Schweiz 2003: Swiss KTM Treffen ⇒ Bericht

Die Kirchturmuhr schlägt fünfmal einen harten Gong, 17:00 Uhr. Nachdem wir Ort und Zeit des Treffpunkts schon zweimal verschoben haben, sind wir nun um einiges später dran als geplant. Dafür sind wir zumindest schon mal im Elsass, zuhause bei Marcel. Wegen der fortgeschrittenen Zeit führt uns Marcel auf gut ausgebauten Wegen nach Süden, so dass wir erst mal ein ordentliches Stück rasch überbrücken können. Zwischen St. Die und Gerardmér biegen wir endlich wieder auf endurogerechtere Strecken ab. Die holprigen Straßen machen uns gleich viel mehr Spaß. Leider schieben sich einige dunkle Wolken vor die untergehende Sonne und wir überlegen unser weiteres Vorgehen. Bis Roggenburg, dem Ort wo das KTM-Adventure-Treffen stattfindet, sind es noch ca. 150 km. Die Nacht bricht herein und evtl. fängt es auch noch an zu regnen. Wir beschließen hier in den Vogesen zu übernachten, das Treffen beginnt eh erst morgen. Michael und ich kennen einen netten Campingplatz bei Kruth, den wir ansteuern wollen. Zunächst donnern wir den Col de la Schlucht hinauf und biegen oben auf die Route de Cretes ab. Um diese Zeit sind wir fast alleine auf der Strecke und können die Pferdchen ordentlich laufen lassen. Über ein Schotterstreckchen verlassen wir die Kammstraße und rollen ins Tal hinunter. Dort folgen wir dem gewundenen Lauf eines Baches, der sich irgendwann in einen Stausee ergießt. Wir umfahren den See und biegen zum Campingplatz unterhalb der Staumauer ab. Wir bauen rasch die Zelte auf, duschen und gehen dann zum Camping-Restaurant. Die Auswahl ist nicht sehr groß, Pizza und Pommes, also nehmen wir Pizza und Pommes. Zum Essen spielt eine Musikgruppe aus dem Nachbardorf mehr oder weniger Volksmusik, aber auch ein paar moderne Titel – die allerdings auch im Stile des Musikantenstadels. Da das nicht unbedingt unsere Musikrichtung ist, gehen wir schon bald zu den Zelten zurück, wo noch zwei Flaschen Rotwein auf uns warten.

Um halb sieben gebe ich, zum Schrecken meiner Mitreisenden, das Signal zum Aufstehen. Langsam, nein noch langsamer, quälen sich die Burschen aus den Schlafsäcken und stolpern Richtung Waschhaus. Bis die anderen so halbwegs in die Pötte gekommen sind, habe ich meinen Krempel schon reisefertig auf der Maschine zusammengeschnürt. Irgendwann sind dann endlich alle so weit. Wir rollen mit ausgeschalteten Motoren den Weg hinunter, um die Nachbarn nicht zu wecken. Der Schwung reicht bis zum Waschhaus. Hier muss Ralf seine Kati ankicken, denn die Batterie ist defekt - war sie zuhause schon ... Als wir durch die Dörfer fahren, riecht es überall nach frischem Brot. Hm, wann frühstücken wir endlich? In Thann biegen wir von der Umgehungsstraße in die Innenstadt ab. An einem kleinen Platz gibt es ein Café mit kleinen Tischen an der Straße. Die Morgensonne streift gerade über den Platz. Genau so was haben wir gesucht. An der Theke bestelle ich auf französisch Café au Lait und Crossaints. Die Verkäuferin antwortet in gebrochenem Deutsch: „Warten draußen an die Tisch, die Mädchen kommen gleich!“ Huch, hab ich was falsches bestellt ;-) Die Motoren knistern beim Abkühlen, das Frühstück schmeckt lecker und wir räkeln uns in der Sonne während der Ort erwacht. Noch stundenlang könnten wir hier sitzen, doch wir müssen weiter.

