Albanien 2011: Bericht

Kaum zu glauben, aber meine letzte Motorradreise ist tatsächlich schon vier Jahre her. In der Zwischenzeit war ich natürlich auch unterwegs, mit dem Mietwagen oder oft mit dem Fahrrad. Es war also wieder mal Zeit, den Feuerstuhl aus der Garage zu holen und auf Tour zu gehen.

Vroni und ich starten bei halbwegs gutem Wetter in Karlsruhe. Statt der langweiligen Autobahn wählen wir den Weg über die Schwarzwaldhöhen, um zum Bodensee zu gelangen. Dieser empfängt uns mit einem schönen Panorama, oben blau, unten blau und dazwischen viel Grünzeug. Auf österreichischen Straßen fahren wir weiter Richtung Süden, überwinden den Hochtannbergpass und erreichen so das Lechtal. Einige Kilometer weiter wartet der Reschenpass auf uns, über den wir in das sonnige Südtirol einfallen. Rechts liegt der Reschensee vor uns, durch sein derzeitiges Niedrigwasser steht der berühmte, aus dem See ragende Kirchturm fast auf dem Trockenen. Wir gleiten an seinem Ufer entlang und bestaunen die schneebedeckte Ortlergruppe, die sich vor uns am Horizont ausbreitet. Dabei fällt uns ein, dass heute zufällig das Stilfser Joch öffnet. Jedoch verpassen wir den Abzweig und bemerken dies erst, als es viel zu spät ist. Zum „schwachen“ Ausgleich fahren wir in das Ultental hinein und wollen den Mendelpass quasi von hinten erobern. Gleichzeitig will ich mir die Strecke anschauen, weil ich Ende Juli zusammen mit Freunden aus dem Fahrradclub genau diese Strecke abradeln möchte. Die Strecke ist schön zu fahren, zumindest mit dem Motorrad ;-). Kurvenreich steigt die Straße immer weiter an, außer uns sind kaum andere Fahrzeuge unterwegs, so dass wir uns voll auf die Naturschönheiten konzentrieren können. Die Gegend wird immer einsamer und erst  die einbrechende Dämmerung bringt uns auf den Gedanken, dass wir uns etwas sputen sollten. Bei Castelfondo erreichen wir wieder zivilisiertes Gebiet und etwas später zweigen wir zum Mendelpass ab. Mit dem motorisierten Zweirad ist die Passhöhe schnell erreicht und schon rollen wir auf der anderen Seite nach Kaltern hinab. Dort wartet schon Fahrradkumpel Björn auf uns, bei dem wir diese Nacht verbringen werden. Das Abendessen findet italienischerweise in einer Pizzeria statt, wohlwissend, dass Italien kulinarisch natürlich viel mehr als nur Pizza zu bieten hat. Auf das Eis bei Innerhofer müssen wir jedoch wegen der fortgeschrittenen Zeit leider verzichten.

Der Weg nach Venedig ist nun nicht mehr weit – eigentlich. Da wir noch massig Zeit haben, plant Vroni einen „Umweg“ über den Passo Manghen. Doch zunächst fahren wir nach Bozen zu Hein Gericke und besorgen eine neue Tachowelle für Vronis Transalp. Diese ist gestern kurz hinter dem Reschenpass gemeinerweise gebrochen. Über das Eggental steigen wir nach dem Ersatzteilkauf in die Dolomiten ein und klettern zum Passo di Lavazze hinauf. Auf dem folgenden Weg nach Cavalese fährt eine Polizeistreife vor uns. An einer Baustellenampel winken sie uns ganz nach vorne, damit wir bei grün gleich los düsen können. Ist doch nett, oder? Minuten später erreichen wir den Einstieg zum Passo Manghen. Eine sehr schmale Straße mäandert zur Passhöhe hinauf. Der Weg verläuft durch einen schattigen Wald, der die brennende Sonne verdeckt und uns angenehme Kühle spendet. Auf der Passhöhe setzen wir uns dann auf die Terrasse der Hütte und genehmigen uns einen Pausen-Cappuccino. Die Abfahrt nach Borgo ist genauso kurvenreich, jedoch weniger schattig. Bei Borgo wechseln wir auf die Bundesstraße durch das Val Sugana. Von oben sah dieser Einschnitt noch sehr reizvoll aus, tatsächlich rollen wir nun mit vielen rasenden LKW um die Wette. Erleichtert erreichen wir Bassano del Grappa das Ende des Tales. Vor uns öffnet sich eine Ebene, an deren Ende Venedig auf uns wartet. Fast schon können wir die salzige Luft der Adria riechen.

Im Hafen von Venedig hole ich unsere hinterlegten Tickets ab. Auf dem großen schattenlosen Platz vor der Fähre müssen wir wartend in der Sonne brüten. Da Igoumenitsa als erstes angefahren wird, kommen Reisende mit diesem Ziel als letztes auf das Schiff und Motorradfahrer gar als allerletztes. Rasch beziehen wir unsere Kabine und huschen unter die Dusche. Rechtzeitig zur Abfahrt stehen wir dann mit zahlreichen anderen Touristen an der Backbord Reling und lassen Venedig an uns vorüber ziehen. Dieses Panorama ist einer der Gründe, warum wir lieber von Venedig aus nach Griechenland übersetzen, als von Ancona.

Nach einer angenehmen Nacht und einem sonnigen Tag auf der Fähre, legen wir abends in Igoumenitsa an. Einige Kilometer fahren wir noch nach Süden zu unserem vorgebuchten Hotel am Lychnos Beach. Dort bekommen wir erst einmal einen Schreck, denn die Unterkunft ist zum Teil noch eine Baustelle. Die Rezeptionistin bietet uns an eine gleichwertige Bleibe zu organisieren. Alternativ bräuchten wir nur eine der beiden gebuchten Nächte zu bezahlen. Da es schon spät ist, entscheiden wir uns für die zweite Variante. Wir beziehen unser Zimmer und noch vor dem Duschen laufen wir im Dunkeln zur Taverne an den Strand hinunter. Wir sind die einzigen Gäste und so bitte ich den Chef die momentane laufende Popmusik gegen typisch griechische Musik zu tauschen. Für mich gehört das in Griechenland einfach zusammen: das Klimpern der typischen Melodien, im Hintergrund etwas Meeresrauschen und dazu leckere landestypische Speisen.

