Österreich 1997/2: Mit der Bohrmaschine durch die Berge

Eigentlich wollte ich irgendwo im Schwarzwald ein paar Teile für meine TA-Sammlung besorgen und dann am Samstag Abend bei Tom in Uhldingen am Bodensee vorbeischauen. Dann klappte das mit der Abholung der Sachen nicht und schlug Tom vor, schon morgens zu ihm zu kommen und mit ihm zusammen nach München zu fahren, wo er einige Ausrüstungsgegenstände für seine "Expedition" holen wollte. Kurz und knapp. Wir verabredeten uns für Samstag um 08:00 Uhr bei Tom daheim.

Ausgerüstet mit einer kleinen Wegbeschreibung und den Koordinaten von "Onkel Toms Hütte, fand ich ohne Probleme zu ihm hin. Nach kurzen Gesprächen über verschiedene G**le Poser Systeme ging es noch schnell dosenmäßig zum Brötchen holen. Nach dem Frühstück fuhren wir gegen halbzehn in Richtung München. Im Gepäck u. a. eine Bohrmaschine, um die Alu-Boxen gleich mit entsprechenden Haltern versehen und an die Maschine montieren zu können. Über die tolle Dosenbahnfahrt brauchen wir hier ja nicht berichten ;-), aber schließlich mussten wir irgendwann in München eintreffen, bevor der Därr Feierabend macht. Um ca. 12:30 trafen wir dort auch mit einem "Direktanflug" [= ohne Verfahrungen ;-))] ein. Flugs durch den ellenlangen Laden gehuscht und in Richtung Bike-Boxen gesteuert. Da ich schon ein paar Mal in arabischen Ländern unterwegs war, konnte ich Tom noch einige nützliche Tipps für seinen Ausflug geben und so besorgte er sich auch ein paar vorher nicht eingeplante Sachen, damit er nicht ganz hilflos dasteht, wenn er z. B. mal 'nen Plattfuß hat.

Die Därr Boxenhalterungen passten natürlich nicht an seinen Honda-Träger, so dass er nur die Boxen gekauft hat und ein Adaptersystem von Touratech verwenden will. Angeblich kommt der ganze Kram morgen per UPS in Uhldingen an. Warten wir es ab. Hey Tom, wir hätten die Bohrmaschine auch in die Boxen packen und mit dem anderen Kram per Post verschicken sollen, statt sie durch die Berge zu schleifen. Nach dem Einkaufsrausch, ich besorgte mir auch noch ein paar Kleinigkeiten, trieben wir unsere Reiseenduros auf einer ebenfalls schnellen Route direkt nach Süden. Noch in München flirtete ich an einer Ampel mit einer Schönheit in einer Dose nebenan, als Tom mich mit "sinnlosem Geschwätz" (sorry Tom ;-) ) ablenken musste und ich schließlich nur noch Schätzchens Auspuff sah.

Kurz vor Garmisch war die erste Pause. Ein kleines Lokal direkt an der Straße, die Moppeds im Blickfeld und - eine süße Bedienung. Kurze braun-blonde Haare, Sommersprossen, ein schelmisches Lächeln und eine Oberweite (2. sorry für die Damen in der geneigten Leserschaft), dass man gar nicht wegschauen konnte. Als sie Tom schließlich das zweitemal fragte, was er denn gern hätte, stammelte er nur noch: "oh, äh, ´tschuldigung, ich habe gerade auf ihr Namensschild geschaut". Das war natürlich vorn an der Bluse angesteckt ;-))). Corinne heißt die schöne Maid, von der wir bei jeder weiteren Pause schwärmten und die wir sicher nicht so schnell vergessen werden, GRR hin oder her.