Wir verlassen die Vogesen und durchqueren eine Ebene, die trotz des flachen Verlaufs zahlreiche Kurven aufweist. Leider sind auch die Ortsdurchfahrten recht zahlreich, aber wenigstens verkehrsarm. Kurz vor der schweizer Grenze fahre ich nur noch nach GPS-Koordinaten. Wir kommen immer bis auf zwei bis drei Kilometer an unser Ziel heran, jedoch führt nie ein Weg hin. Irgendwann haben wir Roggenburg ganz eingekreist. Beim Vergleich mit Marcels Koordinaten bemerke ich, dass ich einen Zahlendreher im GPS habe und deshalb immer falsch gefahren bin – wenigstens kann man hier deswegen nicht verdursten ... Marcel übernimmt nun die Führung und ruck zuck haben wir das Endurogelände erreicht, wo das Treffen stattfindet. Nachdem wir uns alle begrüßt haben, versuchen wir die (unbekannten) Gesichter den Namen aus dem Forum zuzuordnen. David zum Beispiel sieht ohne sein dickes Auge (das Foto kennt sicher jeder Forumisti) gleich viel besser aus. Wir stellen die Zelte auf und wollen danach an der geführten Offroad-Tour teilnehmen. Doch die beginnt erst in zweieinhalb Stunden, zulange um zu warten oder auf dem Endurogelände die Maschine zu schrotten. Da fahren wir lieber auf eigene Faust ins Jura hinein, einige Streckchen haben wir ja auch noch im Hinterkopf.

Nicht weit vom Camp entfernt lockt uns gleich ein Feldweg von der Straße runter. Wir folgen dem Schotterstreifen, der durch abgeerntete Felder führt, bis uns Graben mit einem Bach von der Straße trennt. Marcel fährt gleich hinunter und klettert souverän die steile Gegenseite hinauf. Ich versuche es ihm nachzumachen. Mist, das Wasser tiefer als ich dachte und eigentlich wollte ich weiter rechts hinauf. Kleine Lenkkorrektur, zuwenig Gas, tucker-tucker, Motor aus und aaahhhhh! Schon liege ich auf der Seite - zum Glück im trockenen Bereich des Grabens. Schnell die Kiste wieder aufgehoben und den Buckel hinauf gefahren. Michael und Ralf durchqueren weiter rechts den Graben, so bleibt ihnen ein ähnliches Schicksal erspart. Aber von solchen Kleinigkeiten lassen wir uns nicht abhalten, weiter geht die Post. Aus der Karte suchen wir uns die kleinen weißen Sträßchen heraus, vorzugsweise die, die als landschaftlich schön gekennzeichnet sind. Auf einem schmalen Weg überqueren wir eine Alm. Als wir vom Weidegebiet in den Wald kommen, versperrt plötzlich ein dicker schwarzer Draht oder ähnliches den Weg. Ich gehe voll in die Eisen und komme gerade noch zum Stehen. Aber es ist nur eine Art Viehgitter, zwei antennenartige Querstäbe, die an einem federbelasteten Gelenk aufgehängt sind, die mich so erschreckt haben. Bisher kannte ich nur die Kuhgitter am Boden oder Tore, die man öffnen und schließen muss. Man lernt halt nie aus.

Ralfs Kati muckt etwas herum, seit er auf Reserve geschaltet hat. Ist es die Spritversorgung oder die kaputte Batterie. Als wir französischen Boden erreichen, entschließt er sich zur Umkehr. Bis zum Camp kommt er wahrscheinlich noch, bevor die Batterie ganz hinüber ist. Notfalls gibt es dort auch einen KTM-Händler. So trennen sich leider unsere Wege, wir fahren weiter nach Westen, in das Tal des Doubs. Das Flüsschen Doubs (übersetzt heißt das Zweifel bzw. Unschlüssigkeit) misst von der Quelle bis zur Mündung in die Saône nur ca. 90 Kilometer Luftlinie. Tatsächlich aber mäandert der Fluss über eine Strecke von ca. 430 Kilometer durch das Gestein, bis es nach ca. 757 Meter Höhendifferenz endlich am Ziel ist. Daher auch der Name, ein ständiger Zweifel, ob die Richtung stimmt. Ein solch kurvenreicher Wasserlauf ist natürlich ideal, um ein motorradfreundliches Sträßchen an dessen Ufer zu bauen. So folgen wir den Bögen und Kurven soweit es geht. Zur Mittagszeit kaufen wir in einem Supermarkt Käse, Brot und Softdrinks. Dann kurven wir einen Berg hinauf und nehmen ein Schotterstück in Angriff, das zu einem Memorial führt. Im Schatten des Gedenksteines machen wir Pause und Vespern. Dabei versuchen wir so gut es geht die französische Inschrift zu entziffern. Soweit wir das verstehen können, hatte im 2. Weltkrieg eine Art Polizeitruppe der nazifreundlichen Vichy-Regierung, hier einige junge Männer hingerichtet. Hm, nicht gerade der ideale Platz für ein Vesper. Aber Teil der unrühmlichen französisch-deutschen Geschichte. Zum Glück ist heute die Freundschaft zwischen den Ländern stärker als je zuvor.