Noch vor dem Frühstück, das wegen dem noch nicht bezugsfertigen Speisesaal im Zimmer serviert wurde, habe ich die Tachowelle an der Transalp gewechselt. Nun starten wir gemeinsam auf Vronis Maschine zu einer Sightseeing-Tour. Kaum 50 Meter weiter legen wir uns beinahe hin. Irgendwoher ist Wasser über die Straße gelaufen, natürlich genau in einer Kehre. Die selbst trocken kaum griffigen griechischen Straßen werden bei Nässe zu einer wahren Rutschpartie. Zum Glück kann ich die Fuhre gerade noch abfangen. Auf dem Weg zur Küste fahren wir in eine Schlucht hinein, bis es nicht mehr weitergeht, zumindest motorisiert. Wir wollen eine Quelle erkunden, die hier irgendwo entspringen soll. Wo genau das Irgendwo ist, offenbart uns eine Hinweistafel. Das Wo ist plötzlich nicht mehr ganz so wichtig, als wir das Wieweit gewahr werden. Fünf Kilometer Fußmarsch attestiert uns das Schild! Wir beschließen Schusters Rappen nicht mehr als unbedingt notwendig zu strapazieren, denn in unseren Motorradklamotten und bei dieser Hitze ist diese Streckenlänge nicht akzeptabel. Da lassen wir uns lieber an der Küste die Meeresbrise durch die Ritzen wehen, während wir unseren Weg nach Preveza fortsetzen. In dieser Stadt gibt es jedoch weniger zu sehen als gedacht, wenigstens gibt es eine Art Eiscafé. Wegen der Sprachbarriere suchen wir die Eissorten nach der Farbe aus, die Aufschriften auf den Schildchen können wir zwar lesen, aber nicht verstehen. So gut wie beim Italiener ist die süße Pampe nicht, aber wenigstens ist das Zeug kalt.

Den Rückweg bestreiten wir über das Landesinnere. In brütender Hitze bestaunen wir die Überreste einer alten Basilika. Als ich durch ein Gebüsch auf die andere Seite einer Mauer schlüpfen will, bewegt sich etwas unter mir. Eine für griechische Verhältnisse riesige Schlange züngelt zwischen meinen Beinen. Vor Schlangen habe ich zum Glück nicht so viel Angst wie vor Hunden, deshalb bleibe ich ruhig und das Reptil tritt den Rückzug an, anstatt mich zu beißen - ich passe ja eh nicht in ihr Beuteschema. Ein ganzes Stück weiter nördlich sind wir auf der anderen Seite des Flusses von heute Morgen. Doch auch von hier aus ist der Weg zur Quelle nicht kürzer. Apropos Quelle, etwas trinken könnten wir auch wieder mal. Dazu bietet sich die Taverne vorn an der Gabelung an. Diesmal wählen wir landestypisch Frappé, das ist zusammen mit Milch aufgeschäumter Nescafé, mit kühlenden Eiswürfeln. Während wir im Schatten dösen, dem rauschenden Bach zuhören und am Trinkhalm nuckeln, wird es plötzlich finster. Donnergrollen rollt durchs Tal und mahnt zum sportlichen Aufbruch. Das Problem mit nassen Straßen in Hellas haben wir ja schon weiter oben erörtert. Starke Windböen beschleunigen unseren Aufbruch und wir flüchten in die Richtung, in der der Himmel noch hell ist. Tendenziell ist das auch die Richtung unserer Unterkunft und umso näher wir dem Meer kommen, desto besser wird auch das Wetter.

Heute wollen nach Albanien hinüber wechseln. Kurz vor der Grenze kehren wir nochmal in einem Café ein, genehmigen uns eine kalte Cola gegen die Hitze und ordnen unsere Papiere. Reisepass, Fahrzeugpapiere und Grüne Versicherungskarte wandern griffbereit in den Tankrucksack. Wenig später stehen wir am Schlagbaum und der albanische Grenzer tippt unsere Daten in den Computer ein. Die Angelegenheit dauert fünf Minuten, dann öffnet sich der rot-weiße Balken und wir rollen auf uns unbekanntes Gebiet. Die Schlagloch- und die Mercedesdichte nimmt sprunghaft zu und auch die erste Schotterstrecke lässt nicht lange auf sich warten. Wie erwartet, haben Landkarte und Wirklichkeit nicht vieles gemeinsam. Mit Hilfe des GPS-Empfängers wissen wir wenigsten immer wo wir sind, aber nicht unbedingt, wie wir planmäßig weiter kommen ;-). Bei Butrint wollen wir unsere ersten Ruinen besichtigen. Jedoch sind wir uns uneinig über den richtigen Weg. Ein Teil der Sehenswürdigkeiten steht ja unübersehbar dies- und jenseits einer kanalartigen Verbindung zwischen Meer und Lagune, aber irgendwie muss da noch mehr sein. Voreilig steuere ich auf ein Wrack von Fähre zu, welche uns auf die andere Seite der Wasserfläche bringen soll. Das Teil wird mit Stahlseilen über das Wasser gezogen, der knatternde Antrieb dazu steht in einem baufälligen Häuschen am Ufer. Die Zugseile haben schon lange ihre Ablegereife erreicht, doch dieses eine Mal werden sie wohl auch noch halten. Zwei Euro verlangt der Fährmann für die Überfahrt und er gibt uns sogar Euromünzen heraus, da ich ihm nur einen 5 Euro Schein anbieten kann. Albanische LEK haben wir uns bislang noch nicht besorgen können. Auf der anderen Seite angelangt, fahren wir einen Berg hinauf und blicken zurück, um unser geplantes Ziel zu suchen. Vielleicht hätten wir doch auf der anderen Seite bleiben sollen? Vroni ist etwas – äh, sagen wir missgelaunt über meine Entscheidung das Ufer zu wechseln. Zurück will sie auch nicht mehr, also geht es vorwärts weiter.

In der nächsten größeren Ortschaft suchen und finden wir eine Bank. Der Bankautomat mag unsere EC-Karte nicht, er nimmt nur Kreditkarten. Doch die Filiale ist geöffnet und so wechseln wir Bargeld zu einem günstigen Kurs. Wenn man sich umschaut, sehen viele Häuser baufällig aus, andere wiederum könnten sonst wo in einem Nobelviertel stehen. Manche Bauten sind nie über die Rohbauphase hinausgekommen, die Betonsäulen und Wände der Grundmauern sind bereits wieder zerfallen. Auf dem Weg nach Sarandë steuern wir eine Tankstelle an, um gleich etwas von unserem frisch erworbenen Geld unter die Leute zu bringen. Der Spritpreis ist günstiger als in Deutschland, da fällt das Bezahlen nicht ganz so schwer. Die Straßen in Sarandë bestehen aus vielen Baustellen und Wegen, die eine solche nötig hätten. Mit dem elektronischen Navigationshelfer finden wir trotzdem recht schnell die gewünschte Ausfallstraße in das Landesinnere. Bei Mesopotam soll es eine Klosterkirche geben, die es anzuschauen lohnt. Wir zeigen einem Passanten das entsprechende Bild im Reiseführer, woraufhin er uns sogleich den Weg erklärt. Eine Schotterpiste führt durch die Hügel, bis vor ein großes geschlossenes Stahltor. Es lässt sich aufschieben, dahinter steigt ein zerfurchter Feldweg steil an und führt durch einen Friedhof. Wir fahren weiter hinauf und enden inmitten von Schafen vor einem niedrigen Zaun. Ab hier geht es zu Fuß weiter. Plötzlich werden meine schlimmsten Befürchtungen wahr. Wildes Hundegebell schallt uns entgegen (ich habe Angst vor Hunden jeglicher Größe und Gattung) und schon hetzen zwei Biester auf uns zu. Zuerst schreie ich sie an, woraufhin sie erst mal auf Abstand bleiben. Dann fangen sie an mit dem Schwanz zu wedeln, schon mal kein schlechtes  Zeichen. Nun springen sie freudig erregt heran und wollen gehätschelt werden, was ich auch widerwillig und mit klopfendem Herzen mache ;-). Nach all der Aufregung lässt sich das Kloster leider nur von außen besichtigen, ein Schild weist darauf hin, dass es innen gerade renoviert wird.