Weiter ging es über Leermoos und den Fernpass nach Imst. Der Fernpass war natürlich mit Dosen und schneckigen Bikern (ich wusste gar nicht, dass es unter Motorradfahrern auch Sonntagsfahrer gibt) vollgestopft. Ich war durch meine überdimensionale Baubreite - schließlich hatte ich meine Därr Big Boxen montiert, 105 cm breit - ein wenig behindert, konnte aber dennoch sehr gut mit Tom mithalten, der sich geschwind überall durchwurschtelte und wir hakten dieses Nadelöhr relativ schnell ab. In Imst angekommen nahmen wir Kurs in Richtung Ötztal. Von Ötz (im Ötztal) geht es in wunderschönen Kurven flott bergauf zum Kühtai. Nette Pensionen liegen am Rande und man hat wunderbare Aussichten. Und überall Kühe. Links, rechts und natürlich auch auf der Fahrbahn. Einmal waren sogar zwei Bullen am Straßenrand, nein, die anderen, mit einer Radarpistole. Aber trotzdem ist es eine wirklich schöne Strecke, die dann leider nach Überschreiten der Baumgrenze in etwa 1700 m Höhe, nur noch von kargem Boden gesäumt wird. Im Bereich der Passhöhe erblickt man dann diverse Einheitshotels in modernem Tiroler-Look, die scheinbar dazu dienen sollen, dass im Winter die Berge noch mehr platt gewalzt werden. Was uns noch auffiel war eine 'Einkehr', die auf einer riesigen Tafel "Busse und Motorradfahrer" einlud, doch dort eine Pause zu machen. Tom und ich waren uns einig, dass wir d o r t auf keinen Fall einkehren würden und drehten noch mal kräftig am Gas. Auf der Passhöhe mussten wir natürlich unsere G**len Poser Systeme testen. Immerhin zeigten unsere Gurken eine Höhe von 2010 - 2040 m über NN an, wobei die reale Passhöhe bei 2020 m liegt. Die Abfahrt ins Tal zur alten Brennerstraße hinunter war mit einigen Baustellen versehen, die wir allerdings sofort als Trainingsstrecke für Schotterfahrten nutzten. Als wir dann endlich in Schönberg bei meiner Stammpension ankamen, mussten wir leider feststellen, dass sie schon ausgebucht war. Wir wurden sofort an die Verwandtschaft im Ort weitergeleitet mit dem Ergebnis, dass auch dort kein Zimmer mehr frei war. Zum Glück ist die Verwandtschaft groß, so dass wir beim dritten Anlauf doch noch ein Zimmer bekamen.

Kaum hatten wir unsere Habseligkeiten aufs Zimmer gepackt, brach ein Gewitter mit allem drum und dran aus, gerade noch mal Glück gehabt. Nach dem Duschen haben wir uns einen Schirm ausgeliehen und sind zum Essen, natürlich auch zum Trinken, den die vielen Kilometer im Sattel machen durstig. Natürlich kommen wir aus dem Schwafeln kaum noch raus, Satelliten-Navigation, Astro-Navigation, Segeln, Moppedfahren und natürlich immer wieder Corinne. Als waschechte GRRs mussten wir bei letzterem Thema immer wieder mal den Blutdruck kontrollieren bzw. einen Zug aus der Sauerstoffmaske nehmen. Am Ende war es fast halbeins, als wir endlich in der Falle lagen. Um 06:30 Uhr klingelte mein Wecker und nach einigen Reanimationsversuchen holte ich auch Tom wieder in unsere Welt zurück. Pünktlich um sieben standen wir am Frühstücksbuffet und schaufelten "gesunde" Nahrung auf unsere Teller. Corn-Flakes, Haferflocken, Joghurt und Obst, Fruchtsaft und Milch. Ich machte die Gesundheit wieder mit dicken Wurst- und Käsebroten zunichte, Tom mit einigen Zigaretten. Unser Frühstücksgesprächsthema kann sich inzwischen jeder denken.