Wir überqueren einen Bergrücken auf losem Schotter. Kilometerweit zieht sich der Weg teils um und teils über den Hügel. Einige Male müssen wir durch Sperrtore für das Vieh fahren. Jedes Mal hoffen wir, dass kein wilder Stier auf der Weide ist. Aber es sind nur harmlose Kühe und Pferde, die uns neugierig nachblicken. Ein entgegenkommender Traktorfahrer grüßt freundlich, als er auf die Seite fährt, um uns Platz zu machen. Dann nehmen wir einen steilen Abzweig nach unten. Der Boden ist hier erdig und feucht. Ich überbremse etwas und liege schon das zweite Mal für heute. Was soll nur Transalp-Fahrer Michael denken, wenn er die KTM-Fahrer ständig am Boden liegen sieht ;-) Marcel rollt bis zur nächsten Einmündung runter und wartet dort auf uns. Plötzlich neigt er sich ganz an die Seite und gibt Zeichen, dass wir stoppen sollen. Schon kommt ein Wahnsinniger auf einem Quad vorbeigeflogen. Zuerst bremst er irritiert, dann ein zaghafter Gruß und schon ist er wieder verschwunden. Dem Geräusch nach, hätte es auch eine ganze Bande Crosser sein können, die den Berg hinaufgeflogen kommt. Da ist mir das gemütliche Endurowandern schon lieber.

So langsam müssen wir nun den Bogen zurück in die Schweiz wieder finden. Natürlich auch wieder auf möglichst kleinen Sträßchen. Wir fahren nach Norden und bleiben dann parallel zum Tal der Dessubre auf der Kammstraße bis nach St. Hippolyte. Dort kaufen wir für den Abend Wein und Wasser ein, schnallen alles auf die Moppeds und düsen weiter. Zwischen St. Ursanne und Delémont macht die Straße einen tiefen Bogen nach Süden. Lt. Karte kann man diesen auf einem Schotterweg abkürzen und einige Kilometer sparen. Zum Glück finden wir den etwas versteckt liegenden Einstieg. Der Weg führt zunächst durch einen Wald auf ein Plateau mit Weiden. Dann kommen wir an zwei Bauernhöfe vorbei und tuckern auf einem mit Kuhfladen übersätem Wirtschaftsweg auf die nun nordwärts führende Straße. Zahlreiche Kurven später erreichen wir das Camp, wo wir anscheinend schon lange erwartet werden. Der Grill läuft schon auf Hochtouren und die meisten sind am Essen. Vor dem Essen wollen wir noch rasch duschen. Die Tour war trotz viel Spaß auch anstrengend. Da spüren wir auch nicht so, dass das Duschwasser eiskalt ist. Zwischendurch erfahren wir, dass GG71 sich auf der Cross-Strecke abgelegt hatte und sein Schlüsselbein gebrochen ist, so ein Mist. Wenigstens ist er mit seiner Maschine auf dem Anhänger angereist, so muss er nicht auf dem Mopped oder mit dem ADAC heimfahren. Nach dem reichlichen Abendessen werden wir mit zwei Diavorträgen zum Träumen angeregt. Südamerika und Libyen, zwei völlig unterschiedliche Ziele und doch beide auf ihre Art begeisternd. Das ist natürlich Gesprächsstoff für den harten Kern, der noch lange an den Tischen sitzt und klönt. Da kommt der Wein gerade recht, oder Ralfs Scapa, mit dem er seine Batterieerlebnisse vergessen will.