Der nächste Stopp erfolgt kurz hinter Krongj, dort gibt es eine Quelle, die als Siri i Kalter (Blaues Auge) ausgeschildert ist. Nach dem wir eine Mautgebühr bei zwei freundlichen alten Männern bezahlt haben, öffnet sich die Schranke und wir können auf einer sehr schlechten schmalen Straße weiter fahren. Nach wenigen Kilometern endet der Weg vor einem Hotel. Hier lassen wir die Maschinen zurück und laufen das letzte kurze Stück zur Quelle. Beeindruckend viel Wasser strömt aus dem tiefen, blau schimmernden Loch. Laut einer Schautafel sollen es bis zu 8,8 Kubikmeter pro Sekunde sein. Das Wasser ist eiskalt und das ist das Stichwort für eine innere Abkühlung, die wir uns beim Hotel in Form eines Kaltgetränkes genehmigen. Bei 30°C sind ein paar Meter Fußweg in Motorradkluft schon etwas schweißtreibend.

Über die Passhöhe Quafa e Muzinës erreichen wir die Ebene von Gjirokastra. Von oben kann man viele der Einmannbunker erkennen, die der Diktator Enver Hoxha seinerzeit bauen ließ. Über 600.000 dieser Betonklötze sollen im ganzen Land verteilt sein. Die letzten Kilometer durch die Ebene fahren wir auf einer breit ausgebauten Straße. Es ist auch gut, dass wir nun rasch vorwärts kommen, denn der Himmel hat sich verdunkelt und dumpfes Grollen kündigt ein Gewitter an. Wir klemmen uns hinter einen schnell fahrenden Mercedes (was sonst), in der Hoffnung, dass dieser bei einer Polizeikontrolle zuerst rausgezogen wird und wir das rechtzeitig erkennen. Von Geschwindigkeitskontrollen unbehelligt und gerade noch rechtzeitig vor der Himmelsdusche, checken wir im Hotel ein. Gjirokastra gehört zum UNESCO Weltkulturerbe, vom Zimmerfenster aus können wir schon mal einen Teil der Stadt bei Regen betrachten. Als der Regen wieder nachlässt, wagen wir uns zu Fuß in den Ort. Wir steigen durch die steilen Straßen, wandern zur Burg hinauf und wieder hinab. Auf der Suche nach dem im Reiseführer empfohlenen Restaurant, umrunden wir zweimal die Altstadt. Bei den steilen Wegen ist das kein Kindergeburtstag, verstärkt allerdings unseren eh schon nicht kleinen Hunger. Erst als ich eine Schuhverkäuferin nach der Gaststätte frage, werden wir auf den rechten Weg gelenkt.

Nach dem Essen schlendern wir zum Hotel zurück. Das Mädchen an der Rezeption ist ganz aufgeregt, es gibt Probleme mit den Motorrädern. Gemeinsam gehen wir nach draußen. Meine Africa Twin ist mit dem Hauptständer durch den Teer gesunken und umgekippt. Das Loch im Boden ist noch zu sehen. Zusammen mit einem Taxifahrer hat das zierliche Persönchen die Maschine wieder aufgestellt. Ich untersuche die Maschine auf Schäden: Der Koffer ist etwas eingedrückt, der Sturzbügel verkratzt und der vordere rechte Blinker hat auch etwas mitbekommen, funktioniert aber noch. Alles in allem zum Glück nur halb so schlimm. Ich beruhige die Rezeptionistin und bedanke mich für das Aufstellen der schweren Twin. Dann kontrolliere den sicheren Stand der Maschine, nun steht sie sicher auf dem Seitenständer mit der verbreiterten Standplatte. Mit diesem kleinen Schrecken geht der Tag zu Ende.

Heute Morgen ist das Wetter wieder freundlich und wir steigen abermals zur Burg hinauf. Heute bleiben wir jedoch nicht nur davor stehen, sondern entern die alten Gemäuer und schauen uns innen um. In einer großen, nicht allzu hellen Halle, stehen einige Kanonen aus diversen Epochen herum. Das Kriegszeugs interessiert uns weniger und wir schlendern weiter zum Museum. Dieses kostet nochmal extra Eintritt, den wir auch zahlen würden,  wenn die Ausstellungsräume geöffnet wären. So begnügen wir uns mit den Außenanlagen und vor allem mit den Ausblicken auf die Alt- und Neustadt. Von hier oben sieht man das Zekate-Haus, eines der noch erhaltenen ursprünglichen Gebäude im typischen Gjirokastra-Stil. Dieses Haus wurde von privater Hand - so steht‘s zumindest im Reiseführer – restauriert und zu einem kleinen Museum ausgebaut. Per Luftlinie ist das Gebäude nicht weit entfernt, doch zu Fuß muss man auf groben Pflastersteinen Höhenmeter in beide Richtungen überwinden, bis man endlich dort angelangt ist. Wir besichtigen die Zimmer des Hauses und stellen einige Parallelen zu den Räumen in den omanischen Forts fest. Diese Ähnlichkeiten sind schon komisch. Nach weiterem Auf und Ab haben wir den Obelisk erreicht, von dem man einen prima Ausblick auf die Neustadt hat. Nun ist’s genug mit der Latscherei. Wir gehen zurück zum Hotel und satteln Vronis Transalp für einen Ausflug in die Gegend.