Nun ging es in Richtung Brenner weiter, leider bei einem grau zugezogenem Himmel. Der Fahrfreude tat dies jedoch kaum einen Abbruch. Hinter dem Brenner mussten wir noch einige Dosen in den Kehren überholen, denn wenn sie noch ein klein wenig langsamer gefahren wären, hätten sich ihre Karossen rückwärts bewegt. Dann ging es rechts zum Jaufenpass hoch, ja ja, Tom, ich weiß, Du hättest jetzt sicher die genauen Koordinaten oder zumindest die Kompasszahl gewusst. Auf jeden Fall waren da schon wieder komische Biker unterwegs. Bei einem in Chopper-Outfit gekleidetem Affentwinfahrer hätte bei Tom beinahe das Herz versagt. Er und seine Kollegen auf einer CBR 1000 und irgendeiner Kawa bestachen durch ihre beherzte Fahrweise. Ja, auch Dosen die langsamer als 40 km/h fahren dürfen überholt werden, Polizeidosen sowieso. Mann, wir sind bestimmt schon aus Altersgründen keine Raser, aber so ein Pässchen darf man schon schneller als die Fahrradfahrer hoch kurven. Auf der Passhöhe ist es dann schon recht kühl und auch das laszive herüberlächeln der zerpircten Nudel auf ihrer KLE gegenüber, ändert nichts an unserem empfinden, gegen Corinne kommt die noch lange nicht an. Bei der Abfahrt ins Tal werden wir von drei freundlichen GS-Fahrern vorbei gewunken, an den unfreundlichen Dosentreibern müssen wir uns vorbeikämpfen. Da wird bei jeder Kurve ausgeholt wie mit einem 38-Tonner, grundsätzlich bleibt man in der Fahrbahnmitte, auch wenn noch so viele Biker sich hintendran stauen. Doch wenn ich mit meinen dicken Koffern komme, weichen sie doch aus. Die Angst, dass sie einen Kratzer in ihr "Heiligs Blechle" kriegen lässt sie weichen. Vom Jaufenpass geht es dann direkt aufs Timmelsjoch hoch. Leider fängt es an zu nieseln und oh Wunder, auf einmal läßt Tom die Wutz fliegen. Erst erklärt er mir, dass er nur langsam fahre, aus Angst seine Mühle kurz vor seiner Nahostreise zu schrotten und dann, als die Straße nass ist, komme ich kaum noch hinter ihm her. Zwischendurch weicht der Regen etwas, die Straßen sind wieder trocken, aber hinter der nächsten Kurve nieselt es schon wieder. Zum Glück braucht man den Regenkombi (noch) nicht auszupacken. Oben beim Mauthäuschen auf der österreichischen Seite werden die obligatorischen neun Mark abgedrückt, bevor wir uns hinunter nach Sölden winden. Kurz vor Hochgurgl warnen uns einige Motorradler und sogar Dosenfahrer vor weiteren Mautzahlungen an laserbewaffnete Gendarmen. Bevor es dann wieder nach Ötz weitergeht, setzen wir das gesparte Geld in Kaffee und Apfelstrudel mit Vanillesoße um. In Ötz füllen wir noch mal unsere Tanks auf und fahren dann wieder über Imst in Richtung Bregenzer Wald weiter. Auf dem Hahntennjoch muss ich dann doch noch in den Wasserdichten schlüpfen, neugierig von einer Kuh am Straßenrand beäugt. Der Regen wird etwas dichter und das Fahren macht keinen rechten Spaß mehr. So arbeiten wir uns regelrecht die Kehren vom Joch herab, die Kehren des Hochtannbergpasses wieder hinauf, auf der anderen Seite wieder runter und setzen uns dann auf eine überdachte Hotelterrasse, um einen weiteren Kaffee zu trinken und um noch einen Strudel zu essen, diesmal zur Abwechslung mit Sahne. Die anderen vornehmen Besucher des etwas besseren Hotels betrachten uns mit einer Mischung aus Neugier und Ablehnung, schauen verstohlen auf unsere Maschinen und wundern sich, was da wohl immer so piepst. Mein GPS hat im Schatten des Hotels keinen guten Empfang mehr und will mir das lautstark mitteilen. Toms Maschine steht genau daneben, aber bei ihm piepst nichts. Sollte das GPS II doch einen besseren Empfang haben, als mein altes 45er?

Den weiteren Weg lege ich bei immer trockener werdendem Wetter trotzdem in der Gummihaut zurück. Irgendwie bin ich zu faul zum Anhalten. Wir erreichen dann auch bald den Bodensee und Tom, als Ortskundiger, führt mich auf Schleichwegen um die Touristenstaus am See herum. Auf einem Feldweg machen wir dann eine kleine Pause. Ich schäle mich aus der Latexhaut, spanne meine Kette und schaue argwöhnisch in die grollenden dunklen Wolken über uns. Sollte ich nach all der trockenen Fahrt in der Regenhaut das Ding wieder anziehen müssen? Wir beschließen zunächst in ein Café zu fahren und das Wetter dort im Auge zu behalten. In Überlingen lassen wir die Tour noch mal bei einem Eiskaffee Revue passieren. Dann geht es zu einem letzten gemeinsamen Tanken und wir verabschieden uns. Kurz vor Stuttgart werde ich noch einmal vom Schicksal hart geprüft. Von vorne scheint die Sonne milchig und von oben setzt von jetzt auf gleich ein regelrechter Wolkenbruch ein. Gerade jetzt durchfahre ich eine Baustelle ohne Haltemöglichkeit. Doch auch wenn eine da gewesen wäre, hätte ich nicht mehr die Zeit gehabt, mich vor dem kühlen Nass zu schützen. Ich fahre also tapfer und klatschnass weiter, in der Hoffnung das mich der Wind wieder trocknet und mich der Gedanke an "unsere" Corinne wärmt.