Letzte Nacht hat es zwar geregnet, aber heute Morgen ist komischerweise alles trocken. Der Himmel ist aber immer noch, oder schon wieder, dunkelgrau und verheißt nichts Gutes. Prompt fängt es nach dem Frühstück auch an zu regnen. Erst zaghaft, dann stärker, zwischendurch hört es immer wieder mal auf. Die Straßengruppe macht sich zur Abfahrt bereit und versucht sich von der Feuchtigkeit nicht beeindrucken zu lassen. Auch unsere Gruppe steht zur Abfahrt bereit, wir wollen an der geführten Offroad-Tour teilnehmen. Wegen des Regens wird der Start immer weiter hinausgeschoben. Irgendwann kommt dann die Straßengruppe früher als geplant und recht nass zurück. Nach einer Stunde scheint der Regen nachgelassen zu haben und wir wollen es nun wagen. Kaum sind wir ein paar Kilometer gefahren, müssen wir auch schon die Regenkombis anziehen. Jetzt ist es eh egal, also weiter. Die Strecke durch den Wald ist rutschig und schmierig. Unser Guide fährt eine LC8 und muss auf einer abschüssigen Strecke in den Randstreifen ausweichen. Mit den leichteren LC4 müssen wir nicht so kämpfen. Als der Guide dann aber sagt, nun beginne das schwierige Stück und er drehe um, um uns oben wieder zu treffen, wird mir doch etwas mulmig. Wir fahren auf der Strecke weiter, aber so schlimm wie ich dachte, wird es dann doch nicht. Zum Schluss fahren wir noch eine extra Runde, jetzt wissen wir ja, was uns erwartet. Wegen dem Wetter haben wir doch recht bald die Schnauze voll und kehren zum Lager zurück.

In der Zwischenzeit haben sich die meisten schon zur Heimfahrt fertig gemacht. Einige wenige wollen noch bis morgen bleiben. So tragen wir die Zelte zum Trocknen in das scheunengroße Aufenthaltsgebäude und schieben die Moppeds gleich dazu ins Gebäude rein. Die Matratzen und Schlafsäcke breiten wir auf der Bühne aus, so dass auch der Schlaf gesichert ist. Zwischendurch versuchen wir die Lichtanlage an Davids Anhänger zu reparieren, was uns auch gelingt. Der letzte Fehler (das Bremslicht geht nicht) liegt am betagten Land Rover, wahrscheinlich ein Kurzschluss. Wenigstens gehen Licht und Blinker, das muss reichen bis er zuhause ist. Nachdem nur noch die Nacht-Crew vor Ort ist, wirft Marc den Grill an und fängt an Hähnchenschenkel und Koteletts zu brutzeln. Während er Koch spielt, verdrahten wir noch den CEV-Schalter für seine Blinker korrekt. Nach dem Essen untersuchen wir noch die Technik der beiden Rallye-KTMs und der beiden Vorführmaschinen (LC8 und 03er Adventure), die noch im Gebäude stehen. Es gibt also mehr als genug Gesprächsstoff. Nebenher müssen wir auch noch den restlichen Wein, die gehorteten Biere und Ralfs Scapa vernichten, also genug Arbeit für die Nacht ;-)

Während sich die anderen nach dem Frühstück zur Heimfahrt verabschieden, haben Ralf und ich noch zwei Tage Zeit, um das Jura unsicher zu machen. Das Wetter scheint auch einigermaßen mitzuspielen, zumindest ist es trocken. Zunächst fahren wir wieder nach St. Ursanne, um dort die Tanks mit günstigem schweizer Sprit zu füllen. In St. Hippolyte setzen wir uns erst mal gemütlich auf die Sonnenseite eines Cafés und trinken einen Café au Lait, während wir die weitere Strecke planen. Ab St. Hippolyte fahren wir durch das Tal der Dessoubre, diesmal aber wirklich unten im Tal, wo es so richtig kurvig ist. Wir durchqueren kleine verschlafene Dörfer und schlängeln uns zwischen Feldern, Weiden und dem Flüsschen hindurch. Hin und wieder sieht man einen Angler in seinem Boot sitzen und auf den Biss warten. Richtig schön provinziell, aber im positiven Sinne.

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