Vroni hat ein paar sehenswerte Ziele ausbaldowert, die wir nun anfahren wollen. Südöstlich von Gjirokastra liegt das Örtchen Libohovë. Über dem Dorf thront die Festung Ali Pasha, die wir uns anschauen wollen. Kurz bevor wir unser Ziel erreichen, werden wir von einem Schauer in die Regenkombis gezwungen. Im Dorfrestaurant, das sich unter einer riesigen Platane versteckt, die unter Naturschutz steht, warten wir auf das Ende des Gusses. In der Zwischenzeit werden wir mit Cappuccino und Keksen verwöhnt, die von der kleinen, englisch sprechenden Tochter serviert werden. Bald darauf kurven wir um die alte Burg, ohne jedoch einen Zugang ausmachen zu können. Da das Gemäuer eh leer sein soll, lassen wir die Besichtigung sausen und holpern über einen Schotterweg nach Labova zum Kloster Maria (Shën Mëria). Auf der Strecke kriecht noch ein alter W124er den Berg hinauf, doch auf Schotter sind wir klar schneller. Als wir die Maschine vor dem Kloster abstellen, nieselt es schon wieder. Ein junger Mann beobachtet uns von einiger Entfernung, verschwindet kurz und taucht gleich wieder auf. Während wir die Telefonnummer auf dem Eingangsschild entziffern, über die der Schlüsselgewaltige herbei zitiert werden kann, taucht plötzlich ein weiterer Jugendlicher auf, der sich als Pedro vorstellt. Dieser spricht uns in gutem Englisch an und teilt uns mit, dass die Dame, die den Klosterschlüssel verwaltet, schon auf dem Weg zu uns sei. Inzwischen erzählt er uns die Geschichte des Klosters, von den Gründertagen bis in die heutige Zeit. Als der Schlüssel mitsamt der daran hängenden Dame auftaucht, können wir auch die Innenräume besichtigen. Wie in einer orthodoxen Kirche üblich, ist alles überschwänglich mit Gold verziert. Zahllose Ikonen schmücken die Wand, hinter der sich der Altar verbirgt. Auf dem Altar stehen mehrere Kruzifixe, von denen das mittlere Exemplar einmal sehr wertvoll war, weil es einen Splitter vom Kreuze Christi enthalten haben soll. „War“ deshalb, weil das originale Kreuz gestohlen wurde und nun eine Replik auf dem Gnadentisch steht. Die Wandmalereien wurden in der Kommunistenzeit mit Farbe übertüncht, damit sie nicht zerstört werden. Mittlerweile wurde damit begonnen, die Farbschichten zu entfernen und die Gemälde wieder freizulegen. Als Spende für die weiteren Restaurierungen und als Dank für die Führung, werden wir gebeten 500 LEK in eine Kasse zu legen, eine Bitte der wir gerne nachkommen. Die Rückfahrt nach Gjirokastra müssen wir wieder etwas flotter angehen, weil die nächsten Gewitterwolken sich anschicken uns waschen zu wollen. Zunächst müssen wir gar Kurs auf die schwarzen Wolken halten, bis der Weg endlich nach Norden abknickt und wir uns wieder von der Front entfernen. Den geplanten Besuch eines weiteren Klosters, lassen wir aus Gründen der Trockenhaltung wieder fallen.

Die heutige Etappe ist rund 400 Kilometer lang und soll uns bis zum Ohridsee führen. Dazu fahren wir zunächst  zur Küste zurück um abermals das Pässchen Qafa e Muzinës zu überqueren. Vorher stoppe ich an einer kleinen Werkstatt am Straßenrand, um den Koffer wieder in Form zu bringen. Dem Mechaniker gebe ich zu verstehen, was ich machen möchte und was ich dazu brauche. Er bringt mir Hämmer in verschiedenen Größen und einige Klötze und Keile aus Hartholz. Einige gezielte Schläge später ist der Koffer wieder wie gebügelt und nach dem Anbau desselben geht die Fahrt weiter. Der Mechaniker lehnt jedwede Bezahlung kategorisch ab, an dieser Stelle nochmals faleminderit (danke)!

Diesmal wählen wir die nördliche, parallel verlaufende Variante über Devinë nach Sarandë. Die schmale Straße führt durch ginsterbewachsene Hügel. Der Belag ist einer Reiseenduro angemessen, fehlt also partiell oder auch mal völlig. Wir teilen den Weg mit Schlangen, Eidechsen, Schildkröten und Igeln. Letztere sind meist Opfer der wenigen Autos geworden :-(. Ab Sarandë folgen wir dem Küstenverlauf und bewundern schöne Badebuchten. Unterwegs kommt uns ein Radrennen entgegen, für die Fahrer ist die Hitze sicher eine Qual.  Deren Begleitfahrzeuge rasen auf der gesamten Straßenbreite entlang, also auch auf unserer Seite und drängen uns unnötigerweise auf den Seitenstreifen. Direkt vom Ufer des Meeres aus steigt der Gebirgszug Mali i Çikës in die Höhe. Schon von weitem sieht man das mäandernde Straßenband des 1.027 Meter hohen Qafa e Llogarasë (Llogara Pass). Wir flitzen die Kehren hinauf und können von oben die weit unter uns liegende Küste bewundern. Auf der Gegenseite werden wir durch grüne Wälder eines Naturschutzgebietes geführt, Hinweisschilder bewerben die zahlreichen Wanderstrecken in dieser Gegend. Eine Trekkingtour in diesem Gebiet wäre auch nicht zu verachten, jedoch liegen die entsprechenden Schuhe (ausredensuchenderweise) zuhause. Der weitere Weg über Vlorë und Fier muss man nicht besonders herausheben. Erst in Peqin gibt es wieder etwas anzuschauen, nämlich eine Burg. Wir umkreisen das Relikt aus früheren Zeiten zweimal, bis wir einen möglichen Zugang finden. Dieser führt direkt durch ein Restaurant am Rand der Ruine. Der Wirt öffnet uns das Tor und wir bestaunen - die gähnende Leere in den Mauern. Außer der steinernen Umfassung und die Reste eines Turmes gibt es nicht wirklich etwas zu entdecken.


Bei Elbasan verdunkelt sich der Himmel wieder einmal. Regen strömt unter Donnergetöse auf die Straße. Gerade noch rechtzeitig haben wir Schutz bei einer Tankstelle gefunden. Der Tankwart bietet uns Stühle unter seinem Vordach an, damit wir das Gewitter aussitzen können. Nach einer guten halben Stunde scheint der Spuk zu Ende zu sein. In den Regenkombis eingetütet, setzen wir unseren Weg fort. Die Straßen sind noch immer klatschnass und ab und zu fallen auch noch einige wenige Regentropfen. Unter diesen Bedingungen sparen wir uns die Abstecher zu antiken Brücken und Gebäuden, die links und rechts unseres Weges eingeplant waren. Den 933 Meter hohen Qafa e Thanës passieren wir bei leichten Nieselregen. Wir überholen einen schwerbepackten Radreisenden, der sich die Steigung hinauf quält. Momentan bin ich doch froh, dass wir einen Motor im Rahmen hängen haben. Nach ein paar Kilometern auf der Uferstraße des Ohridsees, erreichen wir das Hotel Lyhnidas, unser geplantes Etappenziel. Wir bekommen einen kleinen Bungalow mit reichlich Platz zugewiesen. Unter dem Vordach trocknen unsere Regenhäute, während wir das Ende der anstrengenden Tour im Restaurant genießen. Die Nacht ist leider weniger angenehm. Montezumas Rache hat mich erwischt und ich verbringe die Schlafenszeit zum Teil an einem anderen Ort als dem Bett.

