zu Fuß steige ich nun den Berg wieder hoch undmerke erst jetzt, wie steil der Weg tatsächlich ist. Und da muss ich jetztmeine schwere (der 43 Liter Tank ist fast voll) und hohe (meine Füße sindsicher zu kurz für das höhergelegte Fahrwerk) Twin heil runterbringen? Aufhalbem Wege treffe ich auf Vroni, die schon zu Fuß Probleme hat, den Berghinunterzukraxeln. Sie hält mich für total verrückt  und weigert sichvehement meine Talfahrt zu fotografieren, da sie "meinen Tod" nichtauch noch für die Nachwelt festhalten will. Wir haben uns oder besser ichhabe uns ein schönes "Feierabend-Ei" gelegt, wie wir auf derEnduromania immer sagen, wenn wir kurz vor der Dunkelheit noch ein schwierigesStück meistern wollen und uns dabei verschätzt haben ...

Aber es gibt nun kein zurück mehr. Mit der Transalp komme ich wahrscheinlichnicht mehr heil den Berg wieder hinauf. Getrennt weiterfahren bringt auchnichts, weil wir nicht wissen wie die weiteren Wege noch werden und wo wir unswieder treffen könnten. Also muss ich jetzt in den sauren Apfel beißen.Völlig außer Atem erreiche ich dann endlich meine Twin. Ein letzter Blick aufdie noch unbeschädigten Lackteile, ein letztes tiefes Durchatmen und dann gehtes los. Das erste Stück ist noch relativ harmlos, aber dann komme ich an densteilen unwegsamen Teil der Strecke. Obwohl ich nicht gerade der Schwächstebin, habe ich große Mühe den schweren Bock auf Kurs zu halten. Am liebstenwürde ich die Bremse aufmachen und die Fuhre einfach hinunterrollen lassen, wasangesichts des losen Untergrundes sicher das Beste wäre. Aber ich muss untennoch um die Kurve kommen und auf dem kurzen Bremsweg auch anhalten können unddafür wäre ich dann sicher zu schnell. Irgendwann kann ich die ständigrutschende Maschine nicht mehr richtig halten, weil ich mit den Füßen nichtoder kaum auf den Boden komme. Ich steige lieber ab und laufe nebenher. Um diedickeren Steine zu überwinden, muss ich immer gut Gas geben. Dabei will dasHinterrad lieber durchdrehen und die Maschine quer stellen, als das Hindernisüberwinden. Ist sie endlich über den Brocken drüber, bringt die Bremse dasVorderrad zum Blockieren und der Bock schiebt über das Vorderrad seitlich weg.Nass geschwitzt und mit fast platzendem Schädel unter dem Helm kann ich dieTwin gerade noch so halten. Dann habe ich endlich das schlimme Stück hintermir. Umständlich und mit zitternden Beinen steige ich auf und lasse die Fuhreeinfach hinunter rollen. Als ich endlich wieder stehe, würde ich mich amliebsten einfach umfallen lassen. Aber jetzt, wo das "Untier" endlichund unbeschädigt im Tal ist, wäre das mehr als dumm. Mit letzter Kraft stelleich den schweren Brocken ab und lasse mich ins Gras fallen, "Hoffentlichwar es das für heute", denke ich und versuche meinen Puls wieder zuberuhigen. "Bei der Enduromania machen wir so was jeden Tag", versucheich die Aktion bei Vroni herunterzuspielen. Doch Vroni "schimpft" mitmir, weil ich anscheinend auch noch Spaß an der Sache hatte und will mirzukünftige Teilnahmen an der Enduromania verbieten. Aber dann ist bei uns dieAnspannung weg und wir liegen uns in den Armen, froh alles heil überstanden zuhaben. Im Wald fahren wir einen Absatz hinab und rollen dann einen breitenWaldweg entlang, der uns an den Ortsrand von Schirmeck  bringt - endlichwieder Asphalt ...

Beschwingt kurven wir den Col du Donon hinauf und wählen für die Abfahrtdiesmal das Tal der weißen Saar (Sarre Blanche). Über St. Quirin undLettenbach geht es wieder nach Abreschwiller und die übliche Strecke (sieheHinfahrt) über Phalsbourg nach La Petite Pierre. Auf der Deutsch-FranzösischenTouristikroute fahren wir nach Bad Niederbronn. Hatten wir bisherverkehrstechnisch unsere Ruhe, so ist es in Niederbronn wie in jedem Kurort.Viel zu viele Leute fahren viel zu langsam, keiner weiß wo er hinwill, benutztaber die gesamte Straßenbreite, auch die Gegenfahrbahn, um sich diePole-Position zu sichern. An den Kreuzungen zeigen alle, wie langsam sieschneller werden können ;-) Etwas genervt wuseln wir uns durch und erreichenendlich den Ortsausgang. In Jägerthal wählen wir die "kleine"Strecke durch den Wald und fahren an der Sauer entlang nach Lembach. Kurvenreichund flott geht es dann nach Climbach und weiter Richtung Wissembourg. So langsammerken wir die Anstrengung des Tages und sind froh, als wir endlich inWissembourg ankommen. In unserem Stamm-Café am Kreisel trinken wir zurStärkung noch eine Choky, genießen die letzten Sonnenstrahlen und lassen denTag, besonders den "gewissen Teil", nochmals Revue passieren. Schade,das Stefan nicht mehr mit dabei war, da hat er was verpasst - und ist vielleichtfroh drum ... ;-)

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