Müde von der besch… Nacht belade ich nach dem Frühstück die Motorräder. Weil es „so schön“ war, hat Vroni für heute eine weitere Langstrecke geplant. Sie will, äh, ich meine natürlich wir wollen ;-) bis nach Berat fahren. Jedoch nicht den kürzeren Weg quer durchs Land, sondern in einem großen Bogen außen herum – deshalb die unendlich scheinende Entfernung. Wir folgen zunächst weiter dem Gestade des Ohridsees, wurschteln uns durch den dichten Verkehr von Pogradec und wechseln bei Tushemisht nach Mazedonien hinüber. Die Ausreise aus Albanien ist rasch erledigt, der Mazedonische Grenzer kontrolliert ebenso schnell unsere Papiere und trägt die Daten in den Computer ein. Über einen Pass ohne Namen fahren wir zum Prespasee hinüber. Wir gewinnen rasch an Höhe und können von oben über den Ohridsee blicken. Hier oben ist das Wetter gleich viel besser. Während über dem See Wolkenfetzen hängen, scheint hier oben die Sonne. Die gut asphaltierte Straße windet sich durch grüne Wälder. Typischer angenehmer Waldgeruch hängt in der Luft, Wasserdampf steigt vom zum Teil noch feuchten Teerbelag auf. Wir stürzen uns zum Prespasee hinab und erreichen einige Zeit später die Grenze nach Albanien. Das Aus-/Einreisespiel ist auch hier rasch erledigt und schon sind wir wieder im Land der shqiponjë (Adler).

Auf dem Weg nach Korçë überqueren wir zwei weitere Pässe, deren Namen ich nicht ausfindig machen kann. Aber die Namen sind unwichtig, wenn sich die Straße so schön durch die hügelige Landschaft windet. Schafherden wechseln sich ab mit Reitern auf Mulis und schwer beladenen Eselskarren. Ab und zu queren wir ein kleines Dorf, jedoch vermissen wir ein Café, in dem wir den Flüssigkeitshaushalt ergänzen können und ich den Folgen der Nacht Tribut zollen kann. Hinter Korçë überqueren wir den 1.196 Meter hohen Qafa e Qarrit, endlich mal wieder ein namentlich erwähnter Übergang. In einer Ortschaft finden wir dann doch noch ein Gasthaus, in dem wir (endlich) unsere Bedürfnisse befriedigen können. Die Pause tut gut und frisch motiviert kurven wir weiter zwischen Hügeln und Bunkern nach Leskovik. Über Përmet erreichen wir auf einer sich endlos schlängelnden Straße das Dorf Luzat. Hier biegen wir auf eine breite, viel befahrene Straße ab, auf der eine Menge Laster und Busse unterwegs sind. Die Asphaltbahn ist häufig durch Baustellen unterbrochen, deren Umleitungen über feinen Sand und Kies führen. Der starke Verkehr hinterlässt wabernde Staubwolken, die das Atmen erschweren. Das Ganze zieht sich bis weit hinter Tepelenë. Erst als wir die baufällige Brücke bei Memaliaj überqueren, hören die Baustellen auf. Dafür fängt es bald darauf an fürchterlich zu stinken. Wir durchqueren die Ölfelder bei Mallakastër. Schwarze Teiche finden sich am Straßenrand, rostige, zum Teil zusammengefallene Tankanlagen säumen unseren Weg. Umweltschutz ist hier nicht einmal in Ansätzen bekannt.

Kurz vor der Stadt Fier wollen wir die Strecke nach Berat abkürzen. Bei Portëz biegen wir rechts ab und folgen einem Weg, der mehr Schlaglöcher hat, als ein Sieb Löcher. Selbst mit unseren Enduros ist es eine Qual hier zu fahren. So sind wir froh, als wir endlich wieder eine Hauptstraße erreichen. Die letzten 15 Kilometer bis Berat reißen wir dann auf der sogenannten linken A****backe ab. Dank Reiseführer machen wir dann einen unnötigen Umweg über die hochgelegene Burg und holpern auf groben Pflastersteinen den steilen Berg in die Innenstadt herab. Unser geplantes Hotel ist ausgebucht, aber im Hotel Berati sind noch Zimmer frei. Die Maschinen können wir gegenüber in einem kleinen schmutzigen, aber abgeschlossenen Hof abstellen. Heute Abend reicht es mir nur noch bis zur Apotheke, um Nachschub an Durchfallmittel zu beschaffen.

Der Pausentag in Berat wird auch fast ausschließlich zum Pausieren genutzt. Am Vormittag spazieren wir durch die Altstadt, um wenigstens ein wenig von der Stadt der Fenster zu sehen. Den Namen hat Berat wegen seiner Häuser, die reichlich mit Fenstern ausgestattet sind. Ab dem Mittag liege ich im Bett, um meine Diarrhoe zu kurieren und natürlich auch um „kurze Wege“ zu haben ;-).


Heute geht es mir etwas besser, also rauf auf die stählernen Pferde und weiter nach Norden. Einige Kilometer vor Kavajë biegen wir zum Meer hin ab. Unser Ziel ist „Kala e Bashtoves“, die Burg von Bashtova. Einsam und ruhig liegt die Ruinenanlage vor uns. Eine richtige Erholung gegenüber der Fahrt durch Lushnjë. Irgendwo in der Ferne tuckert ein Traktor, ein Bauer führt seine Truthennen nahe der Anlage durch das hohe Gras. Vroni turnt über die Mauern und schreckt eine Eule auf, die sich zwischen den alten Steinen ausgeruht hat. Leider sind von der Burg auch nur die Umfassungsmauer und einige Turmreste übrig. Das Innere ist völlig leer, eigentlich ideal um dort eine Nacht zu campen, aber unser Zelt liegt zuhause. In Lac wollen wir uns ein weiteres Kloster anschauen, doch der Verkehr in dem Ort ist so stark und die Luft entsprechend abgasschwanger, dass wir auf eine Besichtigung verzichten und lieber das Weite suchen. Nicht viel weiter liegt der Strand von Tale. Hier sollen die größten Bunker des Landes stehen, die Enver Hoxha seinerzeit bauen ließ. Für mich sind die Betonklötze nicht unbedingt sehenswert, aber immer noch besser als im Verkehrschaos von Lac zu ersticken.

Bis hinter Shkodër können wir auf einer autobahnähnlichen Straße die Rösser laufen lassen. Die letzten 30 Kilometer bis Koman bedürfen jedoch einer ruhigeren Fahrweise. Die schmale Straße scheint nur aus Kurven zu bestehen und schmiegt sich an den Küstenverlauf des Stausees. Leider vermiesen viele Stromkabel die Aussicht, trotzdem ist die Landschaft sehr reizvoll und lädt zum Bummeln ein. In Koman biegen wir gleich zur „Vila Francese“ ab, um dort ein Zimmer klar zu machen. Der Wirt spricht italienisch und so ist die Kommunikation kaum ein Problem. Als er sieht, wie sehr wir unter der Hitze leiden, bringt er uns sofort kühles Brunnenwasser. Cola oder Bier hat er leider nicht im Angebot. Da es keine Klimaanlage gibt, stellt er uns einen Ventilator ins Zimmer, der mehr durch seine Lautstärke, als durch seine kühlende Wirkung beeindruckt. Doch egal, Hauptsache etwas frischer Wind. Bevor wir im nahen Restaurant zu Abend essen, fahren wir noch zur Anlegestelle der Fähre. Dazu geht es zunächst einen Berg hinauf und dann durch einen Tunnel, der immer dunkler wird. Der Tunnel mündet direkt an der Anlegestelle, also nicht zu schnell hinaus blasen ;-). Ein starker Wind und dunkle Wolken kündigen das übliche abendliche Gewitter an. In den Ecken des Sees hat sich überreichlich Plastikmüll gesammelt, hauptsächlich Flaschen und Tüten. Wer weiß, was unter Wasser noch so alles herumliegt. Die ersten Tropfen fallen und treiben uns wieder in den Tunnel. Rasch trollen wir uns von diesem windigen, schmutzigen Ort und retten uns ins Restaurant Natyra, das schon seit Kilometern ausgeschildert war. Zum Wirtshaus gehört auch der örtliche Campingplatz, auf dessen Wiese stehen einige Allradfahrzeuge aus Tschechien und auch zwei Motorräder. Wegen der erhöhten „Luftfeuchtigkeit“ essen wir unter der Brücke. Dieser ungewöhnliche Ort wurde vom Verwalter des Campingplatzes zu einem Schankraum umgebaut - nicht besonders schön, aber selten. Als wir zum Hotel zurückkommen, stehen zwei weitere Motorräder mit deutschem Kennzeichen da. Das Pärchen kommt aus Kassel und möchte wie wir morgen mit der Fähre nach Fierze übersetzen.

Das Frühstück in der Vila Francese ist sehr spartanisch. Kaffee und Milch gibt es genug, doch an den Feststoffen mangelt es. Außer trockenem Brot liegt nichts auf den Tellern. Ein italienisches Pärchen am Nachbartisch beschwert sich und bekommt etwas Schafkäse und selbst gemachte Butter gebracht. Nach dem sich die beiden bedient haben, geben sie die Teller an uns weiter. So müssen wir nicht völlig darben. Als wir später bei der Anlegestelle eintreffen, steht der ganze Platz schon mit Autos voll. Die Wartezeit verbringen wir oben auf der Treppe einer Kneipe, so behalten wir den Überblick und außerdem liegt der Platz im Schatten. Als die Fähre näher kommt, werden alle unruhig. Motoren werden gestartet, laute Rufe schallen über den Platz. Wir kennen solche Fährfahrten schon zur Genüge und bleiben ruhig sitzen. Zuerst müssen die kommenden Fahrzeuge abgeladen werden, dann sehen wir weiter. Die ganze Ent- und Beladeaktion geht dann doch viel weniger chaotisch vonstatten, als wir zunächst vermutet hatten. Die Motorräder werden erst ziemlich zum Schluss an Bord gelassen und kaum haben wir die Zweiräder abgestellt, legt das Schiff auch schon ab. Die Seefläche ist ziemlich schmal und an manchen Stellen wird sie gar ziemlich eng. Beiderseits ragen hohe Felsen in die Höhe. Ab und zu sieht man eine Hütte oder einen kleinen Bauernhof. Gute zwei Stunden dauert die Fahrt durch diese canyonartige Landschaft, ohne dass es langweilig wird. Kurz vor Fierze legen wir an einem provisorisch aussehenden Landungsplatz an. Bis zur Kreuzung am Ortsanfang rollen wir auf einem staubigen Schotterweg. Dann biegen wir nach links, Richtung Bayram Curri ab, und es geht auf gutem Teer weiter.

In Bayram Curri müssen wir dreimal durch die Stadt kurven und mehrmals nachfragen, bis wir unser Hotel finden. Dabei liegt es gar nicht mal so versteckt, nur etwas zurückgesetzt an der Hauptstraße. Wir beziehen unser Zimmer und machen uns gleich für einen Ausflug fertig. Wiederum sitzen wir zu zweit auf der Transalp und fahren ins Valbona Tal hinein. Entgegen anders lautenden Infos im Internet, ist die Strecke immer noch geschottert, was ihre Attraktivität nicht mindert. Zwischen den Berggipfeln verziehen sich die Wolken und lassen den Himmel strahlen. Kühe und Pferde weiden ohne beengende Zäune. Rechterhand fließt ein blauschimmernder Bach, grüne Bäume und Büsche  flankieren den Weg. Schöner kann die Landschaft kaum sein. Bis kurz hinter Valbona folgen wir dem Schotterband, dann drehen wir wieder um. Unterwegs waren mehrere Guesthouses ausgeschildert und wir wollen schauen, ob wir dort etwas zu essen bekommen. Wir biegen auf einen ausgewaschenen, steinigen Waldweg ab und folgen diesem ein paar hundert Meter. Dann geht es eine steile Rampe hinab, und wir enden zwischen mehreren Häusern. Einige Leute arbeiten an einem Gebäude und wir fragen, ob es hier etwas zu essen gibt. Omelette, Käse und Brot werden uns angeboten und wir nehmen dankend an. Ein alter Tisch wird gedeckt und außer den zuvor genannten Speisen, werden noch Marmelade, Würstchen, Tomaten, Gurken und Kuchen serviert. Dazu gibt es Quellwasser und Tee. Eine alte Frau sitzt etwas abseits und spinnt Wolle. Vroni setzt sich zu ihr und lässt sich die Arbeit zeigen. Später sollen aus den Wollfäden einmal Strümpfe gestrickt werden, erklärt die Spinnerin mit Händen und Füßen. Sie sei vor einigen auch schon mal in Deutschland gewesen, in Hamburg, ergänzt sie. Und später, als wir uns verabschieden, kommt sogar ein flottes Tschüss über ihre Lippen.

Seit 05:00 Uhr morgens gewittert es lautstark. Der Regen platscht nur so herab und wir fragen uns, ob wir heute im Regenkombi starten müssen. Als wir gegen 09:00 Uhr abfahren, ist die Straße zwar nass, aber von oben her bleibt es trocken. In Fierze biegen wir auf die Bergstraße Richtung Pukë und steigen immer höher in die Berge hinauf. Von oben sieht man Staudämme und ihre zugehörigen Gewässer, bis wir uns endgültig von dem Seengebiet verabschieden. Nun sieht die Landschaft eher alpin aus, Nadelbäume und Felsgebilde bedrängen die Straße. Da es im Hotel kein Frühstück gab, kehren wir unterwegs hungrig in einen Berggasthof ein. Wir möchten Milchkaffee trinken und nach einigem hin und her mit „turkisch coffee with milk is not possible“, einigen wir uns auf Nescafé mit Milch. Zu unserer Überraschung kommt eine Dose mit einem kalten Nescafé Fertiggemisch. Was soll’s, dafür schmecken Omelette, Käse, Tomaten und Brot umso besser. Frisch gestärkt werfen wir uns wieder in die Kurven und fallen ein paar Stunden später in einem Vorort von Shkodër ein. In einer Bar bestellen wir zwei kalte Cola und in der Konditorei nebenan kann ich zwei Becher Vanilleeis ergattern. Dann stürzen wir uns in Verkehrsgetümmel und suchen das von uns präferierte Hotel. Plötzlich erinnert uns ein lauter Donnerschlag an den Beginn des allabendlichen Gewitters. Schwarze Wolken verdunkeln den Tag und schon fallen die ersten Tropfen. Im Hotel Tradita werden wir herzlich empfangen, doch leider ist es heute ausgebucht. Der Manager tätigt ein paar Anrufe und schickt uns dann ins Hotel Kolping weiter, es liegt kaum einen Kilometer von hier entfernt. Er möchte uns gerne noch zu einem Drink einladen, doch aus Wettergründen lehnen wir dankend ab. Wir möchten noch vor dem großen Guss im Trockenen sein. Wir versprechen jedoch heute Abend zum Essen vorbei zu kommen.

Gerade als wir im Hotel Kolping einchecken, prasselt auch schon der Gewitterschauer herab. Blitze zucken, Donner grollt, fast möchte man meinen, die Welt geht unter. Wir richten uns im Zimmer ein und duschen ausgiebig. Der Regen hat inzwischen nachgelassen, aber es tröpfelt immer noch. An der Bar des Hotels bekommen wir zwei Schirme ausgeliehen, so dass wir halbwegs trocken in die Stadt spazieren können. Wir schauen uns Moscheen und Kirchen an, besuchen das Theater (von außen) und die Touristenstraße mit seinen Cafés und Restaurants. Ein alter Bettler spricht, nein schreit uns geradezu an und fordert barsch Geld von uns. Auf diese plumpe Art ist bei uns jedoch nichts zu holen. Den Abend beenden wir dann mit dem Essen im Hotel Tradita. Leider ist die Bedienung nicht die Schnellste. Obwohl kaum etwas los ist, warten wir 45 Minuten auf das Essen, die bestellten Getränke kommen gar erst nachdem die Teller mit der „Hardware“ auf dem Tisch stehen. Dafür werden wir nach dem Essen vom Manager entdeckt und er löst sein Versprechen ein, einen Drink zu spendieren.
Bevor wir Shkodër verlassen, fahren wir noch zur antiken Brücke hinaus. Während ich fotografiere, fällt Vroni auf der anderen Seite der Brücke beim Wenden mitsamt ihrer geliebten Transalp um. Ein Passant hilft ihr beim Aufstellen und als ich bei ihr bin, ist schon alles vorbei. Ein paar Kratzer am Sturzbügel und ein leicht verbogener Koffer sind die einzigen Konsequenzen, vom verletzten Ego mal abgesehen ;-). Wenig später beule ich die Alubox in einer Werkstatt aus. Wiederum wird uns das Werkzeug kostenlos überlassen und kaum eine viertel Stunde später sind wir schon wieder auf Achse.

Wir arbeiten uns zur Grenze nach Montenegro vor. Arbeiten deswegen, weil die letzten Kilometer in Albanien wieder sehr staubig sind. Auch hier knüpft sich Baustelle an Baustelle, Umleitung hier, Stau da. Eine gefühlte Ewigkeit zuckeln wir im Schritttempo hinter einem stinkenden LKW her, ohne eine Chance zum Überholen. Kurz vor der Grenze haben wir endlich wieder freie Fahrt, legen allerdings noch einen Zwischenstopp ein, um zu tanken und noch eine letzte „albanische“ Cola zu trinken. Wir wollen auf diesem Wege unsere letzten LEK loswerden. Bei der Ausreise werden wir einfach durchgewinkt, gibt es hier keinen Ausreisestempel wie an der Grenze nach Mazedonien? Egal, bis wir das richtig schnallen, sind wir schon in Montenegro gelandet. Wir fahren zur Küste hinüber und müssen dazu über zwei Pässe kurven. Bei der Auffahrt zum zweiten Pass fängt es leicht zu regnen an – mal etwas Neues ;-). Die Tropfen sind jedoch nicht zahlreich genug, dass sich das Anziehen der Regenkluft lohnen würde. Bei der Abfahrt zur Küste hinunter hat die auflandige Meeresbrise die Wolken schon wieder in die Berge zurückgedrängt. Unter strahlend blauem Himmel setzen wir die Fahrt auf der Küstenstraße fort. Bei Tivat stoßen wir auf die Meerbusen von Kotor. Diese fjordartige, vierteilige Bucht ist von hohen Bergen umgeben und gehört zum UNESCO Welterbe. Wir folgen der stark gewundenen Küstenlinie und freuen uns über den nur mäßigen Verkehr. Dörfchen drängen sich ans Ufer und lassen die eh schon schmalen Wege noch enger wirken. Auf den Felsen am Wasser sitzen Menschen in der Sonne oder schwimmen im Meer. Leider ist die Idylle nach ungefähr der halben Strecke zu Ende. Die zweite Hälfte ist eine lebhafte Bundesstraße, die wir uns hätten sparen können. Dazu hätten wir nur die Fähre an der Engstelle der Bucht nehmen müssen. Aber was soll’s, ebenso hätte ja auch die gesamte Runde schön sein können, man weiß es eben erst hinterher. Die Ausreise aus Montenegro ist ebenso kurz und schmerzlos, wie die Einreise nach Kroatien. Wir bekommen einfach einen Stempel in den Pass gedrückt, ohne dass irgendetwas kontrolliert wird. In Cavtat, einige Kilometer vor Dubrovnik, nehmen wir uns eine Ferienwohnung. Leider ist diese etwas vom Meer und vom Zentrum des Ortes entfernt, so dass man ein Stück weit laufen muss, um beides zu sehen zu bekommen. Wenigstens haben wir vom Balkon aus einen schönen Blick auf eine Bucht. Am Abend laufe ich in den Ort zum Einkaufen. Es muss für das Abendessen und auch für das morgige Frühstück gesorgt werden. Als Belohnung für die schwere Arbeit gönne ich mir ein sehr leckeres Eis, wie es selbst in Italien kaum besser schmecken könnte.

Von Cavtat aus machen wir einen Ausflug nach Dubrovnik. Die „Perle der Adria“ ist ca. 30 Kilometer entfernt und wir fahren zusammen auf Vronis Transalp hin. Damit wir während der Stadtbesichtigung nicht so schwitzen müssen, fahren wir in „zivil“ und sparen uns die schwere Motorradkluft. Die Parkplätze rund um die gewaltigen Stadtmauern sind belegt, aber mit dem Zweirad ist es kein Problem zwischen hunderten von Rollern und Mopeds noch eine Lücke zu finden. Die Helme sichern wir mit einem Schloss an der Maschine, dann stürzen wir uns ins Getümmel. Die Altstadt von Dubrovnik ist eine Fußgängerzone und meist ist diese ziemlich überfüllt. Zu den Besuchern die vom Land aus einfallen, kommen noch die Schwärme von den Kreuzfahrtschiffen.

Leider sind wir vom falschen Tor aus in den ummauerten Bereich eingedrungen. So müssen wir uns zu einer der wenigen Aufstiegsmöglichkeiten auf die Stadtmauer durchwurschteln. An einer überfüllten Kasse lösen wir die Tickets, die für den Mauergang erforderlich sind, dann können wir die zahllosen Treppenstufen hinauf steigen. Von der Mauer aus hat man einen guten Überblick über die rot gedeckten Dächer, die Kirchtürme und Bauwerke. Aber auch kleine Details lassen sich von der steinernen Umfassung aus beobachten, Blumen vor den Balkonen, Bilder in den Fenstern, rostige Kruzifixe und bröckelnde Wände. Natürlich ist man ständig von mehr oder weniger Touristen umgeben, kein Vergleich zu den albanischen Sehenswürdigkeiten, die wir eigentlich immer alleine besichtigen konnten. Doch wollen wir mal nicht so egoistisch sein ;-). Nach dem wir die Mauerrunde beendet haben, ziehen wir ein wenig durch das Gassenlabyrinth und beschließen die Besichtigung, wie soll es anders sein, in einem Eiscafé.

Entlang der Küstenstraße rollen wir nach Norden weiter. Die heutige Tagesetappe ist recht kurz, schnell haben wir die Makarska Riviera erreicht, unserem Ziel für die nächsten 2 Tage. Wir klappern ein paar Ortschaften ab und suchen eine Ferienwohnung, möglichst direkt am Strand, mit Klimaanlage und sicherem Abstellplatz für die Moppeds. In Promanja finden wir die gesuchte Unterkunft. Einkaufsmöglichkeiten in Form eines kleinen Supermarktes und Ständen mit frischem Obst und Gemüse sind auch vorhanden, ein idealer Platz also. Nach dem Einkaufen erkunden wir per pedes apostolorum die nähere Gegend.  Nach unserer Rückkehr, packen wir die Schwimmsachen ein und legen uns in den Schatten einer großen Pinie an den Strand. Ich selbst bin nicht so der große im-Wasser-Herumplanscher, Vroni jedoch scheint Schwimmhäute zwischen Finger und Zehen zu haben, fast mit Gewalt muss ich sie am Abend aus dem Wasser holen ;-).

Nicht weit von Promanja liegt der Biokovo Park, ein Naturschutzgebiet in den Bergen oberhalb der Makarska Riviera. Wir suchen den Einstieg und erreichen nach einigen Höhenmetern die Mautstation. Pro Kopf lassen wir 40 Kuna an der Kasse und sausen unter der Schranke durch. Kehre um Kehre lassen wir hinter uns, steigen immer höher hinauf. Unterwegs treffen wir auf freilaufende Pferde und Kühe. Ein riesiger Stier trottet behäbig, aber doch etwas furchteinflößend am Straßenrand entlang. Radfahrer quälen sich schwitzend den Anstieg hinauf. Wir genießen die Aussicht auf die tief unter uns liegende Küste und lassen die Augen über die grün bewachsenen Kalkfelsen wandern. Nach 1.762 Höhenmetern erreichen wir den Gipfel mit der riesigen Antennenanlage. Zu Fuß umrunden wir den Gipfel und erreichen auf der Gegenseite die Kapelle St. Georg. Leider ist sie verschlossen, so können wir nur die Außenseite betrachten. Nach einem Plausch mit anderen Motorradfahrern, rollen wir ins Tal zurück. Als links ein Schotterweg abzweigt, nutzen wir die Gelegenheit und lassen etwas Staub aufwirbeln. Nach einigen Kilometern beginnt bei Kozica wieder eine Teerstraße, die zur Küste zurückführt. Wir folgen diesem Weg, der beängstigend nahe am tiefen Abgrund entlang führt. Plötzlich werden wir von einigen Baumaschinen gestoppt. Vor längerer Zeit hat ein Erdrutsch die Straße weggerissen und nun sind die Bauarbeiten zur Rekonstruktion der Straße im vollen Gange. Wir müssen umkehren und den ganzen Weg wieder zurück fahren. Von der Anstrengung erholen wir uns bei bunten Salaten und Kaltgetränken im Restaurant des Parks.

Nach einer schwülen Nacht verabschieden wir uns schweren Herzens vom Meer und lenken unsere Zweizylinder in die Berge. Im Hinterland folgen wir auf drittklassigen Landstraßen dem Lauf des Flüsschens Cetina. Zwischen Omiš und Split blicken wir ein letztes Mal auf die Adria, dann entfernen wir uns endgültig von der Küste. Wir halten uns südlich des Peruča-Stausees und ärgern uns über einen erneuten Regenguss. Der Regenkombi ist zwar nicht unbedingt notwendig, aber angenehm ist die Fahrt im Getropfe auch nicht. Bei Obrovac machen wir wieder einen Knick in die Fahrtrichtung und steuern zu den Plitvitzer Seen hinauf. Wir beziehen ein Zimmer nahe dem Nationalpark. Ich düse danach nochmal los und kaufe ein paar Lebensmittel ein. Auf der Rückfahrt werde ich von einem erneuten Gewitter gejagt und gewinne nur knapp das Rennen.

Die Plitvitzer Seen hatten wir vor vier Jahren schon einmal bei bescheidenem Wetter besucht, das sparen wir uns diesmal. Bei blauem Himmel und Sonnenschein wäre die Entscheidung natürlich anders ausgefallen. Da das Wetter uns nicht hold ist, lassen wir Kilometer um Kilometer vorüberziehen. Hinter Karlovac fahren wir nach Slowenien hinein. Damit es nicht ganz so trist ist, geben wir den breiten Straßen nur wenige Chancen und nutzen das GPS um auf kleinen Wegen Strecke zu machen. Zwischendurch bessert sich das Wetter kurzzeitig, wir können sogar ein kleines Picknick an einem breiten Bach abhalten. Doch schon wenig später, bei der Auffahrt zum Paulitsch-Sattel, müssen wir für eine halbe Stunde Zuflucht in einem Restaurant suchen. Unsere Tagesetappe endet am Faaker See in einer großen Ferienwohnung.

Vor drei Jahren war ich mit dem Fahrradclub in den Alpen unterwegs. Damals hatten wir in Grabenstätt am Chiemsee Quartier bezogen. Der Kaiserschmarrn, den es zum Nachtisch gab, war göttlich. Deshalb möchte ich dort wieder übernachten und den Kaiserschmarrn ordern. Als Schmankerl bauen wir in die Route die Turracher Höhe sowie den Sölkpass ein. Ein Gewitter zwingt uns das Salzburger Land weiträumig zu umfahren. Leider schaffen wir es nicht ganz trocken bis Grabenstätt und das Pech ist noch nicht zu Ende. Das gesuchte Hotel hat inzwischen neue Besitzer und Kaiserschmarrn gibt es dort überhaupt nicht mehr :-(. Dann lassen wir auch Zimmer in diesem Haus bleiben und suchen uns eine andere Bleibe. In den Abendstunden wütet ein Unwetter, die Maschinen stehen trocken in einer mit Teppichen ausgelegten Garage und wir haben ein schönes warmes Bett – doch nicht so viel Pech …/p>

Für die Schlussetappe hat Vroni sich einen Umweg durch das Altmühltal ausgedacht. Natürlich ist der Himmel bedeckt, doch das soll uns nicht schrecken. Über kleine Landstraßen kurven wir in einem Bogen Richtung Heimat. Wir genießen die Kurven an der Altmühl und verfluchen die langatmige, vom GPS berechnete Route durch den Kraichgau. Nach fast 600 Kilometern Landstraße sind wir froh endlich vor der heimischen Garage zu stehen, natürlich – wie sollte es anders sein - im Regenkombi …